Campus Mitte Charité Berlin
Irgendwie sieht der Bus auf dem Campus der Charité Berlin aus, als hätte ihn jemand geschrumpft. Klein, gelb, mit Platz für gerade einmal sechs Fahrgäste. Doch noch etwas ist anders als üblich. Der Fahrer sitzt nicht hinter dem Steuer. Der Bus bewegt sich autonom durch den Verkehr. Er ist eins von vier Fahrzeugen, die seit Ende März in einem Pilotprojekt des Klinikums, der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und des Landes Berlin unterwegs sind. Auf zwei Ringlinien fahren die Busse auf einem Gebiet, das von öffentlichen Straßen abgegrenzt ist, aber durch den Verkehr mit Fußgängern, Radfahrern und Krankenwagen ein gutes Testfeld bietet, um Erfahrungen für den Einsatz von autonomen Fahrzeugen zu sammeln. Die Busse beschleunigen, bremsen und lenken vollkommen selbständig. An Bord befindet sich aber immer ein sogenannter "Sicherheitsfahrer", der im Notfall eingreifen kann. Die Geschwindigkeit ist dabei gemächlich. Maximal zwölf Kilometer in der Stunde erreicht der Roboterbus.
Bad Birnbach
Es ist nicht das einzige Projekt dieser Art in Deutschland. Ein Bundesland nach dem anderen stellt Gebiete zu Testzwecken zur Verfügung. Das autonome Fahren ist keine Zukunftsvision mehr. Es ist längst auf unseren Straßen angekommen - wenn auch immer noch ein Mensch zur Sicherheit an Bord sein muss. Ein Schwerpunkt sind dabei öffentliche Verkehrsmittel, von denen in Zukunft ein Teil ohne Fahrer auskommen soll. Die Deutsche Bahn testet seit Oktober 2017 in dem kleinen niederbayerischen Kurort Bad Birnbach zwei autonome Busse, die zwischen Bahnhof, Ortszentrum und Therme pendeln. Sie können jeweils acht Personen transportieren und sind bisher auf eine Geschwindigkeit von 15 km/h gedrosselt. Möglich wären 40 km/h. Die "ioki" genannten Busse sind ein Pilotprojekt für die Deutsche Bahn, die damit in den individuellen öffentlichen Personenverkehr einsteigen will. Per App sollen Reisende künftig Sammeltaxis und E-Fahrzeuge bestellen können.
Der Test läuft bisher durchaus erfolgreich. Bis April 2018 legten die beiden "iokis" 3000 Kilometer zurück und beförderten 7000 Menschen, ohne nennenswerten Zwischenfall. Einen weiteren Bus setzt die Deutsche Bahn seit dem 11. April auf dem EUREF-Campus in Berlin-Schöneberg ein, einem Modellprojekt für ein intelligentes Stadtquartier in der Hauptstadt. Hier fährt ein selbstfahrender elektrischer Kleinbus, der per App bestellbar ist und keine feste Route hat. Weitere Busse sind in Hamburg geplant. In der Hansestadt trifft die Deutsche Bahn aber auf Konkurrenz. Unter dem Namen "HEAT" (Hamburg Electric Autonomous") will die Hamburger Hochbahn von 2020 an ihren autonomen Bus in der Hafencity testen. Der soll bis zu 50 km/h schnell sein, zunächst aber keine Passagiere befördern.
Flughafen Frankfurt
In Frankfurt ist man schon weiter. Im Herbst 2017 testeten der Betreiber des Flughafens, Fraport, und der Versicherer R+V ihre Roboterbusse auf einer anderthalb Kilometer langen Strecke zwischen Terminal eins und Terminal zwei. Was nach wenig klingt, relativiert sich beim Blick auf den regen Verkehr am Frankfurter Flughafen. Allein die Haltestelle des autonomen Busses passieren täglich 2600 Fahrzeuge, hauptsächlich Lastwagen und Frachtschlepper. Ziel war es, herauszufinden, wie sich autonomes Fahren auf die Verkehrssicherheit auswirkt und wie sich die Logistik auf dem Flughafengelände besser planen lässt. Größere Zwischenfälle gab es in diesen zwei Wochen nicht, doch der Begleiter des Roboterbusses musste ein paar Mal eingreifen, wenn das GPS-Signal ausfiel oder ein falsch parkendes Fahrzeug den Bus aus dem Konzept brachte. Er blieb in diesen Fällen einfach stehen.
München, Wiesbaden und Sylt
Das Gleiche ließ sich auch in der bayerischen Landeshauptstadt beobachten, wo im Oktober 2017 die Münchner Verkehrsgesellschaft für drei Tage einen autonomen Bus testete (im Bild). Beim kleinsten Hindernis blieb das Fahrzeug stehen. Selbständig ausweichen konnte der Roboterbus des französischen Herstellers Navya noch nicht. In München einsetzbar wäre er nach Schätzungen von Experten erst in zehn Jahren. An vielen weiteren Orten in Deutschland testen Unternehmen autonome Busse. Der Versicherer R+V plant, zwei seiner Filialen in Wiesbaden mit einem Roboterfahrzeug zu verbinden, das Projekt soll bis zum Sommer genehmigt werden. Auf Sylt könnte bis Herbst ein autonomer Bus Lücken im Verkehrsnetz schließen, zum Beispiel zwischen abgelegenen Siedlungen zur nächsten Bus- oder Bahnstation. Die Sylter Verkehrsgesellschaft erhofft sich dadurch Erkenntnisse für den automatisierten Verkehr in ländlichen Gebieten. Eine konkrete Teststrecke gibt es aber noch nicht.
Teststrecke A 9 zwischen Nürnberg und München
Das autonome Fahren soll nicht nur den öffentlichen Nahverkehr revolutionieren. Auch die Autoindustrie forscht daran, dass ihre Fahrzeuge in naher Zukunft ohne menschliche Kontrolle auskommen. Dazu müssen die neuen Techniken unter Realbedingungen erprobt werden. Eine der bekanntesten Strecken ist der Abschnitt zwischen Nürnberg und München auf der A 9. Seit 2015 testen dort Unternehmen wie die Deutsche Telekom und Nokia. Audi engagiert sich gleich in sechs Projekten, zu denen unter anderem die Vermessung der Abschnitte der Autobahn, die Vernetzung mit Verkehrsanzeigen oder die Datenübertragung zwischen den Fahrzeugen mittels Mobilfunkstandard LTE gehören.
Teststrecke Düsseldorf
Die anspruchsvollste Teststrecke plant die Stadt Düsseldorf. Auf Teilstücken der A 44, der A 52 und der A 57 sowie im Stadtverkehr und auf Landstraßen sollen die selbstfahrenden Autos Daten und Erfahrungen sammeln. Sogar ein Parkhaus umfasst der Parcours, in dem die Fahrzeuge automatisch ihren Stellplatz finden. Zwölf Partner der Stadt Düsseldorf beteiligen sich an dem Projekt, darunter Unternehmen wie Siemens und Vodafone, aber auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Von Juni an startet der Betrieb mit fünf bis sechs Fahrzeugen, 750 Privatautos sollen zusätzlich mit Sensoren ausgerüstet werden, die Daten sammeln und den Straßenraum digital abbilden.
Niedersachsen
Auf bis zu 280 Kilometern will das Land Niedersachsen von Ende 2018 an Firmen autonome Fahrzeuge erproben lassen. Dazu gehören Abschnitte auf der A 2, A 7 und A 39 sowie Bundes- und Landstraßen im Raum Hannover, Braunschweig, Wolfsburg und Salzgitter. Die erste Phase startete bereits im Oktober vergangenen Jahres. Mobile Masten wurden an der Strecke aufgestellt, um Verkehrsdaten zu erfassen. Generell ist die Teststrecke als offene Plattform für Industrie und Wirtschaft gedacht, damit diese ihre neuen Techniken testen und Erfahrungen sammeln können. Interesse bekundet haben bereits VW, Continental, Siemens, der ADAC und das DLR. Ihre Erkenntnisse fließen in die Produktion zukünftiger Autos ein, die heute bereits Sicherheits- und Assistenzsysteme anbieten, die erahnen lassen, wie sich das autonome Fahren in der Praxis anfühlen wird. Unfehlbar sind sie allerdings noch nicht. Der Mensch als Kontrollinstanz ist noch immer unersetzlich. Lange dürfte das allerdings wohl nicht mehr so bleiben.