Krebs-Früherkennung:Vorsorge, die nichts nützt

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Mammographie oder Darmspiegelung: Der so logisch klingende Dreischritt "früher erkennen, schneller behandeln, länger leben", geht in der Krebsvorsorge oft nicht auf.

Werner Bartens

Wenn Prominente schwer erkranken oder früh sterben, ist die Anteilnahme groß. Der öffentliche Tod weckt nicht nur die voyeuristischen Instinkte, das Leben und vor allem Leiden vermeintlich großer Persönlichkeiten hautnah mitzubekommen.

Auf dem Mammographie-Bild ist ein winziger Tumor zu sehen. Doch insgesamt ist der messbare Nutzen der Früherkennungsmethode gering. (Foto: Foto: dpa)

Der medial ausgebreitete Schicksalsschlag eines Prominenten konfrontiert viele Menschen auch mit der eigenen Hinfälligkeit und Vergänglichkeit. Die Angst vor dem Tod, die bei den meisten Menschen eine Angst vor dem Leid ist, reduziert sich oft auf eine einzige Frage: Wie kann ich Schmerz, Siechtum und lange Qualen vermeiden?

Nach dem Krebs-Tod der 50-jährigen Schauspielerin Barbara Rudnik werden plötzlich viele Rezepte angeboten. Das einfachste lautet - mehr Vorsorge. Hört sich einleuchtend an, doch der so logisch klingende Dreischritt "früher erkennen, schneller behandeln, länger leben", geht in der Krebsvorsorge oft nicht auf.

Beispiel Brustkrebs. Der messbare Nutzen der Mammographie ist gering, die Schäden der Untersuchung betreffen weitaus mehr Frauen. Unterziehen sich zum Beispiel 1000 Frauen alle zwei Jahre einer Mammographie, kann statistisch gesehen ein Leben gerettet werden. Dafür werden fast 100 dieser Frauen einem falschen Krebsverdacht ausgesetzt oder ihr Tumor wird übersehen.

Die Folgen sind Angst, unnötige Gewebeproben, überflüssige Therapien; in seltenen Fällen wird sogar eine gesunde Brust entfernt. Bei Frauen über 50 Jahren ist die Bilanz etwas besser. Unter 50 Jahren ist der Nutzen noch geringer, deshalb wird Mammographie-Screening in dieser Altersgruppe nicht empfohlen.

Diese Zahlen beruhen auf sorgfältigen Studien und sagen etwas darüber aus, ob ein Früherkennungstest bevölkerungsweit etwas nutzt. Über den Einzelfall sagen sie nichts aus. Es gibt Frauen, denen durch Früherkennung das Leben gerettet wurde. Gegen diese Erfahrung sieht jede Statistik kühl und alt aus.

Auf alle Frauen bezogen, stimmt aber leider auch: Sogar unter Frauen in Screeningprogrammen, die sich alle zwei Jahre mammographieren lassen, sind 40 Prozent der Brustkrebsfälle sogenannte Intervallkarzinome. Das heißt, der Krebs wird nicht bei der Untersuchung erkannt, sondern fällt den Frauen in der Zwischenzeit auf, ohne dass ihnen die regelmäßige Mammographie genutzt hätte.

Trotzdem wird heftig für die Krebsvorsorge geworben. Besonders irritierend sind junge Werbeträger oder Kampagnen, die mit dem Brustkrebs der 30-jährigen Popsängerinnen Kylie Minogue und Anastacia Ängste schüren. Der Aufruf zur Darmspiegelung von den Klitschko-Brüdern oder Maischberger-Schöneberger-Kerner führt ebenfalls in die Irre.

In jungen Jahren - aus medizinischer Sicht unter 50 - ist der Nutzen der meisten Früherkennungstests nicht belegt. Krebs ist unfair. Außer einem entspannt-gesunden Lebensstil kann man wenig vorbeugen. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Manchmal bedeutet Vorsorge nur, dass die Sorgen vorverlegt werden.

© SZ vom 27.05.2009/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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