Psychologie:Lügen ist eine Frage der Übung

Eine Frau hält hinter ihrem Rücken die Finger überkreuzt Sie schwört einen Meineid McPBBO McPBBO

In einem Experiment konnten Psychologen beobachten, wie aus kleinen Flunkereien dreister Betrug wurde.

(Foto: imago/McPHOTO)

Je öfter Menschen lügen, desto weniger schlimm finden sie ihr eigenes Verhalten. Ist der Eigennutz groß, fällt das Flunkern besonders leicht, haben Psychologen in einem Experiment ermittelt.

Von Astrid Viciano

Spätestens seit Donald Trump fasziniert es, wie locker Menschen mit der Wahrheit umgehen können. Längst hat die US-Seite Politifact den Milliardär als Spitzenreiter unter jenen Kandidaten ausgemacht, die auch mal eine glatte Lüge auftischen. Wie es sich auf einen Menschen auswirkt, wenn er lügt, berichten Psychologen des University College in London aktuell im Fachblatt Nature Neuroscience, gemeinsam mit einem Kollegen der Duke University. Sie baten 58 Erwachsene im Alter zwischen 18 und 65 Jahren, eine Anzahl von Münzen in einem Glas zu schätzen und einem anonymen Spielpartner per Computer mitzuteilen.

Wer einen Vorteil davon hat, flunkert am hemmungslosesten

In einer Variante des Versuchs erklärten die Psychologen den Probanden, dass sie Geld bekämen, wenn sie die Zahl der Münzen möglichst hoch einschätzen. Ein anderes Mal teilten sie ihnen mit, dass der anonyme Partner von einer Übertreibung profitieren würde, sie selbst aber nicht. In einem dritten Szenario wurde den Versuchsteilnehmern gesagt, dass sowohl sie selbst als auch der Partner davon Vorteile haben würden. Prompt konnten die Psychologen beobachten, dass sich das Verhalten der Probanden veränderte. Hörten sie, dass eine Übertreibung ihnen Geld bringen würde, übermittelten sie ihrem Partner plötzlich eine höhere Anzahl von Münzen.

Bei 28 Studienteilnehmern maßen die Forscher zudem die Aktivität des Mandelkerns - einer Hirnregion in den Schläfenlappen, die für die emotionale Bewertung von Situationen zuständig ist. Wenn die Probanden die Menge der Münzen zu ihren Gunsten überschätzten, nahm die Aktivität des Mandelkerns zunächst stark zu. "Normalerweise produziert der Mandelkern negative Gefühle, wenn wir lügen", erklärt Studienautorin Tali Sharot. Allerdings nur am Anfang: Mit der Zeit reduzierte sich die Antwort im Gehirn. Und je geringer die Reaktion im Mandelkern ausfällt, desto größer werden die Lügen, erläutert Sharot - von harmlosen Flunkereien bis zu dreistem Betrug.

Je länger die jeweilige Testreihe lief, desto hemmungsloser übertrieben die Studienteilnehmer die Menge der Münzen. Die Schwindeleien nahmen besonders stark zu, wenn die Probanden glaubten, dass sie selbst wie auch ihr Spielpartner davon profitierten. Gingen sie dagegen davon aus, dass nur der andere einen Vorteil hatte, blieb die Eskalation aus. Eine eigennützige Motivation müsse also vorhanden sein, um die Schummeleien zu steigern, folgern die Wissenschaftler.

Bei Trump allerdings scheint sich sein Verhalten nicht nur auf ihn, sondern auch auf seine Entourage auszuwirken. Seine Frau etwa kupferte vor ein paar Monaten auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner schamlos Passagen aus der Rede von Michelle Obama ab.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: