Kunst:Teilchenbeschleuniger enthüllt verstecktes Gemälde

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Die schwarz-weiße Abbildung links zeigt die Verteilung zinkhaltiger Pigmente, daneben sind alle analysierten Farben rekonstruiert. (Foto: David Thurrowgood/dpa)

Das "Porträt einer Frau" von Edgar Degas birgt ein Geheimnis: Unter dem Bild ist ein zweites versteckt -Physiker haben es mithilfe von Strahlung sichtbar gemacht.

Von Marlene Weiß

Vielleicht war es das Ohr. Um 1880 muss es gewesen sein, als der französische Maler Edgar Degas (1834-1917) eine junge Frau porträtierte. Emma Dobigny sei es gewesen, meinen australische Forscher nun; sie hatte schon früher für Degas Modell gestanden, und er soll sie sehr gemocht haben. Aber bei diesem Bild scheint das Genie Schwierigkeiten gehabt zu haben: Das Ohr geriet erst elfenhaft spitz, später brachte Degas es in eine konventionellere Form. Am Ende war es ganz verschwommen.

War der Künstler deshalb unzufrieden mit dem Bild? Jedenfalls übermalte er es. Erst jetzt hat ein Team um den Konservator David Thurrowgood von der National Gallery of Victoria in Melbourne mit Hilfe von Röntgenstrahlen aus einem Teilchenbeschleuniger das verdeckte Bild rekonstruiert (Scientific Reports). Die schwarz-weiße Abbildung ganz links zeigt die Verteilung zinkhaltiger Pigmente, daneben sind alle analysierten Farben rekonstruiert.

Vorsicht, nicht ankratzen: Das "Portrait einer Frau" von Edgar Degas wird im Detektor untersucht. (Foto: David Thurrowgood/AFP)

Auf der Leinwand, die normalerweise in Melbourne ausgestellt ist, ist eine ältere Frau mit einem etwas rätselhaften Gesichtsausdruck abgebildet. Dass sich darunter ein anderes Bild befand, war lange bekannt. Aber selbst auf Röntgenaufnahmen des Gemäldes, die Metallspuren in den Farben sichtbar machen, waren bisher nur schemenhafte Umrisse eines Kopfes zu erkennen. Erst mit den intensiven, hochpräzisen Röntgenstrahlen aus einem Teilchenbeschleuniger, in diesem Fall dem Australian Synchrotron, konnten die Wissenschaftler das verdeckte Bild wieder sichtbar machen.

Solche Synchrotron-Beschleuniger werden vor allem als Strahlungsquellen genutzt: Wenn die darin rasenden Elektronen auf Kreisbahnen gezwungen werden, senden sie Röntgenstrahlung aus, mit der man feinste Strukturen sichtbar machen kann. Auch Gemälde wurden damit schon öfter untersucht, zumal die Strahlung dem Bild offenbar nicht schadet. In den vergangenen Jahren sei die Technik viel besser geworden, so dass sie künftig noch mehr eingesetzt werden dürfte, schreiben die Forscher. So spektakuläre Entdeckungen werden wohl dennoch selten bleiben.

© SZ vom 05.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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