Elektrisch, aber wie?:Eine Frage des Taktes

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Der Wasserstoff-Zug "Breeze" von Alstom muss die Dauerhaltbarkeit und Wirtschaftlichkeit seines Brennstoffzellen-Antriebs noch beweisen. (Foto: Alstom)

Oberleitung, Batterie oder Brennstoffzelle - eine neue Studie zeigt, was die Alternativen für die Schiene kosten. Der Wasserstoffantrieb schneidet am schlechtesten ab, weil sowohl die anfällige Technik als auch der "grüne" Treibstoff teuer sind.

Von Joachim Becker

Die Weichen in die Zukunft werden jetzt gestellt: Knapp 40 Prozent des Bahnnetzes sind nicht elektrifiziert. Von 2007 bis 2017 kamen pro Jahr lediglich 70 Kilometer an neuen Oberleitungen hinzu. Damit liegt Deutschland abgeschlagen hinter der Schweiz (100 Prozent elektrifiziert) und Schweden (75 Prozent). Und das politische Ziel, den Schienenverkehr in Deutschland bis zum Jahr 2050 vollständig CO₂-frei zu betreiben, liegt in weiter Ferne. Dieseltriebzüge erbringen noch gut ein Drittel der Fahrleistungen in Höhe von insgesamt 57 Milliarden Personenkilometern - meist auf Nebenlinien. Selbst wenn bis 2025 wie geplant 70 Prozent der Strecken elektrifiziert sein sollten, blieben mehr als 10 000 Bahn-Kilometer ohne Stromversorgung.

Trotzdem empfiehlt eine neue Studie, spätestens 2025 keine Dieselzüge mehr in Betrieb zu nehmen. Da sie im Nah- und Pendlerverkehr eine typische Laufleistung von 25 bis 30 Jahren erreichen, könnten sie noch im Jahr 2050 im Einsatz sein. Was die Alternativen abseits der Hauptrouten kosten, hat die Studie des VDE (Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik) am Anwendungsbeispiel "Netz Düren" errechnet: "Auf typischen Pendlernebenstrecken, wo derzeit noch Dieseltriebzüge eingesetzt werden, ist der Wasserstofftriebzug immer die wirtschaftlich ungünstigere Lösung. Auch für uns war das eine überraschende Erkenntnis", sagt Studienautor Wolfgang Klebsch. Die Betriebskosten von Brennstoffzellen- und Batterietriebzügen unterscheiden sich demnach gravierend: Bis zu 59 Millionen Euro Unterschied liegen zwischen der günstigsten und teuersten Lösung. Die Technologieorganisation legte ihrer Wirtschaftlichkeitsanalyse eine Laufzeit von 30 Jahren sowie Triebzüge mit rund 165 Sitzplätzen zu Grunde.

Alles eine Frage des Taktes: Je häufiger Züge fahren, desto lohnender wird die Oberleitung

Konkret geht es um die Frage, ob Brennstoffzellen- oder Batterietriebzüge billiger sind als eine komplette Elektrifizierung der jeweiligen Strecke. Wesentliche Hürden für Brennstoffzellentriebzüge sind der hohe Wasserstoffpreis und die Tauschkosten der anfälligen Membran-Technologie: "Experten gehen davon aus, dass die Brennstoffzellen über die Fahrzeuglebensdauer von 30 Jahren bis zu sieben Mal getauscht werden müssen", erklärt Mobilitätsexperte Klebsch. Die Lebensdauer würde durch technische Verbesserungen an den Brennstoffzellen zwar voraussichtlich steigen. Wann das der Fall sei, wisse heute aber noch niemand mit Bestimmtheit zu sagen, so der Studienautor.

Der Wasserstoffantrieb ist auf der Schiene laut VDE in Anschaffung, Betrieb, Wartung um bis zu 35 Prozent teurer als der Batteriezug. Ausschlaggebend sind hier auch die hohen Energiekosten: "Um die Klimaziele zu erreichen, sind wir davon ausgegangen, dass grüner Wasserstoff eingesetzt wird. Dieser wird über einen Elektrolyseur mit einem Wirkungsgrad von unter 80 Prozent durch den Einsatz von Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt", erläutert Klebsch. Bezogen auf den Energiegehalt sei der Preis von grünem Wasserstoff daher immer höher als der Strompreis. Das gilt selbst bei einem relativ geringen angenommenen Preis von 4,50 Euro pro Kilogramm Elektrolyse-Wasserstoff. Dieser muss im Fahrzeug über die Brennstoffzelle mit einem Wirkungsgrad von unter 70 Prozent in Antriebsstrom umgewandelt werden. Die mäßigen Wirkungsgrade von Brennstoffzelle und Elektrolyseur treiben den Energiebedarf und die Energiekosten nach oben. Reine Batteriezüge sind aufgrund ihrer relativ geringen Speicherverluste ähnlich wirtschaftlich wie Triebzüge mit Stromabnehmern. Sobald eine Regionalbahn jedoch von einem Zweistundentakt auf einen Halbstundentakt umgestellt werde, seien Oberleitungen gut angelegtes Geld: Den hohen Investitionskosten von etwa einer Millionen Euro pro Kilometer stehen wesentlich günstigere Triebzüge gegenüber, die ohne mächtige Akkupakete auskommen.

© SZ vom 22.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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