Stammzellforschung:Väter werden zu Müttern, Frauen zu Samenspendern

Stammzellforschung: Eizellen könnten künftig in großer Menge im Labor geschaffen werden.

Eizellen könnten künftig in großer Menge im Labor geschaffen werden.

(Foto: AFP)

Die jüngsten Fortschritte der Stammzellforschung eröffnen Möglichkeiten, die bisher kaum denkbar waren: Hochbetagte Frauen und selbst Männer können Eizellen liefern, Babys nach Wunsch der Eltern designt werden.

Von Christina Berndt

Schon seit Jahrzehnten rütteln Wissenschaftler an den Grundfesten des Lebens. Doch die Schaffenskraft der japanischen Forscher, die nun im Fachblatt Nature von einem nie da gewesenen Schritt berichten, könnte der menschlichen Fortpflanzung ganz neue Perspektiven verleihen. Den Forschern ist es erstmals gelungen, außerhalb des Körpers reife weibliche Eizellen entstehen zu lassen, aus denen später sogar Nachkommen entstanden. Als Quelle für die Eizellen nutzten sie einfache Hautzellen. Auch wenn die Experimente bislang nur mit Mäuse-Zellen gemacht wurden und nur in wenigen Fällen erfolgreich waren, ist es nach Ansicht der meisten Experten eine Frage der Zeit, bis Ähnliches auch beim Menschen gelingen wird. Ein Überblick über die Fortpflanzung der Zukunft.

Väter werden Mütter

Auch Männern werden mithilfe der neuen Technik Eizellen zu entlocken sein. Denn wer die Hautzellen spendet, aus denen im Labor Eizellen entwickelt werden, ist unerheblich: Mann oder Frau, alles ist möglich. Die gezüchteten Eizellen können dann mit dem Sperma eines anderen Mannes befruchtet werden, ein Kind mit zwei Vätern könnte entstehen. So werden eines Tages schwule Paare Kinder bekommen können, deren biologische Eltern beide Männer sind. Zum Austragen würden sie dann allerdings eine Frau benötigen.

Frauen als Samenspender

Auch der umgekehrte Weg ist möglich: Chinesische Wissenschaftler haben im März dieses Jahres aus der Haut von Mäusen Spermien gewonnen. Die Nachricht hatte nur nicht so viel Aufsehen erregt, da Spermien im Vergleich zu Eizellen klein und einfach zu handhaben sind. Außerdem sind sie leicht zu bekommen und stehen in Samenbanken in großer Zahl zur Verfügung. Eines Tages aber könnten auch Frauen Samenspenderinnen werden. So könnten auch zwei Lesben biologische Eltern eines gemeinsamen Kindes werden.

Ende der Eizellspenden

Eizellen sind in der modernen Reproduktionsmedizin im Gegensatz zu Spermien ein rares und begehrtes Gut. In ärmeren Ländern verkaufen Frauen deshalb ihre Eizellen an Frauen, die selbst keine gesunden Eizellen haben. Im Gegensatz zu männlichen Samenspendern nehmen sie damit Risiken für ihre Gesundheit und ihre Fortpflanzungsfähigkeit in Kauf. Eizellspenden könnten mit der neuen Technik überflüssig werden.

Kinder nach Wunsch

"Das ist ein Designer-Baby-Szenario." So entfuhr es dem Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats, dem Theologen Peter Dabrock, am Montag. Die Auswahl eines Wunsch-Embryos sei bislang durch die überschaubare Zahl an Eizellen beschränkt gewesen, die sich pro Frau und Zyklus gewinnen lassen. Wenn Eizellen aber in großer Zahl aus der Haut entstehen, sei "eine Auslese leichter möglich", sagt Dabrock: "Man kann richtig viele Embryonen erzeugen und dann die fittesten aussortieren." Dabei könnten verschiedenste Kriterien herangezogen werden - nicht nur Zell-defekte und die genetisch bedingte Neigung zu Krankheiten, wie dies schon jetzt bei der Präimplantationsdiagnostik gemacht wird. In ferner Zukunft wäre wohl auch die Auswahl nach anderen Eigenschaften möglich, wenn auch eher nicht nach den Examensnoten: Viele Eigenschaften, wie etwa die Intelligenz, sind genetisch äußerst komplex angelegt. Allerdings werden Kinder für ihre Eltern wohl immer eine Überraschung bleiben. Denn es sind nicht nur die Gene, die das Wesen eines Menschen bestimmen, wie die Erkenntnisse des neuen Forschungsfeldes der Epigenetik zeigen: Das Leben kann die Gene sogar verändern.

Effektivere künstliche

Befruchtung Bei jedem dritten Paar, das ungewollt kinderlos bleibt, liegt dies Schätzungen zufolge an den Ei- oder Samenzellen. Würden diese aus Haut hergestellt und die besten ausgewählt, könnte die Erfolgsquote der künstlichen Befruchtung deutlich steigen, sagte Richard Anderson, Reproduktionsmediziner am Krankenhaus Royal Infirmary of Edinburgh, dem Guardian.

Alte Eltern

Betagte Väter gibt es längst, und auch Frauen haben den Zeitpunkt ihrer Niederkunft ins Rentenalter verlegt. Dazu brauchten sie bisher aber eine Eizellspenderin, denn nach der Menopause bilden Frauen keine Eizellen mehr. Das Problem ist gelöst, sobald Eizellen aus Haut zu haben sind.

Klon statt Adoption

Die Adoption von Kindern, in denen fremde Gene stecken, könnte nur noch aus Menschenliebe geschehen. Denn ein Kinderwunsch lässt sich in Zukunft wahrscheinlich oft auch biomedizinisch erfüllen. Man bräuchte wohl nicht mal mehr einen Partner. Wenn sich aus der Haut Ei- und Samenzellen gewinnen lassen, kann jeder Mensch ganz eigene Kinder bekommen, auch wenn diese keine echten Klone von ihm wären: Die Samen- und die Eizelle, die verschmelzen, haben vorher eine Zellteilung durchlaufen. Ihre Gene wurden also aufgeteilt und sind nicht mehr wie im Original. Die Lotterie des Lebens hat stattgefunden.

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