Alfa Romeo 4C:Geklopft, durchgeschüttelt, ausgelaugt

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Leichtgewicht mit 240 Turbo-PS: Der Alfa Romeo 4C wiegt nur 900 Kilogramm. (Foto: dpa-tmn)

Hochschalt-Stakkato, Zicke-Zacke-Volant und Fallbeil-Effekt: Der 4C wird zwar bei Maserati gebaut und von Alfa Romeo vertrieben. Doch in Bezug auf Leistung und Fahreigenschaften orientiert sich das Coupé eher an Ferrari.

Von Georg Kacher

Herzklopfen schon beim Hinschauen, Hinhören, Hingreifen. Ein Kopfverdreher mit entfesselt expressivem Sound von hoher Suchtgefahr und nachbarschaftlichem Konfliktpotenzial. Ein von betörender Längs- und Querbeschleunigung geprägtes Fahrerlebnis. Nein, der neue Alfa 4C ist keine echte Alternative zu Audi TT, Porsche Cayman oder Nissan 370Z - dazu fehlt ihm die Verbindlichkeit, die Geschmeidigkeit und die Alltagstauglichkeit. Die vordere Haube ist zum Beispiel fest mit der Karosserie verbunden wie einst beim Audi A2, das 110 Liter kleine Gepäckabteil hinter dem Motor erweist sich als mobiler Hochofen, die Lenkung verzichtet aus Gewichtsgründen auf jegliche Servounterstützung. Apropos Gewicht: Alfa nennt einen Wert von 895 Kilo, doch der gilt für das nackte Auto ohne Wasser, Öl und Benzin. Inklusive Betriebsstoffe, aber exklusive Fahrer, bringt der karg ausgestattete Zweisitzer rund 970 Kilo auf die Waage.

Wer so leicht baut, der schafft beste Voraussetzungen für maximale Agilität und minimale Verluste bei der Leistungsentfaltung. Alfa hat im 4C den gründlich überarbeiteten 1750er-Vierzylinder installiert, der im Vergleich zur Giulietta 22 Kilo weniger wiegt und fünf PS stärker geworden ist. Mit 240 PS steht der aufgeladene Direkteinspritzer zwar gut im Futter, doch als noch beeindruckender empfindet man das maximale Drehmoment von 350 Newtonmeter, das sich von 2200 bis 4250 Touren breitmacht. Zum Vergleich: Der Sechszylinder des Porsche Cayman muss 4500 Kurbelwellenumdrehungen aufwenden, um 290 Newtonmeter zu generieren.

In Verbindung mit dem athletischen Grundkörper erweist sich der Vierzylinder einerseits als souveräne Antriebsquelle und andererseits als effizienter Futterverwerter, der im Schnitt mit nur 6,8 Liter auskommt - was den viel zu kleinen 40-Liter-Tank freilich nur bedingt rechtfertigt. Die 4,5 Sekunden, in denen der 50.500 Euro teure 4C aus dem Stand auf 100 km/h beschleunigt, sollten eigentlich mit drei Ausrufezeichen versehen sein, denn da kann nicht einmal ein 129.000 Euro teurer Aston Martin Vantage S mithalten. Nach kurzem Anlauf erreicht der Alfa seine Höchstgeschwindigkeit von 258 km/h, die uns noch Stunden später als dumpfes Grollen in den Ohren liegt.

Genf 2011: Alfa Romeo 4C Concept
:Si, possiamo!

Ja, Alfa Romeo kann es noch und wartet mit einer furiosen Überraschung auf: Der 4C ist ein rassiges und ultraleichtes Coupé und soll 2012 sogar als Roadster kommen.

Die Bilder, die Fakten.

So hübsch das knapp vier Meter lange Coupé mit dem Kohlefaser-Chassis und der Glasfaser-Karosserie von außen aussieht, so wenig Mühe haben sich die Italiener mit der Anmutung des Cockpits gegeben. Der Instrumententräger ist eine lieblose Skulptur aus schwarzem Hartplastik-Spritzguss, das bunte Zentraldisplay wirkt so billig und konfus wie sein Gegenstück aus dem Lamborghini Aventador, das unnötigerweise unten abgeflachte Lenkrad besitzt abgesehen von den Schaltpaddeln keine weiteren Funktionalitäten.

Um den Charakter des Fahrzeugs den Erwartungen des Fahrers anzupassen, bedarf es des Griffs zum DNA-Wählknubbel. Der sitzt am Mitteltunnel noch vor den schwer erreichbaren Drucktasten für das Getriebe. Speziell für den 4C wurde das DNA-Spektrum um eine Race-Funktion erweitert, in der sich der ESP-Schutzengel kurzzeitig aus dem Staub macht. Die Drehmoment-Portionierung übernimmt ein agiles Doppelkupplungsräderwerk, das im Zeitraffer mit den sechs Vorwärtsgängen jongliert. Nur der Wechsel in den Rückwärtsgang dauert zu lange, und das Automatikprogramm gestaltet sich erwartungsgemäß fade. Die kurze Übersetzung und die bullige Leistungscharakteristik sorgen dafür, dass selbst jenseits von 150 km/h der gewaltige Schub nicht abreißt.

Die Zahnstangenlenkung des spartanisch eingerichteten Alfa hat zwei Gesichter. Beim Einparken und Rangieren wirkt sie zäh und indirekt, doch ab 15 km/h stimmt dann plötzlich die Relation zwischen Ursache und Wirkung. Der 4C fährt sich zackig wie ein Monoposto und ist mit seinen Aktionen und Reaktionen zu gleichen Teilen der Dynamik und der Beherrschbarkeit verpflichtet. Klar, der meist friedliche Dialog zwischen den Achsen eskaliert im Grenzbereich schon mal zum Streitgespräch, die mäßige Richtungsstabilität erinnert an frühe 911er, der Federungskomfort liegt deutlich dichter an dünnen Isomatten als an dicken Kaltschaummatratzen.

Ungefragte Kickbox-Einlagen

Im Gegenzug entschädigt uns der Wagen mit einem ebenso lebendigen wie transparenten Handling- so ähnlich müsste sich ein Dino fahren, wenn Ferrari ihn als Mittelmotorauto neu erfinden würde. Schwächen? Die schmalen Vorderreifen (205/45 R17 zu 235/40 R18) heizen sich schnell auf und leisten damit der Untersteuertendenz Vorschub, die elektronische Hinterachssperre bringt die Kraft deutlich schlechter auf den Boden als eine mechanische Lösung, das optionale Sportfahrwerk irritiert auf schlechten Straßen durch ungefragte Kickbox-Einlagen.

Nach zwei Stunden auf der Rennstrecke und sechs Stunden auf einem Rundkurs durch das Piemont hat der 4C seinen Fahrer weich geklopft, durchgeschüttelt, ausgelaugt. Das Hochschalt-Stakkato, das Wastegate-Wah-Wah, das Ladersingen und die Lastwechsel-Implosionen wirken nach, genau wie die Haltekräfte am Zicke-Zacke-Volant, der Grip des Fahrwerks, der Fallbeil-Effekt der Brembo-Bremsen und der Beschleunigungskick der Drehorgel hinter der Schottwand sind nicht spurlos vorübergegangen am Körper des Piloten. Eigentlich reicht's, doch das Nachglühen in den Augen - womöglich ein Fall spätpubertärer Demenz - verrät untrüglich die Lust auf mehr. Die 4C-Kapazität reicht freilich nur für 3500 Autos pro Jahr, die Wartezeit beträgt mindestens sechs Monate.

© SZ vom 12.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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