Waldbrände:Feuermelder im Orbit

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In manchen Regionen Spaniens spielt das Wetter seit Jahren verrückt. Vielerorts erhöht dies das Risiko für Waldbrände enorm. (Foto: Emilio Naranjo/dpa)
  • Im vergangenen Oktober herrschten in Galicien und dem benachbarten Norden Portugals Temperaturen von mehr als 30 Grad, gut doppelt so viel wie im langjährigen Durchschnitt.
  • Die meisten Brände entstanden bei Trockengewittern. Während der Regen noch in der Luft verdunstete, setzten Blitze den zundertrockenen Boden in Brand.
  • Satelliten sollen in Zukunft nicht nur Brandherde entdecken, sondern auch helfen, die Richtungen zu bestimmen, in welche die Flammen wandern.

Von Thomas Urban

Mehrere Jahre lang haben die Physiker der Universität Vigo in der Region Galicien am Atlantik, von der Öffentlichkeit kaum beachtet, ein Satellitenprogramm entwickelt. Wohl noch weniger Aufmerksamkeit fanden die Forstwissenschaftler mit ihrem Thema: Der ideale Mischwald. Doch nach den großen Waldbränden im vergangenen Herbst interessieren sich nun Politiker wie Medien intensiv für die Forschungsarbeiten in Vigo. Die Satelliten sollen bei der Bekämpfung der Feuerwalzen eingesetzt werden, und eine durchdachte Aufforstung soll verhindern, dass erneut so riesige Flächenbrände entstehen wie vor einem halben Jahr.

In den vergangenen Monaten wurde auch denjenigen Regionalpolitikern, die es bislang noch nicht wahrhaben wollten, drastisch vor Augen geführt, dass der Klimawandel keinen Bogen um den Nordwesten der Iberischen Halbinsel macht. In den ersten Frühlingstagen gab es zunächst starke Schneefälle, dann einen Orkan, der zehn Meter hohe Brecher an die Felsenküste donnern ließ. Normalerweise kündigt sich in diesen Tagen mit mildem Wetter die warme Hälfte des Jahres an. Doch auf die Jahreszeiten ist kein Verlass mehr.

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Im vergangenen Oktober herrschten in Galicien und dem benachbarten Norden Portugals Temperaturen von mehr als 30 Grad, gut doppelt so viel wie im langjährigen Durchschnitt. Die üblichen Regenfälle blieben aus. Waldbrände in nie gekannten Ausmaßen wüteten in der Region. Die Experten der Feuerwehr sind sich einig, dass nur ein kleiner Teil von Menschen verursacht wurde. Die meisten Brände entstanden bei Trockengewittern. Während der Regen noch in der Luft verdunstete, setzten Blitze den zundertrockenen Boden in Brand. Die Feuerwalzen konnten erst nach Tagen unter Kontrolle gebracht werden - nachdem der Westwind große Wolkenmassen über die Region geschoben und Dauerregen eingesetzt hatte.

Mehr als 60 Menschen starben, die meisten in Portugal, Hunderte Häuser wurden zerstört. Die Brände offenbarten nicht nur die Hilflosigkeit der Feuerwehr, sondern auch gravierende Fehlentwicklungen bei der Bewirtschaftung der Wälder, die das Gros des Territoriums bedecken. Nun sind die Physiker und Forstwissenschaftler aus Vigo gefragt. Sie arbeiten mit portugiesischen und französischen Experten der Universitäten Porto und Toulouse zusammen. Der Norden Portugals und der Süden Frankreichs haben ähnliche Probleme mit Waldbränden.

Der Satellit ist kleiner als eine Schuhschachtel. Aber sogar Indien interessiert sich für die Technik

Die Satelliten sollen unmittelbar helfen, die Waldforschung langfristig: Satelliten sollen nicht nur Brandherde entdecken, sondern auch helfen, die Richtungen zu bestimmen, in welche die Flammen wandern. Die Forstwissenschaftler analysieren, welche Mischung an Bäumen und Büschen für die Wiederaufforstung der abgebrannten Flächen am ehesten garantiert, dass der Boden nicht so schnell austrocknet und sich Feuer nicht mit der rasanten Geschwindigkeit ausbreiten kann, wie es die Experten im vergangenen Herbst hilflos beobachten mussten.

Der Satellit mit dem Namen Lume 1 ist erstaunlich klein, kleiner als eine Schuhschachtel, ungefähr so groß wie zwei Tetrapacks, und wiegt ganze 2,5 Kilogramm. 550 Kilometer über dem Erdboden soll er den Norden der Iberischen Halbinsel und Südfrankreich überwachen. Doch nicht Fotos aus dem Orbit sind das Ziel, sondern die Erfassung flächendeckender Wärmedaten. Diese sollen Sensoren an den Satelliten übermitteln, die über das gesamte gefährdete Gebiet verteilt werden. Ist dadurch ein Brand entdeckt, sollen mit Infrarotkameras ausgestattete Drohnen aufsteigen und den Feuerwehren noch genauere Informationen liefern.

Bislang waren die menschlichen Helfer vor allem auf Daten von Beobachtungsflugzeugen angewiesen, die aber bei starker Rauchentwicklung zu ungenau waren. Auch konnten diese immer nur einen kleinen Gebietsstreifen abdecken und nicht permanent Daten liefern. Auch gab es viel zu wenige davon, ebenso wenig wie geschulte Piloten, wie die jüngsten Feuerkatastrophen zeigten. Die Konstruktion der Spezialkameras fürs All liegt nun in den Händen der Portugiesen, die Franzosen arbeiten an Computerprogrammen, die die Daten von Brandherden schneller und genauer mit den meteorologischen Prognosen verrechnen.

Mit zwei Millionen Euro unterstützt die Europäische Union das Projekt. In Vigo hofft man auch auf einen kommerziellen Erfolg: Mehrere US-Bundesstaaten, das russische Ministerium für Katastrophenschutz und die indische Regierung haben Interesse bekundet, das Konzept von Lume 1 zu kaufen; ihre Länder wurden in den letzten Jahren ebenfalls von verheerenden Waldbränden heimgesucht. Es ist bereits die vierte Baureihe von Kleinsatelliten, die die Physiker und Ingenieure aus Vigo entwickelt haben.

Eukalyptus bringt den Waldbesitzern mehr Gewinn. Aber der brennt wie Zunder

Die Forstwissenschaftler hingegen analysieren jene Waldbestände, die seit Jahrzehnten von Bränden verschont geblieben sind, und werten alte Bücher und Dokumente aus. Ihre Bilanz ist nicht überraschend: Früher wussten die Menschen besser als heute, wie der Wald gesund bleibt und auch einem Feuer standhält; die Mischung stimmt, wenn schwere Holzarten dominieren, Eiche, Kastanie, Walnuss, Olivenbaum, die noch vor zwei Generationen die Region geprägt haben.

Dazu viel Unterholz. Das Problem der gefährdeten Regionen besteht darin, dass die Waldbesitzer in den letzten Jahrzehnten auf Monokultur aus zwei anderen Baumarten gesetzt haben: den ursprünglich in Australien beheimateten Eukalyptus und die Kiefer. Beide wachsen schnell und sind für die Industrie verwertbar: Eukalyptus für die Papierherstellung, Kiefern für Möbel.

Die EU hat die Aufforstung sogar bezuschusst, es wurden ja Arbeitsplätze geschaffen. Keine Beachtung fanden dagegen Warnungen, dass beide Baumarten sehr schnell Feuer fangen, vor allem der Eukalyptus. In der Dürre des vergangenen Herbstes zeigte sich, wie sehr die Warner recht hatten: Die Rinde des Exoten weist einen sehr hohen Harzgehalt auf, die Bäume stehen in wenigen Augenblicken in Flammen. Sie explodieren förmlich, brennende Rindenstücke können Hunderte Meter weit fliegen und die benachbarten Waldparzellen in Brand setzen. Der Eukalyptus ist bei Dürre und Hitze ein wahrer Brandbeschleuniger.

Doch diese Erkenntnisse sind nur schwer umzusetzen. Ein Großteil der Wälder im Nordwesten Spaniens und Norden Portugals ist in der Hand von Kooperativen, deren Anteilseigner Gewinn machen wollen. Es gibt keine gesetzliche Grundlage für die Lokal- und Regionalpolitiker, den Verzicht auf Eukalyptus und Kiefer zu erzwingen. Immerhin haben die ersten Gemeinden in der Provinz Vigo für Wälder in kommunalem Besitz "eukalyptusfreie Zonen" ausgewiesen. Doch das Zurück zur ursprünglichen Natur bleibt eine Generationenaufgabe. Bis dahin, so drückte es ein Bürgermeister bei einer Konferenz über Brandvorbeugung aus, bleibt nur eine Hoffnung: dass Lume 1 möglichst wenig Alarm schlagen muss.

© SZ vom 04.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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