Stürme:Was den Hurrikan anfacht

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Normalerweise verlieren Wirbelstürme von selbst an Kraft. Doch in bestimmten Regionen fehlt dieser natürliche Bremsmechanismus offenbar. Wissenschaftler konnten jetzt zeigen, wo und wieso.

Patrick Illinger

So wie Öl ein loderndes Feuer anfacht, gibt es einen Treibstoff, der die Wucht von Hurrikanen verstärkt. Dabei überrascht: Dieser Treibstoff ist Süßwasser. Ozeanforscher des amerikanischen Pacific Northwest National Laboratory haben festgestellt, dass an jenen Stellen der Weltmeere, an denen große Flüsse in den Ozean fließen oder wo es besonders viel regnet, die Intensität tropischer Wirbelstürme steigt. Karthik Balaguru, der mit seiner Forschungsgruppe den Effekt in der Zeitschrift PNAS (online) beschreibt, nennt insbesondere die Gewässer vor der Ganges-Mündung, den Amazonas und den westlichen Pazifik.

Je wärmer das Meer, desto heftiger der Hurrikan über ihm. (Foto: dpa)

Die Heftigkeit von Hurrikanen steigt mit der Oberflächentemperatur des darunter liegenden Meerwassers. Fließen große Mengen Süßwasser ins Meer, sammelt es sich in einer Schicht etwa 50 Meter unterhalb des Meeresspiegels besonders stark an. Dort wirkt das Frischwasser wie eine Wärmedämmung zwischen dem Oberflächenwasser und den kühleren, tiefer liegenden Schichten des Ozeans. Das Salzwasser an der Meeresoberfläche vermischt sich weniger mit dem Tiefenwasser und heizt sich quasi ungehindert auf.

Die Folge sind Wirbelstürme mit einer bis zu 50 Prozent höheren Intensität als es ohne den Süßwasserzustrom der Fall wäre. Normalerweise verlieren Hurrikane von selbst an Kraft, weil ihre starken Winde das Meerwasser derart aufwühlen, dass sich dieses mit kühlerem Tiefenwasser vermischt, die Oberflächentemperatur sinkt und der Wirbelsturm seine Energiezufuhr verliert. Doch das Süßwasser schwächt offenbar diesen natürlichen Bremsmechanismus.

Eine Steigerung der Intensität um 50 Prozent klingt zunächst nicht nach viel. Doch steigt die Zerstörungskraft eines Wirbelsturms etwa mit der dritten Potenz seiner Intensität. 50 Prozent mehr Wucht, das bedeutet eine um mehr als 300 Prozent erhöhte destruktive Wirkung.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wirbelsturm von diesem Mechanismus verstärkt wird, liege in den tropischen Meeren zwar nur bei zehn bis 23 Prozent, sagen die Ozeanforscher um Balaguru. Doch könne das Wissen um diesen Effekt zu besseren Warnhinweisen an die Menschen in der betroffenen Region führen. "60 Prozent der Weltbevölkerung lebt in Gebieten, die von tropischen Wirbelstürmen betroffen sind", betont Balaguru.

© SZ vom 14.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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