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1 – Dem Fachkräftemangel begegnen
Der öffentliche Dienst hat hinsichtlich Vielfalt den Vorteil, aufgrund der gesetzlichen Anforderungen bei Einstellungen und Bewerbungen allen Menschen die gleichen Zugangsvoraussetzungen zu bieten, betonte Dr. Nicole Lang, Abteilungsleiterin im Staatsministerium der Finanzen und für Heimat. Foto: The Point of View Photography
Nicole Lang – Teilweise spüren wir den Fachkräftemangel schon jetzt, aber nicht durchgängig in allen Berufszweigen und auf allen Qualifikationsebenen. Deshalb muss man die Situation differenziert betrachten. Der IT-Bereich ist mit Sicherheit am stärksten davon betroffen, aber auch da kommt es bei den einzelnen Stellenbesetzungen darauf an, dass wir den Beschäftigten ein attraktives Gesamtpaket mit vielfältigen Tätigkeits- und Entwicklungsmöglichkeiten bieten können.
Andreas Mickisch – Natürlich merken wir den Fachkräftemangel schon jetzt. Allerdings hatten wir zum Start des Ausbildungsjahrs 2021 eine deutlich höhere Zahl an Bewerbern als in den Jahren davor. Das war mit Sicherheit auch der Corona-Situation geschuldet. Es ist aber tatsächlich branchenabhängig, und besonders in den IT-Berufen merken wir den Mangel deutlich. Deswegen zahlt die Landeshauptstadt in diesem Bereich schon seit Jahren eine Arbeitsmarktzulage. In den Erziehungsberufen ist die Situation ebenfalls angespannt, weshalb auf Initiative des Oberbürgermeisters nach dessen Amtsantritt auch für diese Berufe die Arbeitsmarktzulage eingeführt wurde. Mit Blick auf die Zukunft müssen wir gerade in diesen Mangelberufen mehr auf aktive Mitarbeitersuche setzen, denn dort könnten wir immer mehr Leute brauchen.
Beim Gehalt sind dem öffentlichen Dienst oft die Hände gebunden, aber mit der Unterstützung bei der Wohnungssuche und der Suche nach Kinderbetreuungsplätzen kann er seine Attraktivität steigern, sagte Andreas Mickisch, Personal- und Organisationsreferent der Landeshauptstadt München. Foto: The Point of View Photography
Was kann der öffentliche Dienst, der beim Gehalt als unbeweglich gilt, dagegen tun?
Andreas Mickisch – Die Zahlung einer Arbeitsmarktzulage kann eine Stadt oder eine Kommune nicht alleine entscheiden. Das geht nur, wenn die Tarifpartner das unterstützen. Das immer wieder zitierte Gehalt ist natürlich ein Punkt, aber ich glaube nicht, dass das allein ausschlaggebend ist. Es müssen einfach die gesamten Rahmenbedingungen stimmen, damit man als öffentlicher Arbeitgeber attraktiv ist. Das gilt zum Beispiel für die Fahrtkostenpauschale, die es seit zwei Jahren bei uns gibt, oder für die Unterstützung bei der Wohnungssuche und der Suche nach Kinderbetreuungsplätzen. Das sind Dinge, die wir neben der Gehaltsseite schon beeinflussen können und die eine große Rolle spielen.
„ES GEHT NICHT ALLEIN DARUM, NEUE BESCHÄFTIGTE ZU GEWINNEN, SONDERN AUCH DIE VORHANDENEN ZU HALTEN.“
Frau Voß, wie sieht die Situation beim Zoll aus? Wo fehlen Ihnen die meisten Bewerbungen?
Constanze Voß – Bei uns sind es ebenfalls die IT-Fachkräfte, das ist wohl ein flächendeckendes Problem. Wir haben beim Zoll jedoch den Vorteil, dass wir uns aufgrund der breiten Aufgabenstruktur und Verteilung bereits einer Vielfalt von Beschäftigten geöffnet haben. Das heißt, wir suchen nicht nur Leute mit ganz spezifischen Fähigkeiten, sondern eher solche, die ein breites Aufgabenspektrum abdecken können. So sind wir bei den Einsatz- und Einstellungsmöglichkeiten sehr breit aufgestellt und haben deshalb mehr Auswahl am Markt. Hinzu kommt, dass wir auch nach der Pandemie weiterhin sehr flexible Arbeitsmodelle bieten können. Die neue Arbeitswelt mit Homeoffice mit der Möglichkeit, nicht jeden Tag im Büro erscheinen zu müssen, ist bei Neueinstellungen sehr wichtig. Das zieht Bewerbungen an und stellt einen Mehrwert dar, den wir beim Gehalt aufgrund der gegebenen Strukturen nicht bieten können.
Nicole Lang – Aus meiner Sicht ist auch die Mitarbeiterbindung ein wichtiger Faktor. Es geht ja nicht allein darum, neue Beschäftigte zu gewinnen, sondern auch die vorhandenen zu halten. Dabei spielt das Homeoffice gerade in der Mangelsituation eine wichtige Rolle, weil es den Teilzeitbeschäftigten die Möglichkeit gibt, ihren Arbeitszeitanteil zu erhöhen. So lassen sich bereits vorhandene Ressourcen besser nutzen. Gerade wenn es um das Aufstocken der Arbeitszeit geht, sind wir in den größeren Verwaltungen in der Lage, sehr flexibel zu reagieren.
Frau Dübner-Gee, wie stellt sich die Lage in Ihner Wissenschaftsorganisation dar?
Kerstin Dübner-Gee – In der Max-Planck-Gesellschaft ist die Sachlage je nach Zielgruppe anders gelagert. Wir unterscheiden zwischen wissenschaftlichem und Verwaltungsbereich. Für die Verwaltung kann ich nur zustimmen, dass hier vor allem das Feld der IT in Bezug auf den Fachkräftemangel am stärksten betroffen ist. Im Wissenschaftsbereich rekrutieren wir ohnehin international. Da müssen wir uns eher mit Faktoren auseinandersetzen, wie wir die Vielfalt in Bezug auf die Bedürfnisse internationaler Forschenden am besten befördern und uns attraktiv aufstellen können.
Kerstin Dübner-Gee, Leiterin der Abteilung Personalentwicklung & Chancen in der Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, verwies auf die sieben Dimensionen von Vielfalt, die es durch verschiedene Maßnahmen zu adressieren gilt. Herkunft, Alter, Geschlecht und Religion sind vier davon. Foto: The Point of View Photography
Herr Riedel, wie sieht es diesbezüglich bei Ihnen in Nürnberg aus?
Harald Riedel – In Nürnberg haben wir dieselben Probleme bei der Suche nach IT-Fachkräften. Aber auch im Baubereich ist die Rekrutierung in den vergangenen Jahren schwieriger geworden. Das betrifft zum Beispiel Bauingenieure und Architekten, für die wir offene Stellen zum Teil mehrmals ausschreiben müssen. Während der Pandemie hatten wir zudem Schwierigkeiten, Ärzte für das städtische Gesundheitsamt zu gewinnen. In diesem Bereich sind wir mit unseren Tarifen nicht wettbewerbsfähig. Allerdings hat sich die Situation etwas entspannt, seitdem wir Zulagen zahlen. Unser Trumpf besteht darin, ein gutes Gesamtpaket schnüren zu können. Wir sind zum Beispiel für junge IT-ler mit Familie ein attraktiver Arbeitgeber, weil sie bei uns dank Teilzeit und flexiblen Modellen ihre Tätigkeit besser mit der Familie verbinden können. Dafür sind sie dann durchaus auch bereit, auf Geld zu verzichten. Homeoffice und ansprechende Büros gehören ebenfalls zu diesem Gesamtpaket. Wir ziehen Mitte 2024 mit 1.200 Beschäftigten, darunter unsere komplette IT, in das ehemalige Quellegebäude. Dort werden wir mit unserem neuentwickelten Büro der Zukunft ein neues Konzept umsetzen, das uns gerade für junge Leute attraktiv macht.
Vor zehn Jahren wurde im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Integration das Ziel der interkulturellen Öffnung des öffentlichen Dienstes ausgerufen. Was hat sich seit 2012 in dieser Hinsicht verändert?
Nicole Lang – Der öffentliche Dienst hat hinsichtlich Vielfalt seit jeher den Vorteil, allen Menschen unabhängig von Alter, Herkunft und anderen Aspekten die gleichen Zugangsvoraussetzungen zu bieten. Das ist im Grundgesetz in Artikel 33 verankert. Eignung, Befähigung und fachliche Leistung sind für uns die entscheidenden Kriterien. Die Diskriminierungsfreiheit, die dadurch gewährleistet wird, macht den öffentlichen Dienst diesbezüglich attraktiv.
„UNSER TRUMPF BESTEHT DARIN, EIN GUTES GESAMTPAKET SCHNÜREN ZU KÖNNEN. HOMEOFFICE UND ANSPRECHENDE BÜROS GEHÖREN DAZU.“
Die Gesellschaft spiegelt sich in ihrer Zusammensetzung nicht im öffentlichen Dienst wider. Während 27 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund haben, sind es laut einer 2019 durchgeführten Umfrage im öffentlichen Dienst nur zwölf Prozent, in manchen Behörden sogar nur vier Prozent. Woran liegt das und wo kann man ansetzen?
Nicole Lang – Um die Schere zu schließen müssen wir speziell diese Personengruppen noch gezielter ansprechen, indem wir unter anderem unsere Werbemittel entsprechend gestalten. Außerdem sollten wir möglichst frühzeitig, das heißt schon in der Schule, auf die große Bandbreite der Beschäftigungsmöglichkeiten und die vielen Vorteile aufmerksam machen, die der öffentliche Dienst zu bieten hat. Das haben wir in der Vergangenheit vielleicht noch nicht in ausreichendem Maß getan. Da gibt es noch Potenzial, Interesse auch für die weniger bekannten Berufsbilder zu wecken.
Harald Riedel – Man muss das Thema strategisch angehen. In Nürnberg haben wir 2019 ein Konzept verabschiedet, das die Öffnung des öffentlichen Dienstes zum Ziel hat. Im Leitbild steht, dass sich die Vielfalt der Stadtgesellschaft auch in der Zusammensetzung unserer Belegschaft widerspiegeln soll. Das halte ich für sehr wichtig hinsichtlich der Akzeptanz unserer Arbeit in den großen Städten. In Nürnberg hat fast jeder zweite Bewohner einen Migrationshintergrund. Wie hoch der Anteil in der Belegschaft der Stadtverwaltung ist, dürfen wir aus Datenschutzgründen nicht abfragen. Bei unseren Mitarbeiterbefragungen erheben wir das auf freiwilliger Basis und sehen eine steigende Tendenz. 2010 waren es bei einer Befragung neun Prozent, 2019 lag der Anteil bereits bei dreizehn Prozent. Bei den Auszubildenden und bei Neueinstellungen fragen wir es ebenfalls auf freiwilliger Basis ab und erreichen fast 40 Prozent. Zum einen muss man die Botschaft vermitteln, dass man die Menschen als Mitarbeitende gewinnen möchte. Zum anderen wissen viele junge Menschen mit Migrationshintergrund überhaupt nicht, welche Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten sie im öffentlichen Dienst haben.
Frau Voß, wie gehen Sie bei der Generalzolldirektion mit dem Thema um?
Constanze Voß – Wir haben den Vorteil, bundesweite Kampagnen starten zu können. Auch wenn wir aus den bereits genannten Datenschutzgründen keine genauen Zahlen dazu haben, ist der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Belegschaft überdurchschnittlich verglichen mit anderen Verwaltungen. Ein Grund dafür ist sicherlich die größere Bekanntheit des Zolls im Vergleich zu anderen öffentlichen Arbeitgebern. Durch das breite Aufgabenspektrum unserer Arbeit kommen wir relativ einfach mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt. Ich sehe da durchaus eine gewisse Bringschuld unsererseits, die wir bereits in den Fokus genommen haben. Mit unseren Werbekampagnen sprechen wir künftig noch aktiver alle Bevölkerungsgruppen an. Früher hatten wir dieses Thema hauptsächlich mit den Geschlechtern, jetzt auch mit der Herkunft. Es geht nicht darum, diese Gruppen als etwas Besonderes zu betrachten, sondern sie als selbstverständlichen Teil unserer Gesellschaft bei der Kommunikation zu berücksichtigen. Die Botschaft muss lauten, dass alle gleichermaßen willkommen sind.
Frau Dübner-Gee, als international aufgestellte Forschungseinrichtung stellt sich die Frage vermutlich erst gar nicht, oder?
Kerstin Dübner-Gee – Wir sind unter den vier großen außer-universitären Forschungseinrichtungen –Fraunhofer, Leibniz- und Helmholtz-Gemeinschaft – als MPG die internationalste Forschungsorganisation. Bei den in der Wissenschaft Tätigen haben wir eine Quote von 55 Prozent internationaler Talente. Grundsätzlich sind wir in Bezug auf Diversity bereits sehr gut und breit aufgestellt. Mit unseren Maßnahmen versuchen wir alle sieben Dimensionen, also Geschlecht, Alter, Religion, Herkunft, sexuelle Orientierung, Behinderung und soziale Herkunft zu adressieren. Mit unseren Strategien und Instrumenten tun wir sehr viel, um ein wertschätzendes, integratives und diskriminierungsfreies Umfeld zu schaffen. Im Wissenschaftsbereich gehen viele nach der Promotion zurück in ihre Heimatländer und sollen Deutschland und die Max-Planck-Gesellschaft mit guten Erfahrungen verlassen. Das ist für uns sehr wichtig, weil international ein sehr harter Wettbewerb um die besten Köpfe herrscht, besonders bei den Wissenschaftlerinnen. Von denen haben wir gerade auf der Ebene der W2-Professuren leider noch zu wenige.
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