Kommentar:Steinchen im Getriebe

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Sebastian Herrmann fällt es zu fast jeder Uhrzeit schwer, aus dem Bett aufzustehen. (Foto: N/A)

Der Zustand von Radwegen ist zwischen Mitte November und April grauenhaft. Durch das Streuen von Rollsplit wird alles nur noch schlimmer.

Von Sebastian Herrmann

Als Verkehrsteilnehmer ergeben sich jeden Tag schöne Gelegenheiten für Wutausbrüche. Als Pendler, der mit dem Fahrrad durch die Stadt zur Arbeit fährt, richtet sich der Zorn in aller Regel auf Autofahrer, die aus Sicht des Radlers alle das Ziel verfolgen, ihn aus dem Leben zu befördern. Während der Wintermonate entzündet sich der Frust hingegen an einem anderen lästigen Umstand: dem miserablen Winterdienst, den viele deutsche Stadtverwaltungen Fahrradwegen angedeihen lassen - oder muss eher gesagt werden: verweigern? Der Zustand von Radwegen ist zwischen Mitte November und April grauenhaft. Entweder ist es auf den schmalen Radlerreservaten rutschig oder es liegt dort so viel Rollsplit und Dreck, dass ein Platten fast unvermeidbar ist.

Lästig ist der Rollsplit, mit dem die Radwege gewürzt werden

Die persönliche Bilanz seit dem 1. Januar liegt bei aktuell sechs Pannen. Dazu beigetragen hat, dass an vielen Radwegen das neue Jahr auch drei Wochen nach Silvester noch nicht angebrochen ist. Dort liegen noch immer zerbrochene Sektflaschen zwischen zermatschten Böllerresten und bohren sich bei erster Gelegenheit fröhlich in die Reifen. Noch lästiger ist der Rollsplitt, mit dem Stadtverwaltungen großzügig die Radwege würzen. Ist es feucht, haften die kleinen aber scharfkantigen Steinchen gerne am Mantel und arbeiten sich Umdrehung für Umdrehung in das Gummi hinein, bis endlich ein Loch in den Schlauch gebohrt ist.

Da sei die Frage erlaubt, welchen Nutzen der Rollsplitt hat? Ein Fahrradreifen liegt - grob und großzügig geschätzt - mit einem Quadratzentimeter Fläche auf, wenn er über den Asphalt rollt. Was hilft da der Splitt? Eher herzlich wenig. Im Gegenteil, die Steinchen tragen vermutlich mehr dazu bei, dass Räder ins Rutschen geraten. Sobald der Schnee nämlich geschmolzen ist, was in vielen deutschen Städten ja ziemlich schnell der Fall ist, bedeckt eine Schicht aus scharfkantigen Steinen den Boden, auf dem das Rad in engen Kurven rasch den Halt verliert.

Sofern ein Radweg nicht auch für Fußgänger freigegeben ist, deren Schuhe doch eine deutlich größere Auflagefläche haben als ein Fahrradreifen, darf auf Rollsplitt gerne verzichtet werden. Oft landen die Steine und der ganze andere Dreck allerdings von alleine auf der Radroute, dann nämlich, wenn nur ein aufgemalter Streifen diese von der Straße trennt. Die Straße wirkt wie penibel geputzt, der Dreck liegt bei den Radlern, von Autoreifen hinüberbefördert. Wenn Radler einen Platten vermeiden wollen und auf der Straße fahren, werden sie dann zur Seite gehupt. Immerhin: Eine feine Gelegenheit, den Zorn wieder auf Autofahrer zu fokussieren - wenn da nicht dieses Zischen vom Hinterrad kommen würde.

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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