Zoologie:Festmahl für Orcas

Zoologie: Orcas leben in allen Weltmeeren. Die einzelnen Populationen entwickeln jedoch eigene Jagdtechniken.

Orcas leben in allen Weltmeeren. Die einzelnen Populationen entwickeln jedoch eigene Jagdtechniken.

(Foto: mauritius images/nature picture library/Aukan/Wild Wonders of Europe)

"Die Haken sind alle leergefressen": Vor Alaska verfolgen Schwertwale immer häufiger Boote von Fischern und rauben den Fang.

Von Tina Baier

Geschichten, in denen Menschen Wale jagen, gibt es viele. In Alaska geschieht nun das Umgekehrte. Dort verfolgen Schwertwale Fischerboote und jagen sie kreuz und quer durch die Beringsee. Oft gibt es kein Entkommen.

Glücklicherweise haben es die Raubtiere nicht auf die Mannschaft abgesehen, sondern auf die Fische, die diese gefangen hat. Die Wale sind speziell an Langleinenbooten interessiert, die große Fische wie den Heilbutt und den Kohlenfisch fangen. An deren kilometerlangen Leinen sind in regelmäßigen Abständen Haken mit Ködern befestigt, an denen die Fische anbeißen und festhängen. Orcas, die eine solche gut gefüllte Leine entdecken, müssen sich fühlen wie im Schlaraffenland. Um satt zu werden, brauchen sie nur mit offenem Maul die Leine entlangzuschwimmen und einen Fisch nach dem anderen abzupflücken. "Es ist, wie wenn sich ein Mensch eine Rispe mit Johannisbeeren durch den Mund zieht", sagt Sandra Altherr von der Tierschutzorganisation Pro Wildlife.

Dass Orcas hin und wieder Fischern ihren Fang stehlen, ist schon länger bekannt. Ähnliche Raubzüge wurden auch bei Pottwalen beobachtet. Doch unter den Schwertwalen Alaskas scheint sich dieses Verhalten mittlerweile regelrecht etabliert zu haben. "Es gibt immer mehr Berichte darüber", sagt Altherr. "Die Tiere haben dieses Verhalten offenbar systematisiert." Wenn eine Gruppe Orcas ein Langleinenboot entdeckt, ist die mitunter tagelange Arbeit der Menschen umsonst. "Die Haken sind alle leergefressen", sagte der Fischer Jay Hebert in der Tageszeitung Alaska Dispatch News. "Manchmal hängen noch die Lippen der Heilbutte dran." Einer seiner Kollegen berichtet, er sei zwei Tage lang von 50 Orcas verfolgt worden. Ein andermal hätten die Tiere ihm 5400 Kilogramm Heilbutt weggefressen und beim vergeblichen Versuch zu entkommen, habe er mehr als 18 000 Liter Treibstoff verbraucht.

Mittlerweile erkennen die Orcas die Schiffe schon von weitem am Geräusch

"Orcas, die zur Familie der Delfine gehören, sind hochintelligente, soziale Tiere", sagt Altherr. Sie sind bekannt dafür, dass sie voneinander lernen und bestimmte Verhaltensweisen innerhalb ihrer Gruppe weitergeben und zwar sowohl an andere erwachsene Tiere als auch an ihre Jungen. Verschiedene Populationen von Schwertwalen lassen sich sogar anhand spezifischer Jagdtechniken unterscheiden. Eine Gruppe von Orcas im Indischen Ozean beispielsweise hat sich darauf spezialisiert, junge Seelöwen am Strand zu erlegen. Die Wale lassen sich dabei mit den Wellen ans Ufer spülen, packen ihre überraschten Opfer und verschwinden dann wieder im Meer. Eine andere Orca-Population hat gelernt, beim Anblick einer Robbe auf einer Eisscholle starke Wellen zu produzieren. Die Scholle gerät dadurch ins Schwanken, die Robbe rutscht ab - direkt ins Maul des Jägers. Orcas rund um Island und Norwegen wiederum haben das "Fresskarussell" erfunden: Mehrere Wale umzingeln dabei einen Schwarm von Beutefischen - meist Heringe. Wenn die Fische dicht zusammengedrängt sind, erschlagen die Wale sie mit der Schwanzflosse, um sie dann zu fressen.

Die Orcas in der Beringsee seien mittlerweile in der Lage, die Langleinenboote schon von weitem am Geräusch zu erkennen, berichtet Hebert. Die Fischer hätten schon alles Mögliche versucht, um die geschützten Tiere zu vertreiben, unter anderem mit lauter Heavy-Metal-Musik. Bislang ohne Erfolg.

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