Innovation:Keine Chance für Diebe

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Mithilfe des Sattelrohrs lässt sich das Rad an Pfosten anschließen. (Foto: Yerka)

Drei Studenten haben ein Fahrrad entwickelt, das "unstehlbar" sein soll. Doch macht es das Yerka Bike den Kriminellen wirklich schwer?

Von Felix Reek

Ampel, Straßenschild, Laternenpfahl, Baum - wer mit einem Yerka Bike unterwegs ist, sieht die Welt mit anderen Augen. Er kategorisiert die Umgebung. Die Ampel? Zu nah an der Straße. Das Straßenschild? Zu dicht an einer Mauer. Und der Baum? Schlicht zu dick. Stets auf der Suche nach Abstellmöglichkeiten für das Fahrrad. Denn das Spezielle am Yerka ist: Es nutzt seinen Rahmen als Schloss.

Das funktioniert ziemlich einfach. Den Zylinder am Unterrohr drehen und runterziehen. Das sich darunter befindliche Scharnier öffnen und aufziehen. Im rechten Winkel stehen nun die beiden Enden des Rohres vom Rahmen ab. Den Schnellverschluss des Sattels öffnen und ihn mitsamt Sattelstange rausziehen. Ihn durch die Öffnungen der beiden Unterrohrstangen schieben und das Schloss am unteren Ende zusperren. Dadurch entsteht eine 17 mal 25 Zentimeter große Öffnung, in die Schilderpfosten, Laternenpfähle oder kleinere Bäume passen. Natürlich bevor der Mechanismus mit der Sattelstange verschlossen wird.

Auf die Idee zu dieser ungewöhnlichen Lösung kam der Chilene Andrés Roi. Nachdem sein eigenes Rad mehrfach gestohlen wurde, suchte er eine technische Lösung, die nicht zu knacken ist. Zusammen mit zwei Kommilitonen von der Universität Adolfo Ibánẽz entwickelte er das Rahmenschloss des Yerkas. Die einfache Maxime der Konstruktion: Wer das Fahrrad stehlen will, zerstört es. Was den ganzen Diebstahl ad absurdum führt. Die Erfindung der Chilenen überzeugte offenbar viele Radler: 2015 sammelten sie auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter binnen weniger Tage fast 100 000 Dollar.

Die Idee eines "unstehlbaren" Bikes, so der Yerka-Werbeclaim, ist indes nicht neu. Beim "Skunk Lock"-Schloss etwa tritt beim Versuch, es zu durchtrennen, eine Flüssigkeit aus, die den Dieb dazu bringt, sich zu erbrechen. Etwas subtiler geht das Pedelec Electrified S von Van Moof vor: Wenn sich das Rad unbefugt bewegt, ertönt ein Alarm. Eine App informiert den Besitzer zudem, dass sein Rad gerade gestohlen wird.

Doch keine dieser Lösungen ist so schlicht wie die Idee der Yerka-Erfinder. Ist den drei Studenten also etwas gelungen, was die Industrie bisher nicht geschafft hat: ein Fahrrad zu entwickeln, das absolut diebstahlsicher ist?

"Unstehlbar ist es definitiv nicht", sagt Arno Helrich von der Münchner Polizei, zuständig für Prävention und Opferschutz. "Wenn ich es aufsägen will, kann ich das." Mit einem Blick auf das Yerka Bike fügt er hinzu: "Aber wenn ich den Sattel durchsäge, nützt mir das Fahrrad natürlich auch nichts mehr." Die Polizei kämpft seit Jahren gegen konstant hohe Diebstahlzahlen. Etwa 300 000 Fahrräder wurden 2017 als gestohlen gemeldet, die Aufklärungsquote beträgt gerade einmal zehn Prozent. Das liegt auch daran, dass die Diebe mitnehmen, was gerade verfügbar ist. Sättel, Pedale, Körbe werden ebenso entwendet wie ganze Fahrräder. Ob die billig oder teuer sind, ist nebensächlich. Schnell muss es gehen.

Das ist der größte Vorteil des Yerka Bikes: Es kostet viel Zeit, es zu stehlen. "Der Fahrraddieb hat wahrscheinlich eine große Zange dabei, zwickt das Schloss einmal durch - und das geht hier definitiv nicht", sagt Helfrich. Eine Gefahr sieht er eher darin, dass die Kriminellen aus Frust das Yerka Bike beschädigen.

Und eine weitere Sache bereitet ihm Sorgen: die Scharniere am Unterrohr, die ständigen Vibrationen und Kräften ausgesetzt sind. Wie sie sich auf Dauer bewähren, muss sich zeigen. Im alltäglichen Gebrauch sind zumindest keine Nachteile festzustellen. Das Yerka Bike fährt sich wie viele Räder im Einstiegssegment: nicht überragend, aber ordentlich. Ausgestattet ist es eher puristisch. Schutzbleche und Licht fehlen, es gibt keine Scheibenbremsen oder Federgabeln. Der Lenker knarzt, der Griff rechts am Lenker rutscht immer wieder zur Seite. Doch im Gegensatz zu vielen technischen Entwicklungen, die aus Crowdfunding-Kampagnen hervorgingen, ist das Yerka Bike vergleichsweise günstig. Es kostet 549 Euro mit einem Gang, 649 Euro mit Dreigang-Nabe von Shimano.

Das Testfahrrad wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

© SZ vom 21.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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