Es muss schon etwas ganz Besonderes bevorstehen, wenn der Bundesverkehrsminister und der Bahn-Chef persönlich anreisen. Dabei steht da doch nur ein ICE. Einer, wie sie täglich unzählige Male in Bahnhöfen zu sehen sind. Und doch ist überhaupt nichts normal. Menschenmassen drängen sich auf dem Bahnsteig, es werden Getränke gereicht, Fotografen suchen nach der besten Position. Denn dies ist eben gerade kein x-beliebiger Bahnhof, sondern der Bahnhof St. Pancras. Mitten in London. Ein Ort, an dem man noch nie zuvor einen deutschen ICE angetroffen hat.
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Die Einfahrt eines ICE in den Londoner Bahnhof soll nur ein Auftakt sein: Die Bahn plant eine regelmäßige Verbindung nach London durch den Eurotunnel.
"Mit dieser historischen Zugfahrt rücken Deutschland und Großbritannien künftig näher zusammen", sagt Bahn-Chef Rüdiger Grube. Und die Pathetik scheint dem allgemeinen Empfinden zu entsprechen. Die Präsentation des Zugs stößt auf extrem großes Interesse. Mehr als 160 Journalisten aus Großbritannien und Deutschland sind gekommen, um bei dieser Premiere dabei zu sein.
Nachts um zwei Uhr war der ICE eingefahren, zuvor hatte er den Eurotunnel unter dem Ärmelkanal durchquert, geschoben von einer Lokomotive, denn noch hat er keine Zulassung, um die Strecke eigenständig befahren zu dürfen. Es ist nicht einfach nur ein weiterer, es ist ein entscheidender Schritt in Richtung eines europäischen Schienenverkehrs, über alle Ländergrenzen hinweg.
Zwar fährt die Bahn bislang schon sechs europäische Länder an, nämlich Österreich, die Schweiz, Frankreich, Belgien, die Niederlande und Dänemark. Doch all das findet in Kooperation mit Partnerbahnen vor Ort statt. Nach London will die Deutsche Bahn erstmals einen komplett eigenständigen Verkehr anbieten. "Durch die konsequente Nutzung der Möglichkeiten des liberalisierten europäischen Schienenverkehrsmarkts bieten wir unseren Kunden echte Alternativen zum Flugverkehr", sagt Bahnchef Grube.
Die Pläne sind schon sehr konkret. Vielleicht schon zu den Olympischen Spielen im Sommer 2012, spätestens aber von Dezember 2013 an sollen täglich drei Zugpaare zwischen Frankfurt und London über Köln, Brüssel und Lille verkehren. Zusätzlich sind Verbindungen von Amsterdam über Rotterdam und Brüssel nach London geplant. Die Fahrzeit von Frankfurt nach London wird etwas mehr als fünf Stunden betragen.
Da der Eurotunnel als ein mögliches Ziel eines Terroranschlags gilt, sind Sicherheitskontrollen ähnlich wie beim Flugzeug vorgeschrieben. Noch ist offen, ob sie vor oder während der Fahrt stattfinden werden, die Bahn verhandelt das gerade mit den zuständigen Gremien. Auch der Fahrpreis für die künftige Verbindung steht noch nicht fest.
Allerdings gibt es noch ein Hindernis: die Sicherheitsstandards, die für den Tunnel gelten.
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So muss beispielsweise ein Zug nach momentanem Regelwerk auf einer Länge von 375 Metern durchgängig für die Fahrgäste sein, weil sich genau in dieser Entfernung die Notausgänge zu dem Rettungskorridor befinden. Der neue ICE 3, mit dem die Bahn künftig durch den Tunnel fahren will, ist jedoch - ebenso wie der alte ICE 3 - je Einheit lediglich 200 Meter lang.
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Um zu beweisen, dass die Sicherheit der Fahrgäste dadurch nicht beeinträchtigt wird, hatte die Bahn deshalb in der Nacht auf vergangenen Sonntag eigens eine Testfahrt absolvieren lassen, bei der 300 deutsche und britische Fahrgäste mitten im Tunnel einen ICE so schnell wie möglich verlassen mussten. Der Test sei sehr gut verlaufen, sagte Grube am Dienstag. Er ist daher zuversichtlich, dass die französisch-britische Regierungskommission, die die Sicherheitsbestimmungen für den Tunnel festlegt, die Regeln ändern wird. Sie hatte das ohnehin vor, da das Regelwerk 25 Jahre alt ist. "Wir werden alle Sicherheitsbestimmungen für die Fahrt durch den Kanaltunnel erfüllen", sagte Grube.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sieht in der geplanten ICE-Verbindung einen "gewaltigen Fortschritt für den europäischen Zugverkehr". Der gesamte Eisenbahnverkehr profitiere von der Liberalisierung. "Wettbewerb zwischen den einzelnen Eisenbahnbetreibern ist jetzt möglich", sagte der Minister.
Mit der Einführung der ICE-Verbindung zwischen Frankfurt, Köln und London könnten "Geschäftsleute und Touristen gleichermaßen eine äußerst attraktive und klimafreundliche Verbindung zwischen Main, Rhein und Themse nutzen".
Die Deutsche Bahn erhofft sich von der Eurotunnel-Verbindung Einiges. Ziel ist, 15 Prozent der Flugreisenden auf dieser Strecke für die Schiene zu gewinnen. Bahnchef Grube rechnet mit mehr als einer Million Fahrgäste im Jahr.