Ozeane:Die Weltmeere ersticken

Lesezeit: 2 min

Vom Sauerstoffmangel im Wasser massiv gefährdet sind bereits große Meeresbereiche in Küstennähe, wie hier am Great Barrier Reef vor Australien, aber auch auf dem offenen Ozean. (Foto: Great Barrier Reef Marine Park/via dpa)
  • Der Sauerstoffgehalt in den Weltmeeren ist seit 1960 gesunken, belegt eine umfassende Untersuchung.
  • Forscher befürchten Auswirkungen auf die marinen Ökosysteme. Raubfische brauchen ausreichend Sauerstoff für ihre Beutezüge, und könnten unter dem Sauerstoffmangel leiden.
  • In Küstennähe und auf dem offenen Meer haben sich sehr sauerstoffarme "Todeszonen" gebildet.

Von Marlene Weiß

Den Ozeanen geht die Luft aus. Um etwa zwei Prozent ist der Sauerstoffgehalt in den Weltmeeren seit 1960 zurückgegangen, berichteten Forscher um Sunke Schmidtko vom Ozean-Forschungszentrum Geomar in Kiel kürzlich im Fachmagazin Nature. Es ist die erste umfassende Untersuchung dieser Art; bisherige Studien hatten nur kleinere Gebiete und meist auch kürzere Zeiträume betrachtet. Dass der Sauerstoff im Wasser abnimmt, hatten Experten erwartet, es dürfte zumindest teilweise ein Effekt des Klimawandels sein. Der Wert von zwei Prozent ist allerdings dennoch bedenklich - es ist zu befürchten, dass der Rückgang marine Lebensräume zusätzlich beeinträchtigt.

Durch Erwärmung, Versauerung und Verschmutzung sind diese sowieso gebeutelt; nun kommt noch ein Problem hinzu. "Zwei oder drei Prozent weniger Sauerstoff sind keine Überlebensfrage; das ist ähnlich wie wenn wir in die Berge gehen, wo die Luft dünner ist", sagt Coautor Martin Visbeck. "Aber es ist sicher nicht gut, jeder weitere Stressfaktor ist ein Problem."

Vor manchen Küsten breiten sich regelrechte Todeszonen aus

In einer früheren Studie konnten die Forscher bereits zeigen, dass Sauerstoffmangel Fischen Schwierigkeiten machen kann: Blaue Marline beispielsweise, die sie mit Sendern ausstatteten, mieden offensichtlich Zonen, in denen das Wasser besonders sauerstoffarm war. Der Raubfisch mit dem eindrucksvollen Speer am Oberkiefer erreicht bei der Jagd Geschwindigkeiten von bis zu 80 Kilometern pro Stunde. Aber für solche Höchstleistungen braucht er ausreichend Sauerstoff - der in immer größeren Meeresgebieten fehlt.

Das betrifft nicht nur die wachsenden Todeszonen in Küstengebieten und Randmeeren, wo fast gar kein Sauerstoff mehr im Wasser gelöst ist. Sie entstehen vor allem dadurch, dass Dünger und Abwässer ins Meer gelangen, sodass sich dort Algen dramatisch vermehren; beim Abbau von deren herabsinkenden Überresten verbrauchen Mikroben jeglichen Sauerstoff.

Doch das ist nur ein kleiner Teil des Problems. Mitten im Meer gibt es ebenfalls sogenannte Sauerstoffminimumzonen, in denen unabhängig von Düngung der Sauerstoff knapp wird, meist in den Tropen. "Sicher ist, dass die heutigen Sauerstoffminumzonen sich ausweiten werden", sagt Visbeck - was mit deutlichen ökologischen Veränderungen einhergehen werde. Auch anderswo ist die Durchlüftung zurückgegangen, am stärksten im arktischen Ozean, der seit 1960 etwa sieben Prozent seines Sauerstoffs verloren hat.

Woran diese globale Atemnot liegt, ist nicht ganz klar: Zwar kann wärmeres Wasser weniger Sauerstoff aufnehmen, sodass der Klimawandel den Sauerstoffgehalt automatisch zurückgehen lässt. Aber nach Berechnungen von Schmidtko erklärt das nur etwa 15 Prozent der Verluste. Der Rest hat vermutlich etwas mit veränderten Strömungen zu tun: Sauerstoff gelangt fast nur an der Oberfläche ins Wasser, aus der Luft und durch die Photosynthese der Algen. Erwärmt es sich dort, kann sich das sauerstoffreiche Oberflächenwasser schlechter mit Wasser in tieferen, kälteren Schichten vermischen. Nachweisen lässt sich jedoch noch nicht, dass das allein der Grund ist: Dazu gibt es zu wenige Strömungsdaten. Eine weitere Möglichkeit ist, dass der wärmere Ozean mehr Algen produziert, deren Abbau Sauerstoff verbraucht.

"Der Sauerstoff wird wohl weiter abnehmen, es gibt wenig Grund zur Entwarnung", sagt Visbeck. Auch der Meereswissenschaftler Denis Gilbert warnt in Nature davor, die Sache auf die leichte Schulter zu nehmen: Die Folgen für die Ökosysteme im Meer könnten dort, wo der Sauerstoff bereits knapp ist, sehr ernst sein - dort könnten Grenzen überschritten werden, die kritisch für das Überleben von Arten sind.

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ernährung
:So erkennen Verbraucher guten Fisch

Ein Drittel der Ozeane ist überfischt. Umweltorganisationen raten vom Verzehr vieler Fische ab. Ist das wirklich notwendig? Eine Anleitung für den aufgeklärten Fischesser.

Von Katharina Brunner und Wolfgang Jaschensky

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: