Immer mehr Daten, immer höhere Übertragungsraten: In einem Auto sind mehrere Hundert Meter Kabel verbaut. Die Datenautobahnen in den Fahrzeugen müssen immer besser werden - und trotzdem kürzer und leichter. Bald soll das Ethernet Einzug ins Fahrzeug erhalten. Das große Ziel ist das autonome Fahren. Apps, Kameras mit Vogelperspektive und elektronische Assistenzsysteme. Die Grundlage für all das ist der Austausch und die Auswertung von Daten. Autos sind mittlerweile zu Rechenmaschinen geworden. Inzwischen sind in Oberklassen-Limousinen wie dem BMW Siebener oder der S-Klasse von Mercedes etwa 100 Steuergeräte verbaut, die ein immer größeres Datenvolumen generieren. Parallel dazu wird das Auto mittlerweile immer mehr zu einer rollenden Multimedia-Einheit. Für das ganz große Ziel der Hersteller, dem autonomen Fahren, werden die Datenströme deutlich anschwellen müssen. Dazu müssen alle Sensoren und Assistenzsysteme zusammenarbeiten - von den Parkpiepsern bis hin zur Stereo-Kamera.
Die ersten Schritte zum Autopiloten sind schon in Vorbereitung: Das Valet-Parken (im Bild), bei dem das Auto in der Parkgarage selbständig rangiert, soll in wenigen Jahren Realität sein. Audi-Chef Rupert Stadler rechnet damit, dass bis zum Ende des Jahrzehnts das autonome Fahren auch in der Stadt realisierbar sein wird. Hohe Übertragungsraten für die Fahrzeuge der Zukunft sind daher ein Muss.
Autonomes Fahren
Deutsche Telekom
Ermöglichen soll dies die Technologie für kabelgebundene Datennetze, die bei PCs am Arbeitsplatz oder zuhause bereits weit verbreitet ist: das Ethernet. Mit dieser schnellen Übertragungstechnik können bis zu 100 Mbit/Sekunde durch das Kabel fließen. Das ist rund zehn Mal so viel, wie ein Flexray-Bus-System bewältigen kann. Damit wäre die immer anspruchsvoller werdende Kommunikation zwischen den verschiedenen Elementen des rollenden Computers Automobil vereinfacht und auch schnell genug. Hersteller wie Mercedes - bei der neuen S-Klasse - und BMW - beim neuen X5 - verwenden schon länger Teile des superschnellen Netzwerkes. Zumeist allerdings nur zu Diagnose-Zwecken oder, wie beim BMW, für die Heckkamera. Die nächste Generation des Siebeners, die frühestens 2015 erscheinen wird, soll komplett mit einem Hochgeschwindigkeits-Netzwerk ausgerüstet sein. Kirsten Matheus, die bei BMW die Ethernet-Strategie verantwortet, bezeichnet die Umrüstung des Datenübertragungs-Netzes als eine Revolution im Auto.
Die Vorteile dieser Verbindungstechnik sind vielfältig. Da das Ethernet bereits eine etablierte Technologie darstellt, können die Auto-Hersteller auf bekannte Basis-Software zurückgreifen und müssen diese nur noch an die automobilen Anforderungen beziehungsweise Prozessoren anpassen. Auch der Kabelsalat des Bordnetzes, eines der teuersten und schwersten Bauteile des Autos, wird drastisch reduziert. Auch wird die Bus-Melange aus CAN-, MOST- und Flexray-Bus, die sich momentan im Auto befindet, zum großen Teil überflüssig werden. Lediglich der CAN-Bus wird für Spezialaufgaben mit kleineren Datenmengen, wie etwa Lenkwinkel- oder Raddrehsensoren, weiterexistieren.
Damit sinken die Kosten sowie das Gewicht und auch der Verbrauch. Durch den schnellen Datenfluss kann zudem der Antriebsstrang besser angesteuert werden, was ebenfalls zu einer Verbrauchsreduzierung führt. Für den Fahrer bietet das Automobil mit Ethernet-Netzwerk zudem neue Möglichkeiten. Denn das Netzwerk kann relativ problemlos mit mobilen Geräten kommunizieren. Wer zum Beispiel das Bild der Rückfahrkamera auf das Smartphone übertragen will, kann das künftig tun, ohne dabei im Auto zu sitzen. Auch die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen wird durch das Ethernet reibungsloser von statten gehen.
Doch noch bestehen einige Hürden. So muss sich die Automobilindustrie beispielsweise auf einen Datenübertragungs-Standard verständigen, um die Kosten zu senken. Der aktuelle IEEE 802.3-Standard wird vom amerikanischen Halbleiterhersteller Broadcom dominiert, die Automobil-Lobby will aber eine offene Version nach dem Vorbild des Betriebs-Systems Linux, an der viele mitentwickeln können. Ein Konsortium bestehend aus den großen Autobauern, Halbleiterherstellern und den Zulieferern bastelt schon an der Umsetzung.
Auch die Kabel selbst müssen modifiziert werden, denn herkömmliche Haushaltskabel funktionieren im Auto nicht - sie sind aufgrund der Isolierung zu dick und zu teuer. Gleichzeitig ist eine ausreichende Isolierung aufgrund des elektromagnetischen Impulses des Datenaustausches eigentlich nötig: "Es muss sichergestellt sein, dass die Datenübertragung via Ethernet nicht Systeme, wie zum Beispiel das ESP, aufgrund von elektromagnetischen Effekten beeinflusst", erklärt Thomas Hogenmüller, der bei Bosch in der Elektronik-Architekturentwicklung arbeitet.
Die Ingenieure greifen darum auf eine besonders leistungsstarke Kabelart zurück, die eigentlich für lange Wege und eine Datenrate von 250 MegaBits pro Sekunde konzipiert wurde. Wenn nicht die volle Leistungsfähigkeit dieses Kabels ausgenutzt wird, erübrigt sich die Ummantelung. Möglichi wird dies, weil In einem Automobil statt hunderten von Metern nur eine Gesamtlänge von etwa zehn Metern überbrückt werden muss, und der Datenstrom auf 100 Mbits pro Leitung zurückgedreht und zudem nicht die volle Bandbreite des Kabels genutzt wird. Das schützt zusätzlich das Signal gegen Störungen. Außerdem muss im Gegensatz zu haushaltsüblichen Netzwerkkabeln nur ein Leitungspaar verwendet werden. Die Gewichtsersparnis im Vergleich zu einer herkömmlichen MOST-BUS-Leitung beziffert Bosch-Mann Hogenmüller auf bis zu 50 Prozent.
Auch für das intelligente Laden eines Elektromobils kann das Kabel genutzt werden. Erst nachdem sich das Fahrzeug mit der Ladestruktur abgestimmt hat, startet das Stromtanken. So kann eine Überlastung des Netzes durch zu viele gleichzeitige Ladevorgänge vermieden werden. Auch die Car2Car-Kommunikation und die Einbindung des Autos in das Internet profitieren von der Umstellung. Firewalls sollen die Daten sichern und dafür sorgen, dass verschiedene Bereiche des Autos und damit des Bordnetze - zum Beispiel das ESP - und die Multimedia-Einheit nicht miteinander kommunizieren. Und die Datenmenge wird weiter wachsen. Kirsten Matheus rechnet mit "Übertragungsraten im Gigabit-Bereich".