Wie schnell die Karriere eines Hoffnungsträgers enden kann, das weiß Renate Künast ganz genau. 2005, die rot-grüne Bundesregierung stand kurz vor ihrer Abwahl, sang die damalige Agrarministerin noch laut das Hohelied des Biokraftstoffs. Angesichts steigender Benzinpreise müssten die Firmen den herkömmlichen Treibstoffen viel mehr Biokraftstoffe beimengen, sagte sie damals der Süddeutschen Zeitung. "Damit ließe sich der Benzinpreis um ein paar Cent senken." Stattdessen klammerten sich die Konzerne "viel zu sehr an alte Strukturen", beklagte sie seinerzeit.
Was Künast da forderte, erledigten die Nachfolgeregierungen. Sie schufen ein eigenes Quotengesetz, mit dem immer mehr Biosprit beigemengt werden sollte, und schließlich legten sie den Grundstein für die Einführung der umstrittenen Spritsorte E 10. Sie sollte den Konzernen helfen, den neuen Sprit unter die Leute zu bringen, ganz wie die Ministerin das wollte. Heute sagt Renate Künast: "Wir Grünen haben E 10 immer kritisch gesehen." Die Beimengung stärke über die Maßen die Macht der großen Mineralölmultis. So, so.
Biosprit: ab ins politische Abseits
So gerät der Heilsbringer von einst zunehmend ins politische Abseits. Selten wurde ein vermeintlicher Umwelt- und Klimasegen so rasch ad acta gelegt wie dieser. Und das nicht nur aus hehren Motiven.
Uwe Lahl war einer, der damals an vorderster Front stand. Als zuständiger Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium hatte er den wachsenden Anteil der Biokraftstoffe maßgeblich vorbereitet. Heute hat er für diejenigen, die wie Künast einst die Landwirte zu den "Ölscheichs von morgen" kürten, jetzt aber dagegen wettern, nicht viel Verständnis. "Über so viel Populismus kann ich nur staunen", sagt Lahl, selbst ein Grüner. Inzwischen lehrt er an der TU Darmstadt - und forscht weiter über die Zukunft der Biokraftstoffe. "Wir müssen die Reputation reparieren", sagt Lahl. "Denn wenn wir ganz darauf verzichten, was ist dadurch besser geworden?" Schließlich brauche die Welt irgendwann auch Alternativen zu fossilen Rohstoffen.
Aber wie konnte ein Kraftstoff, der mit so vielen Hoffnungen beladen war, derart in Verruf geraten? Eine ganze Weile lang gehörte der Sprit vom Acker zum festen Instrumentenkasten des Klimaschutzes. Es klang auch zu schön: Zwar wird bei der Verbrennung im Motor ebenfalls Kohlendioxid frei. Dieses aber wird von den Pflanzen im Wachstum gebunden. Gerade im grünen Landwirtschaftsministerium gilt der neue Kraftstoff als die ideale Synthese aus Agrarwirtschaft und ökologischem Fortschritt. "Mit Raps und Rüben weg vom Erdöl", preist Künast 2005. So schön scheint die neue Welt damals.
Was genau schiefgelaufen ist, kann sich auch Johannes Lackmann nicht erklären. Mehr als zehn Jahre lang stand er an der Spitze verschiedener Ökoenergie-Verbände, zuletzt des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie. "Wahrscheinlich ist die Bioenergie zu lange im Schatten der Landwirtschaft gefahren", sagt er heute. Als die Stimmung dann kippte, habe die Branche nicht den Mut gehabt, energisch für sich zu kämpfen. So hätten die Kritiker immer mehr Aufmerksamkeit bekommen, während die Befürworter nach und nach untergingen.
So entstand die Phalanx aus Umwelt- und Entwicklungsgruppen
Überhaupt: die Kritiker. Die angeblichen Ölscheichs haben gerade die ersten Ernten eingefahren, da regt sich schon der Protest. Neben die Zweifel am Klimanutzen der Bioenergie, wie sie vor allem das Umweltbundesamt früh geäußert hatte, treten nun auch besorgniserregende Berichte aus dem Ausland. Etwa aus Mexiko, wo die wachsende Biosprit-Nachfrage aus den Vereinigten Staaten den Maispreis steigen lässt; auch für die Ärmsten. So entsteht eine Phalanx aus Umwelt- und Entwicklungsgruppen, die bis heute zusammenhält. "Das ist eine Spendenindustrie, nichts sonst", ereifert sich Lackmann, der heute Windpark-Betreiber in Westfalen ist. "Die Kampagnen gegen den Biosprit dienen nur diesem Zweck."
Andererseits lässt sich ein Zusammenhang zwischen den Preisen für Nahrungsmittel und jenen für Treibstoffe vom Acker schwer von der Hand weisen. Und bei der Nutzungskonkurrenz, also der Frage, ob für Energie-Plantagen am Ende Weizenfelder oder gar tropischer Regenwald geopfert wird, müssen sich die Freunde des Biosprits auf die Einhaltung ökologischer Standards verlassen, wie sie nicht jedes Herkunftsland bisher gekannt hat. Die Kritik fällt auf fruchtbaren Boden. Sie vermehrt sich rasch.