Geplante Pkw-Maut:Flut der Fragen

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In Österreich gibt es die Vignetten-Pflicht längst, in Deutschland soll sie am 1. Januar 2016 kommen. (Foto: dpa)

Verkehrsminister Dobrindt will die Pkw-Maut am 1. Januar 2016 "scharf stellen". Doch bei näherer Betrachtung wird das System immer komplizierter. SZ.de zeigt fünf Probleme auf, die bis zum Start der Maut kaum zu lösen sein werden.

Von Guido Bohsem und Daniela Kuhr, Berlin

Das Maut-Konzept, das Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Anfang der Woche vorgestellt hat, ist kompliziert genug. Das ist bereits auf den ersten Blick erkennbar. Wer aber einen zweiten oder gar dritten Blick darauf wirft, stellt fest: Je tiefer man in die Sache einsteigt, umso komplizierter wird es - und umso mehr Fragen tauchen auf. Die SZ greift fünf davon auf.

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Müssen manche Autofahrer am Anfang womöglich doch mehr zahlen?

Nach Dobrindts Worten soll die Pkw-Maut vom 1. 1. 2016 an erhoben werden. Unklar ist, ob zu diesem Zeitpunkt bereits alle Vignetten verschickt werden. Ist das der Fall, werden viele Autohalter am Anfang eben doch mehr bezahlen müssen, weil die meisten von ihnen die (alte) Kfz-Steuer ja schon im Voraus entrichtet haben. Hat einer zum Beispiel sein Fahrzeug im Juli angemeldet, zahlt er die Steuer auch immer im Juli, und zwar für ein ganzes Jahr. Muss er zum Januar die Pkw-Maut zahlen, hätte er also für sieben Monate zu viel Kfz-Steuer gezahlt. Aus diesem Dilemma gibt es zwei Auswege, und beide haben gravierende Nachteile. Die erste Möglichkeit wäre, dass der Fiskus jeden Kfz-Steuerbescheid am Ende des Jahres prüft und zu viel gezahlte Steuern zurückerstattet - ein irrsinniger Aufwand bei über 40 Millionen Fällen. Alternativ könnte man die Vignette immer dann verschicken, wenn auch die Kfz-Steuer fällig ist. Das Problem daran ist, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dann im ersten Jahr der neuen Pkw-Maut deutliche Ausfälle bei der Kfz-Steuer zu beklagen hätte, denn die muss ja zum Jahresanfang gesenkt werden. Die Idee, mit der neuen Abgabe zusätzliches Geld zu erwirtschaften, würde also für 2016 ins glatte Gegenteil verkehrt.

Kommt die Pkw-Maut wirklich zum Jahresbeginn 2016?

Dobrindt zeigt sich optimistisch, noch im Herbst einen Gesetzesentwurf zu präsentieren, der dann vom Kabinett beschlossen und von Bundestag und Bundesrat beraten werden muss. Mit einem Gesetzesbeschluss ist also in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen. Er hätte somit weniger als zwölf Monate Zeit, um ein ganz neues Informationstechnik-Projekt auszuschreiben und umzusetzen. IT-Experten halten das für nahezu unmöglich. Man brauche drei Phasen für ein solches Projekt. Zunächst müsse man es entwerfen, was meist einige Monate in Anspruch nehme. Dann müsse man das System erstellen, sprich die Programmierarbeit leisten. Das gehe je nach Personalaufwand relativ schnell. Schließlich aber müsse es zwingend noch eine Testphase für das neue System geben, die mindestens ein halbes Jahr laufen sollte, damit das System auch tatsächlich funktioniert, wenn es in Betrieb geht. Das alles innerhalb eines Jahres? Unmöglich.

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Schafft der Zoll die Umstellung in dieser kurzen Zeit?

Glaubt man der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft, würde die Pkw-Maut den Zoll vor massive Probleme stellen und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Behörde gerade erst verdaut haben wird, seit Juli 2014 für die Kfz-Steuer zuständig zu sein. Für Gewerkschaftschef Dieter Dewes ist jedenfalls klar, dass dies ohne deutlich mehr Personal nicht machbar sein werde. Auch die Produktion der Vignetten muss noch ausgeschrieben werden, bevor sie beginnen kann. Anschließend müssen die Aufkleber noch verschickt werden. Soll die Maut tatsächlich zum Januar 2016 "scharf gestellt" sein, wie Dobrindt es formuliert, müssten die Vignetten bis spätestens Ende Dezember 2015 verschickt sein. Experten halten das für ausgeschlossen.

Was ist mit Fahrern, die ihr Fahrzeug nicht das ganze Jahr über zulassen?

Vor allem bei Motorrädern und Cabrios ist es häufig der Fall, dass die Besitzer ihr Fahrzeug beispielsweise nur von März bis Oktober zulassen - und somit auch nur für diesen Zeitraum Kfz-Steuer zahlen müssen. Laut Dobrindts Plänen sind für Inländer bislang aber nur Jahresvignetten vorgesehen. Zehn-Tages- und Zwei-Monats-Vignetten soll es nur für Ausländer geben. Im Gesetzgebungsverfahren muss man also eine Lösung finden, wie man inländische Kurzzeitfahrer einerseits bei der Maut zur Kasse bittet, andererseits aber bei der Kfz-Steuer so entlastet, dass sie unterm Strich nicht mehr zahlen müssen.

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Wie werden die Einnahmen verwendet?

Dobrindt rechnet netto mit Mehreinnahmen von 600 Millionen Euro. Davon aber wird er Ländern und Gemeinden einiges abgeben müssen, da auch ihre Straßen mautpflichtig werden sollen. Man muss also zum einen klären, wie die Einnahmen genau verteilt werden, und zum anderen, wer sich wie an den Kontrollen beteiligt. Über beides dürfte noch trefflich gestritten werden.

© SZ vom 10.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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