Die weißen Eisschollen schwanken leicht. Ganz vorsichtig und auf jeden nächsten Schritt achtend, wagt sich der Besucher langsam vorwärts. Als er wieder festen Boden unter den Füßen hat, stellt sich Erleichterung ein. Dabei ist - anders als in der Arktis - im Friedrichshafener Zeppelin-Museum kein eiskaltes Wasser unter den Schollen. Doch der bewegliche Bodenbelag führt den Besucher der neuen Wechselausstellung "66°30' NORD - Luftschiffe über der Arktis" recht nachdrücklich in die Thematik der Abenteurer und Forschungsreisenden des 19. und 20. Jahrhunderts ein.
Schließlich waren damals Expeditionen an und über den nördlichen Polarkreis, dessen Koordinaten der Ausstellung ihren Namen gaben, nicht nur beschwerlich, sondern sogar lebensgefährlich: Mit Hundeschlitten kämpften sich die Männer durch die weiße Wüste, Schiffe froren monatelang im Eis fest - Hunger, Erfrierungen und Todesangst waren ständige Begleiter.
Im Jahr 1896 brach der Schwede Salomon A. Andrée auf, um mit einem eigens dafür konstruierten Ballon als Erster den Nordpol aus der Luft zu erreichen. Mit einem praktisch nicht manövrierbaren Fluggerät, das als Modell in Friedrichshafen zu sehen ist, ins Unbekannte aufzubrechen, grenzte an Naivität - und Andrée scheiterte am Ende kläglich.
Von dieser und den darauf folgenden Entdeckungsreisen erfährt der Museumsbesucher sozusagen an Bord des Luftschiffes LZ 127 Graf Zeppelin. Denn die Gondel wurde in etwa im Maßstab 1:1 nachgebaut. Durch den Salon streifend sieht man aus den Fenstern die weiße Landschaft - Originalfotos aus der damaligen Zeit zeigen die furchteinflößende Unwirtlichkeit, aber auch die grandiose Schönheit des Polarmeeres.
Luftschiffe über der Arktis:Große Fahrt übers ewige Eis
Eine Ausstellung im Zeppelin-Museum Friedrichshafen erinnert an Erfolge und Fehlschläge von Luftschiffexpeditionen in die Arktis Anfang des 20. Jahrhunderts.
Man hört von der Expedition des Luftschiffes Norge, mit dem 1926 Roald Amundsen und Umberto Nobile die erste Überquerung des Nordpols von Spitzbergen nach Alaska gelang. Zwei Jahre später unternahm Nobile erneut eine Fahrt, mit der Italia. Die Expedition und auch das Luftschiff erlangten traurige Berühmtheit. Denn einen Tag nachdem der Nordpol erfolgreich überquert worden war, stürzte am 25. Mai um 10.33 Uhr die Italia aufs Packeis.
Zeppeline in den USA:Auch eine Alternative: leichter als Luft
Der Zeppelin kann in seiner neuzeitlichen Form auf eine lange Tradition zurückblicken - auch in den USA.
"Die genauen Gründe sind bis heute nicht geklärt", erläutert Jürgen Bleibler, Leiter der Zeppelin-Abteilung des Museums. Es folgte seinerzeit eine groß angelegte internationale Rettungsaktion, an der der sowjetische Eisbrecher Krassin maßgeblich beteiligt war. Den Tod von acht Menschen konnte es nicht verhindern. Zu den Überlebenden zählte neben Nobile auch seine Hündin Titina, die ihn auf den Expeditionen begleitete. Er ließ sie nach ihrem Tod ausstopfen, jetzt kann man sie in Friedrichshafen sehen.
Auch wenn Titina sicherlich das ungewöhnlichste der rund 100 Exponate ist, steht doch der LZ 127 im Mittelpunkt der Ausstellung. Graf Zeppelin war vom 24. bis zum 31. Juli 1931 auf wissenschaftlicher Arktisfahrt. Um für die rund fünf Tonnen schwere Ausrüstung Platz zu schaffen, musste die Gondel grundlegend umgebaut werden. Der übliche Luftschiff-Luxus musste der Wissenschaft weichen - das Porzellan wurde durch Pappgeschirr ersetzt, Stühle durch Aluminiumhocker und Kabinentüren durch Vorhänge.
Dennoch: "Die Fahrt mit dem LZ 127 brach mit dem Mythos der harten Abenteurer", sagt Jürgen Bleibler. So berichtet ein Passagier , dass er "den polaren Troyer" wieder ausgezogen habe und "in Hemdsärmel herumlaufe, da auch die elektrische Leitung mit jedem Breitengrad, den wir nach Norden fahren, eifriger ihre Schuldigkeit tut".
Die Expedition der Graf Zeppelin war wissenschaftlich sehr erfolgreich und sie gewinnt wieder an Aktualität. Denn die Fotos von damals sind für Forscher von heute von großem Interesse für Erkenntnisse zum Klimawandel.
66°30' NORD - Luftschiffe über der Arktis; Zeppelin-Museum, Seestr. 22, Friedrichshafen; bis 20. September; Dienstag bis Sonntag von 9 Uhr bis 17 Uhr geöffnet; Begleitbuch: 29 Euro (im Museumsshop), 38,90 Euro (im Buchhandel); Infos: www.zeppelin-museum.de