Autotest:Nur dem Spaß verpflichtet

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Scheinwerfer und Kühlergrill sowie das lang auslaufende Heck: Vieles am neuen Fiat Abarth 124 Spider erinnert an die Roadster-Ikone von einst. (Foto: Fiat)

Obwohl eng mit dem Mazda MX-5 verwandt, ist der Fiat Abarth 124 Spider derzeit konkurrenzlos unterwegs. Nur an manchen Stellen zeigt sich die Verwandtschaft.

Von Thomas Harloff

Zwischen menschlichen Zwillingen soll ja ein Band bestehen, das sie ähnlich denken, ähnlich fühlen lässt. Doch existiert dieses Band auch bei automobilen Zwillingen? Von denen gibt es ja immer mehr. Den Mazda MX-5 und Fiat 124 Spider zum Beispiel sowie dessen Abarth-Sportversion. Äußerlich unterscheiden sich die Roadster zwar durch deutlich mehr als nur die Markenlogos voneinander. Ihr Genpool ist aber in weiten Teilen identisch.

Fiat und Abarth 124 Spider, da war mal was, und zwar vor langer Zeit. Der seit Sommer 2016 angebotene Fiat ist die Neuauflage des gleichnamigen Klassikers aus den Sechziger- bis Achtzigerjahren. Und die Designer scheuten sich nicht, möglichst viele optische Analogien zu entwerfen: Die Form der Scheinwerfer und des Kühlergrills, das knapp sitzende Verdeck, der ausladende Vorderwagen und das lang auslaufende Heck - sie alle erinnern an die Ikone von einst, die heute ein gefragter Oldtimer ist. Der Neue sieht dem Alten damit ähnlicher als seinem technischen Zwilling. Das Naturell des MX-5, seinerseits ein Idol der offenen Zweisitzer, zeigt er anderswo.

Beim Fahren zum Beispiel. Das Ungefilterte, das Direkte, das Knackige des MX-5 gehört auch zum Wesen des Abarth. Okay, dessen leichtes Untersteuern beim Einlenken kennt man vom Mazda nicht. Aber dieser Moment geht schnell vorbei, nämlich dann, wenn in der Kurve das Heck beim Gasgeben auf die Ideallinie einschwenkt, die der Roadster dann auch nicht mehr verlässt. Trotz aller Agilität bleibt der Spider gelassen und ausreichend komfortabel. Die Lenkung ist zielgenau, aber nicht zu nervös. Und die Hinterräder, die ja die Motorkraft auf den Asphalt übertragen, wissen sich dank des zwischen ihnen verbauten mechanischen Sperrdifferenzials zu benehmen. Der Abarth zeigt den Charakter eines Autos, das für die Landstraße optimiert ist.

Vieles im Innenraum stammt vom Mazda: Deshalb wirken einige Tasten und Regler billig

Das ändert sich, sobald man die Sporttaste in der Mittelkonsole drückt. In diesem Moment scheint der Abarth das Benzin mit diversen Dopingmitteln zu versetzen. Er artikuliert sich noch lauter als ohnehin schon, hebt die Toleranzschwellen der elektronischen Regelsysteme an und zeigt eine fast verzögerungslose Gasannahme. Nun will er immer wieder übersteuern, also mit dem Heck Richtung Kurvenaußenrand drängen. Diese Abstimmung macht ein paar Minuten lang Spaß, sicher auch für einige Runden auf einer Rennstrecke. Aber für den Alltag ist sie nichts, dafür ist der Spider im Sportmodus zu aufgedreht, zu fordernd, zu anstrengend.

Im Innenraum zeigt sich die Verwandtschaft zum MX-5 am deutlichsten. Zwar ist es im Italiener ein bisschen farbiger, zum Beispiel sind die Sitzmittelbahnen und der zentral angeordnete Drehzahlmesser rot eingefärbt und einige Stellen mit Alcantaraleder ausgekleidet. Aber Lenkrad, Schalter, Anzeigen, sogar das komplette Touchscreen-Infotainment übernimmt der Abarth vom Mazda. Deshalb wirken einige Tasten und Regler billig, genau wie das seine Informationen im MS-Dos-Schriftstil verbreitende Kombiinstrument. Es gibt auch keine Türtaschen und Becherhalter.

Langbeinige finden nur schwer eine optimale Sitzposition, weil sich das Lenkrad nur in der Höhe, nicht aber in Längsrichtung verstellen lässt. Andererseits schmiegt sich dieses fahrerorientierte Cockpit wunderbar an den eigenen Körper und lässt sich alles außer der zerklüftete 140-Liter-Kofferraum vom Fahrersitz aus erreichen. Aufstehen ist nicht einmal nötig, um das manuelle Verdeck zu bedienen: entriegeln, zurückklappen, einrasten lassen, fertig. Und das Mazda-Infotainment gewährleistet eine narrensichere Bedienung, die nicht von dem ablenkt, was im Spider am wichtigsten ist: vom Fahren.

Dafür ist im Abarth ganz der Person am Steuer verantwortlich: Stabilitätskontrolle, ABS, Tempomat und Parkpiepser - das war es an elektronischen Assistenten. Man könnte das dem 124 Spider als Schwäche auslegen, aber dann hat man ihn nicht verstanden. Wer ihn fährt, will ihn spüren, alles unter Kontrolle haben, vertraut auf seine Sinne als perfekte Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Deshalb ist gut, dass der Abarth auf alles verzichtet, was ihn vom Fahrer entkoppeln könnte.

Auf die einen dürfte das Grollen des Auspuffs herrlich kernig wirken. Auf die anderen penetrant

Das heißt: auf fast alles. Für 2000 Euro extra bietet Abarth eine Sechsgangautomatik an. Sie einbauen zu lassen würde jedoch bedeuten, auf das famose, weil kurz und direkt zu schaltende manuelle Sechsganggetriebe zu verzichten. Keine Wahl haben Abarth-124-Spider-Käufer beim Motor: Mit 170 PS ist sein 1,4-Liter-Turbotriebwerk nicht nur zehn PS stärker als der kraftvollste MX-5, sondern hat auch ganz andere Wesenszüge: Er zeigt Druck statt Lethargie in niedrigen Drehzahletagen (250 Newtonmeter bei 2500 Touren), bietet aber nicht die Drehfreude des Mazda-Saugmotors. Roadster-Puristen dürften die Veranlagung des MX-5-Vierzylinders charmanter finden als die des Abarth. Aber Fiats Sportabteilung ist ein charakterstarkes Aggregat gelungen, das im Sportmodus noch einmal zuzulegen scheint, wenn auch das Digital-Tuning dank spontanerer Gasannahme und lauteren Klangs Placebo-Charakter hat. Übrigens dürfte manch einer das bereits beim Motorstart und im Normalmodus laute, dumpfe Grollen des Auspuffs mit automatischer Klappensteuerung herrlich kernig und angemessen unangemessen finden. Viele werden dennoch den sportlichen, aber weniger penetranten Klang des Mazdas bevorzugen.

Zum Spritkonsum: Der Abarth verbrauchte im Test 8,0 Liter, laut Norm sollten es 6,4 sein. Nicht schlecht für ein üppig motorisiertes Spaßauto. Aber nicht so gut wie der Mazda, der in früheren Tests mit weniger als sieben Litern auskam. Der Abarth ist mit 40 000 Euro recht teuer, der 160 PS starke MX-5 kostet nur 27 390 Euro. Ein üppiger Aufpreis für ein paar Extra-PS, ein hübscheres Design und eine etwas edlere Anmutung. Doch welcher andere Roadster dieser Preisklasse bietet die Qualitäten des Abarth? Der MX-5 oder der normale Fiat 124 Spider sind aus verschiedenen Gründen nicht rennstreckengeeignet. Audi TT Roadster? Hat einen langweiligen Frontantrieb. Lotus Elise? Nicht ansatzweise alltagstauglich. Mercedes SLC? Zu weichgespült. BMW Z4? Lässt noch auf sich warten. Der Abarth 124 ist also ziemlich konkurrenzlos derzeit. Wer hätte das gedacht bei einem Auto, das eigentlich ein Zwilling ist.

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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