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Im Gespräch

„Obacht, i kann wos!“

Die Wahl-Regensburgerin Teresa Reichl begeistert ihr Publikum online und auf der Bühne

„Obacht, i kann wos!“

Foto: Lolografie

Teresa Reichl, geboren 1996 in Niederbayern, Kabarettistin und Youtuberin, wirft sich für die Literatur in den Ring. Als Slam-Poetin ist sie siegesgewiss und hat unter anderem den Kulturförderpreis der Stadt Regensburg gewonnen. „Obacht, i kann wos!“ heißt ihr aktuelles Bühnenprogramm, „Muss ich das gelesen haben?“ ihr erstes Buch, das jüngst im Haymon Verlag erschienen ist.

Frau Reichl, wann sind Sie zum ersten Mal auf einer Bühne gestanden?

Teresa Reichl: Mit fünf Jahren bei uns im Fasching. Dazu muss man wissen, dass unser 450-Seelen-Haunersdorf zur Faschingszeit zur Hochform aufläuft, voll schee, es kommen 2000 Leut‘ und alle im Dorf machen was, die Feuerwehr das Discozelt, die Landfrauen die Küche, jeder Verein seine eigene Show.

Haben Sie schon als Kind gemerkt: „Ich kann was“?

Wenn wir daheim Besuch hatten, hab ich was vorgetanzt. Ich war immer in der Theatergruppe und letztlich hat ja auch mein erster Berufswunsch viel mit der Bühne zu tun…

Sie haben auf Lehramt Germanistik und Anglistik studiert, war das Ihr Plan B?

Nah, ich wollt immer schon Lehrerin werden, bis ich gemerkt habe, dass ich lieber Kabarettistin sein möchte. Richtig viel Leute aus der Comedy und dem Poetry haben Lehramt studiert und die werden bestimmt super Lehrkräfte.

Buchtitel "Muss ich das gelesen haben?" von Teresa Reichl

Cover: Haymon Verlag

Dieses Schlagfertige, das frau beim Poetry Slam braucht, ist das trainierbar oder angeboren?

Wenn Sie die Eltern fragen, dann würden die sagen, es ist garantiert angeboren. Schon als Baby hab‘ ich immer kurz nachgebrüllt, um das letzte Wort zu behalten. Aber das ist nur die Voraussetzung, der Rest ist Arbeit. Ich bin jetzt seit acht Jahren hauptberuflich auf der Bühne und sage Gesundheit, wenn etwas umfällt. Komik ist ein Skill wie jede andere Fertigkeit auch, und muss geübt werden.

Kompliment für Ihre Literaturvideos und Verrisse. Sie beherrschen die Kunst der kurzen Form…

Ja, das habe ich im Lockdown perfektioniert. Durch Tiktok musste ich mich kurzfassen, Faust I in 18 Sekunden, das ist dann viral gegangen.

Teresa Reichl

Foto: Lolografie

Was gefällt Ihnen denn überhaupt bei Klassikern wie Goethe oder Kleist? 

Sie sind Zeitzeugen und zeigen den Weg an, den die deutsche Literatur gegangen ist. Warum stehen wir, wo wir sind, warum ist es in Deutschland anders als etwa in Österreich oder England. Was kann Text alles (Text kann alles!), das kann man gut anhand der Klassiker lernen.

Was stört Sie am meisten an der Rezeption der Klassiker?

Ich werde megawütend, wenn ich sehe, wie kritiklos in unseren Schulen zum Beispiel der Werther oder Effi Briest gelesen werden. Das Frauenbild ist unterirdisch. Was wir für Romantik und Liebe halten, ist oft nur übergriffig, und kommt genau von diesem Bild einer unterwürfigen Frau, die auch noch selbst schuld an ihrem Schicksal ist.

Ihr Lieblingsroman fürs Gymnasium wäre?

Gabriele Reuters Roman „Aus guter Familie“, er ist 1895 erschienen, im selben Jahr wie Fontanes Effie. Diese weibliche Version der Effie war damals ein Bestseller. Und statt der „Iphigenie auf Tauris“, für die man einen Haufen Hintergrundinfo benötigt, würde ich „Panthea“ von Louise Gottsched vorschlagen, die erste regelgerechte Tragödie einer Frau. Leider ist das Trauerspiel heute nicht mehr verfügbar, schon lang nicht mehr und die Gottschedin, eine der witzigsten und klügsten Frauen der Aufklärung und Empfindsamkeit, ist, wenn überhaupt, nur vom Namen her bekannt.

Sollte man in der Schule mehr Dichterinnen wie die Günderrode lesen?

Ich finde, die Gesamtheit der Lektüren sollte so viele verschiedene Realitäten wie möglich abbilden, nicht nur die Werke weißer christlicher Männer, aus der Oberschicht und nicht behindert. Ich find’s auch nicht wurscht, wer das Buch geschrieben hat, Autor und Werk sollten zueinander passen, zumindest wenn es um Themen wie Emanzipation geht.

Ihr Lieblingsgedicht einer Frau?

Die Gedichte, aber auch die Prosa von Ingeborg Bachmann find‘ ich richtig gut, sie beeindruckt mich auch als Person in ihrer Tragik.

Ihr Lieblingsgedicht eines Mannes?

Die „Sachliche Romanze“ von Erich Kästner, die kann ich auswendig. Es kommt kein Gefühl drin vor und ist dennoch wahnsinnig traurig.

Wie kam die Idee für Ihr Buch?

Das entstand während des Lockdowns, meine Youtube-Videos über Klassiker der Literatur fanden großen Anklang, die setzte ich auch auf Tiktok, wo ich nur eine Minute hatte. Ich bin da inzwischen die Literatur- und Grammatik-Tante. Kannst du mir mal diesen Text erklären, wir lesen den in der Schule… und so weiter. Jemand meinte dann, mach doch ein Buch draus, LOL, antwortete ich, wenn du einen Verlag weißt? Am nächsten Tag meldete sich der Haymon Verlag.

Sie sprechen über Männer, wie Männer über Frauen sprechen. Müssen Sie sich manchmal warm anziehen?

Ja, schon. Viele finden es richtig schlimm, dass jemand wie ich eine Plattform kriegt. Ich bin wahlweise zu dick, hab einen Genderfehler, blaue Haare und würde meinen Dialekt nur faken. Dabei höre ich bei uns die Dörfer raus.

Sie leben inzwischen in Regensburg. Vermissen Sie Ihre Heimat Niederbayern?

Die Heimat ist in mir drin, aber natürlich freu ich mich immer, wenn ich jemanden treffe, der meinen Dialekt spricht.

Interview: Bettina Rubow

Tipp:
Teresa Reichl tritt am 1. Mai 2023 gemeinsam mit Lara Ermer im Schwabinger Vereinsheim und solo am 23. Juni 2023 im Lustspielhaus in München auf.

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