Tödlicher Ehec-Erreger:Gefährliches Gemüse

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Nachdem der Ehec-Erreger bei Salatgurken aus Spanien eindeutig festgestellt wurde, sind viele Verbraucher verunsichert. Welche Lebensmittel kann man essen? Mit was für einem Erreger haben wir es überhaupt zu tun? Und wie lange wird die Krankheitswelle noch dauern?

Christina Berndt und Daniela Kuhr

Bei der Suche nach dem Ursprung der Ehec-Erreger ist das Hamburger Hygiene-Institut auf Salatgurken aus Spanien gestoßen. Bei drei Proben, darunter einer Bio-Gurke, sei der Erreger eindeutig festgestellt worden, teilte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) mit. Eine weitere Salatgurke mit Ehec-Keimen könne noch nicht sicher zugeordnet werden. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Können nun alle anderen Produkte wieder bedenkenlos verzehrt werden?

Nach dem Fund des Hamburger Hygiene-Instituts liegt der Verdacht nahe, dass Gurken Auslöser der Erkrankungen sind. Hamburgs Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks sagte jedoch, es sei nicht auszuschließen, dass auch andere Lebensmittel als Infektionsquelle infrage kämen. Das Bundesverbraucherschutzministerium empfiehlt vorerst weiterhin, Salatgurken, Tomaten und Blattsalate nicht roh zu verzehren. Generell sei das Händewaschen vor der Zubereitung von Nahrung wichtig. Fleisch und Gemüse sollten getrennt zubereitet werden.

Wie viele Gurken werden aus Spanien importiert?

Von den 558.000 Tonnen Gurken, die die Deutschen von April 2009 bis März 2010 verzehrt haben, stammte etwa jede dritte aus Spanien. In Fachkreisen wird aber darauf hingewiesen, dass auch in Spanien kaum Freilandgurken angebaut würden. Dort würden die Gurken meist unter Folien wachsen, während sie in Deutschland in aller Regel in Gewächshäusern aufgezogen würden. In beiden Fällen werde keinerlei Gülle eingesetzt. Es wird daher spekuliert, dass die spanischen Gurken womöglich mit belastetem Wasser in Kontakt gekommen seien.

Wie viele Menschen sind inzwischen an Ehec erkrankt oder gestorben?

Nachweislich starben bisher drei Deutsche an den Folgen der Infektion: eine 83-Jährige in Niedersachsen, eine 89-Jährige in Schleswig-Holstein und eine 24-Jährige in Bremen. Ungewöhnlich ist, dass vor allem Frauen und nicht, wie sonst üblich, Kinder erkranken. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts sind mehr als 200 Fälle bekannt, bei denen die schwere Komplikation HUS aufgetreten ist: Bei diesem Hämolytisch-urämischen Syndrom, das durch Ehec-Keime entstehen kann, versagen die Nieren. Am Mittwoch wies die Statistik noch 140 HUS-Fälle aus. Die meisten Patienten gibt es in Norddeutschland. Es handelt sich um den stärksten je registrierten Ausbruch in Deutschland. Üblicherweise treten sonst etwa 65 HUS-Fälle pro Jahr auf. Derzeit gebe es so viele Erkrankte pro Woche wie sonst in einem Jahr.

Um was für einen Krankheitserreger handelt es sich genau?

Am Donnerstag hat das Konsiliarlabor für HUS an der Universität Münster die genaue Identität des derzeit grassierenden Keims bekannt gegeben. Demnach handelt es sich um einen bereits bekannten Erreger namens HUSEC41, Serotyp O104:H4. Der Keim habe weltweit aber noch nie einen Ausbruch der Durchfallkrankheit verursacht, sagte Laborleiter Helge Karch. Er sei auch "äußerst selten": In 588 Proben von HUS-Patienten der letzten 20 Jahre habe sein Labor nur in zweien den Typ O104 gefunden. Erstmals fiel O104 im Jahr 1994 in den USA auf. Ähnlich wie jetzt in Deutschland traf die Krankheit mehr Erwachsene als Kinder und mehr Frauen als Männer.

Woher kommt der Erreger?

Letztlich handelt es sich bei allen Ehec-Keimen um Varianten des Darmbakteriums E. coli. Diese harmlosen Keime leben im Darm jedes Menschen und den Eingeweiden von Kühen. Vor ungefähr 30 Jahren ist aus einem dieser Coli-Bakterien durch Gentransfer eine gefährliche Ehec-Variante entstanden. "Vermutlich ist der Pansen der Kuh eine Art Bioreaktor, wo immer wieder Neukombinationen entstehen", sagt der Tiermediziner Georg Baljer von der Uni Gießen. "Alle hundert Jahre kommt etwas so Gefährliches wie Ehec dabei heraus." Erstmals fiel Ehec 1982 auf, als in den USA 47 Kinder einer "Big-Mac Attac" zum Opfer fielen, wie die Presse schrieb. Sie hatten nicht durchgegarte Burger gegessen.

Wie lange wird die Krankheitswelle noch dauern?

Experten glauben, dass die Welle bald abflachen wird. Aber auch nach einer Verbannung der Salatgurken aus dem Handel können sich Menschen anstecken: Bei bereits Infizierten. Dagegen schützt vor allem Händewaschen. Das Bundesumweltamt prüft, ob das Trinkwasser durch Ehec-Keime belastet werden kann, weil die Ausscheidungen der Patienten ja ins Abwasser gelangen. Das Amt geht aber davon aus, dass die Kläranlagen mit den Keimen fertig werden.

Wie ist das Düngen mit Gülle generell geregelt?

Nach Angaben von Peter Röhrig vom Bund Ökologische Landwirtschaft ist es grundsätzlich erlaubt, Felder mit Gülle oder Mist zu düngen. "Die Düngeverordnung schreibt nicht etwa vor, dass Gülle nur vor der Aussaat auf die Felder gebracht werden darf", sagt Röhrig. Allerdings ist er überzeugt, "dass kein einziger konventioneller Landwirt oder Biobauer nach der Aussaat noch Gülle oder Mist auf Gemüsefelder kippt. "Alle wissen, dass sie sich damit selbst schaden würden." Denn die Gülle greift die Pflanzen an und lockt Schädlinge an.

Spüren die Bauern schon Einbußen?

Ja, und zwar gewaltig, heißt es beim Deutschen Bauernverband (DBV). Der Handel nehme keine Ware mehr an und habe die Landwirte aufgefordert, bereits gelieferte Gurken, Tomaten und Salatköpfe zurückzunehmen. "Vor allem in Norddeutschland ist die Lage katastrophal", sagt Hans-Dieter Stallknecht vom DBV.

© SZ vom 27.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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