Feuer in Elektrofahrzeugen:Brennende Fragen

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Wenn konventionelle Fahrzeuge Feuer fangen, können die Flammen relativ schnell mit Löschschaum erstickt werden. Bei Batterieautos funktioniert das nicht so einfach. (Foto: Bernd Wüstneck/dpa)

Hyundai ruft in Korea Zehntausende Elektroautos wegen Brandgefahr zurück. In Deutschland wurde bereits im Januar die Überprüfung bestimmter Modelle angeordnet. Sind die Stromer gefährlicher als Verbrenner? Und was tun die Hersteller?

Von Joachim Becker

Auslieferungsstopp, Ladeverbot und der größte Rückruf in der Geschichte der E-Mobilität. Hyundai hat in Korea 82 000 Elektrofahrzeuge in die Werkstätten beordert, vor allem den Kona EV. Bei der Rückholaktion, die laut dem Unternehmen knapp 750 Millionen Euro kosten soll, wird das komplette Batteriesystem ausgetauscht. Ob der Rückruf auf in Europa verkaufte Modelle ausgeweitet wird, ist noch offen. In Deutschland hatte das KBA bereits im Januar die Überprüfung von 6254 dieser Crossover-Modelle angeordnet: "Interne Schäden an bestimmten Zellen der Lithium-Ionen-Batterie und/oder eine fehlerhafte Steuerungssoftware des Batteriemanagementsystems könnten das Risiko eines elektrischen Kurzschlusses nach vollständigem Aufladen der Lithium-Ionen-Batterie erhöhen", warnt die Aufsichtsbehörde.

Die Koreaner sind nicht die einzigen Hersteller mit brennenden Problemen. Im vergangenen Herbst musste General Motors 68 667 Chevrolet Bolt zurückrufen. Die brandgefährdeten Akkus stammen wie bei Hyundai von LG Chem, dem weltweit drittgrößten Batteriehersteller aus Südkorea. Verunsichert sind auch BMW-Kunden, die sich im vergangenen Jahr einen Plug-in-Hybriden zugelegt haben. Bei knapp 27 000 dieser Teilzeit-Stromer besteht die Gefahr schadhafter Hochvoltspeicher; die Fahrzeuge sollen vor der Werkstattprüfung nicht mehr geladen werden.

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In Autozeitschriften und Online-Portalen macht das böse Wort von der Selbstentzündung die Runde: Die Bilder der ausgebrannten Elektrowracks zeigen keine Unfälle, sondern plötzliche Batteriebrände ohne Fremdeinwirkung. "Um die Batteriezellen im Normalbetrieb bestmöglich vor äußeren Einflüssen zu schützen, werden sie in einem stabilen, wasserdichten und teilweise thermisch isolierten Gehäuse untergebracht", erklärt Dekra-Unfallforscher Markus Egelhaaf, "das Ganze wird in einem Bereich verbaut, der bei Unfällen möglichst wenig belastet wird - zumeist unterhalb der Fahrgastzelle. Daher ist die Batterie im Brandfall für die Feuerwehr nicht besonders leicht zugänglich."

Der deutsche Feuerwehrverband wiegelt ab: "Aufgrund der aktuellen Berichterstattung in den verschiedensten Medien erscheint es wichtig zu betonen, dass auch Elektrofahrzeuge von den Einsatzkräften der Feuerwehr gelöscht werden können", sagt Peter Bachmeier, Leitender Branddirektor beim deutschen Feuerwehrverband: "Dies gestaltet sich unter Umständen etwas schwieriger als die Brandbekämpfung von herkömmlich angetriebenen Fahrzeugen. Jedoch nicht komplexer oder gefahrbringender als etwa ein Brand eines gasbetriebenen Kfz."

Kleinste Produktionsfehler sind fatal

Das Sperren einer Garage für alternativ angetriebene Pkw hält der Vorsitzende des Fachausschusses Vorbeugender Brand- und Gefahrenschutz für "nicht angezeigt." Genau das ist in Kulmbach aber gerade passiert. Nach einem Fahrzeugbrand musste eine Tiefgarage in der Innenstadt aufwendig saniert werden. Nun steht ein Parkverbotsschild neben der Einfahrt - allerdings für Stromer, obwohl ein alter Golf-Benziner die Brandursache war. Die oberfränkische Kreisstadt fürchtet gravierende Schäden auch an der Statik eines zweiten Gebäudes, sollte dort ein E-Auto abbrennen. Die Stromer "müsste man unter Aufsicht und Kühlung ausbrennen lassen, was mehrere Tage dauern kann", heißt es in einer Pressemeldung der Stadt. Ob sich diese Position vor Gericht - auch gegen die Fachausschüsse der Feuerwehr - durchhalten lässt, bleibt abzuwarten.

Dekra-Löschübung mit einem Fahrzeugakku: Bei Temperaturen über 140 Grad schmelzen die Kunststoff-Separatoren zwischen Plus- und Minuspol. Eine derartige Kernschmelze in den Zellen lässt sich nur mit sehr viel Wasser herunterkühlen. (Foto: DEKRA)

Dichter Rauch, gewaltige Rußmengen, meterhohe Stichflammen - wie gefährlich ist der Brand eines E-Autos in Tunneln und Tiefgaragen? Dieser Frage ist die schweizerische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) im Dezember 2019 nachgegangen. Die Brandübungen in einem Versuchsstollen in Hagerbach bei Flums haben gezeigt, dass solche Gebäude auch nicht mehr oder anders beeinträchtigt werden als durch einen abfackelnden Verbrenner. Das eigentliche Problem liegt woanders: Weil überhitzte Akkus lange heruntergekühlt werden müssen, ist bei Batterieautos eine größere Menge von Löschflüssigkeit nötig. Das eingesetzte Wasser ist dann genauso kontaminiert wie die Rußrückstände an Decken und Wänden: "Chemisches Löschwasser darf auf keinen Fall in die Kanalisation geraten", so die Empa-Experten. Was in der beengten Situation städtischer Tiefgaragen nicht einfach werden dürfte.

Weniger beunruhigt zeigte sich die Empa angesichts stark ätzender Flusssäure, die sich bei Batteriebränden bilden kann. "In den drei Versuchen im Tunnel Hagerbach blieben die Konzentrationen unter dem kritischen Bereich." Fazit auch der deutschen Feuerwehren: "Die Bekämpfung eines Fahrzeugbrandes in einer Garage ist für die Einsatzkräfte immer mit erheblichen Risiken und Gefahren verbunden. Die Einsatztaktik der Feuerwehren ist darauf ausgerichtet und vorbereitet."

Den Schaden haben die Kunden

Heutzutage würde die Neuerfindung des Verbrennungsmotors wohl auch eine Sicherheitsdebatte auslösen - allein in Deutschland kommt es jährlich zu knapp 17 000 Fahrzeugbränden. Relevanter als die Stromer-Rückrufe sind beispielsweise die über 500 000 BMW-Dieselmodelle, die das KBA wegen undichter Kühler in der Abgasrückführungsanlage (AGR) zurückbeordert hat: Austretendes Glykol-Kühlmittel kann bei hohen Temperaturen in Verbindung mit glühenden Rußrückständen Feuer fangen. Auch in diesen Fällen brennt das Fahrzeug meist völlig aus, weil Kunststoffe im Motorraum den Flammen Vorschub leisten.

Die Gelackmeierten sind die Kunden. BMW sieht die Verantwortung vor allem beim Lieferanten der AGR-Kühler, tritt in Gerichtsverfahren aber alles andere als kulant auf. Die Beweislast nach einem Fahrzeugbrand liegt beim Halter des Fahrzeugs: Er muss dem Hersteller (trotz KBA-Rückrufs) den technischen Mangel in jedem Einzelfall nachweisen. Ohne anwaltliche Klage und einen teuren Fachgutachter geht nichts, denn BMW stellt sich auf die Position, dass nicht alle Kühler betroffen seien.

Trotzdem ist die Brandursache bei Verbrennern meist leichter zu klären als bei Batterieautos - schon allein deshalb, weil die Gutachter viel mehr Erfahrung mit konventionellen Antrieben haben. Laut koreanischen Medienberichten streiten Hyundai und LG Chem noch immer über die Ursache der bisher 14 Batteriebrände beim Kona EV (in Deutschland ist laut Hersteller noch kein Fahrzeug davon betroffen). Auch der eingangs zitierte KBA-Rückruf lässt Spielraum für Interpretationen. Klar ist nur, dass die Zellen beim Laden und Entladen "atmen", sich also minimal ausdehnen und schrumpfen. Kleinste Verunreinigungen in der Zellproduktion können die Trennschicht zwischen Plus- und Minuspol (Anode) stellenweise durchreiben. Möglich ist auch, dass diese mechanischen Belastungen zu Kontaktierungsproblemen und Kurzschlüssen in den flexiblen Pouch-Zellen von LG Chem führen.

In der Branche besonders gefürchtet ist das sogenannten Lithium-Plating: Beim Schnellladen können die Lithium-Ionen nicht mehr vollständig in den Graphitschichten der Anode eingelagert werden, stattdessen setzten sie sich an der Oberfläche ab. Das verringert die Lebensdauer und kann im schlimmsten Fall zum Kurzschluss führen. "Ziel ist es, den Ladevorgang so gezielt zu steuern, dass man maximal schnell laden kann, aber eben gerade nicht die Batterie schädigt", sagt Peter Lamp, Leiter der BMW Batterieforschung und -entwicklung, "hierin liegt nach unserer Auffassung auch ganz klar ein Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb."

Ob die Autohersteller Akkus selbst produzieren oder nicht: Sie werden in die Zelltechnologie ähnlich viel Aufwand stecken müssen wie bisher in die Entwicklung von Verbrennungsmotoren. Sonst drohen ruinöse Massenrückrufe beim teuersten Bauteil im Elektroauto.

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