Klimaschutz:Deutschland soll wieder Vorreiter werden

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Nach dem Klimagipfel von Warschau sind viele Experten enttäuscht - und werben für neue Strategien. Deutschland etwa könnte zeigen, dass eine exportorientierte Volkswirtschaft auch mit Atomausstieg und ambitioniertem Klimaschutz eine Perspektive hat, sagt Ex-Umweltminister Klaus Töpfer.

Von Marlene Weiß

Erst ein paar Tage ist es her, dass der Warschauer Klimagipfel nach einem 40-stündigen Verhandlungsmarathon zu Ende ging; die meisten Delegierten dürften ihr Schlafdefizit noch nicht wieder aufgeholt haben.

Beobachter reiben sich derweil schon die Augen und überlegen, wie es weitergehen soll mit dem Klimaschutz, nachdem auch Warschau nur ein Minimalergebnis gebracht hat.

Eines jedenfalls ist klar: Kaum jemand hält es für sinnvoll, jetzt einfach den nächsten UN-Klimagipfel im kommenden Jahr in Lima abzuwarten, oder gar den 2015 in Paris, bei dem endlich ein neues globales Klimaabkommen verabschiedet werden soll.

"Ich hätte mir auch ein stärkeres Ergebnis gewünscht. Aber man muss realistisch bleiben: Wer wesentlich mehr erwartet hat, hat sich nicht sachkundig gemacht", sagt Klaus Töpfer, ehemaliger Bundesumweltminister und heute Direktor des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam.

Entscheidend sei, dass der Verhandlungsprozess fortgesetzt werden könne, und dass sich mit der Warschauer Einigung alle Länder am Klimaschutz beteiligen müssen, nicht nur die Industriestaaten. Aber handeln müssten alle, die jetzt aus Warschau nach Hause kommen - und zwar sofort, nicht erst 2015. Also auch Deutschland.

Bislang verweigert die CDU ein Klimaschutzgesetz

"Wenn wir in Deutschland den Beleg erbringen können, dass eine exportorientierte Volkswirtschaft auch mit Atomausstieg und ambitioniertem Klimaschutz eine Perspektive hat, dann ist das die beste Vorarbeit für ein wirksames Klimaabkommen in Paris", sagt Töpfer. "Um glaubwürdig zu sein, brauchen wir jetzt ein Klimaschutzgesetz, mit einem Ziel von mindestens 55 Prozent CO2-Einsparung bis 2030; und dafür müssen wir uns auch in Brüssel einsetzen."

Das sieht Töpfers Partei, die CDU, anders - ein Klimaschutzgesetz verweigert sie der SPD in den Koalitionsverhandlungen bislang.

Ein Klimaschutzgesetz mit ehrgeizigen Zielen fordern auch Umweltverbände, aus dem gleichen Grund: Deutschland soll die vakante Position des mächtigen Vorreiters besetzen, auch wenn es mit seinem Anteil an den weltweiten Treibhausgas-Emissionen von unter vier Prozent nicht alleine das Klima retten kann.

"Mit ambitionierten Zielen und einem starken Klimaschutzgesetz kann Deutschland in der EU andere mitziehen", sagt Nabu-Klimaexperte Ulf Sieberg. Die EU wiederum müsse sich neu finden; klären, was man Bremser-Ländern wie Polen anbieten kann, und welche Druckmittel es gibt. Wenn sich die EU einig sei, könne sie konstruktiv auf Staaten wie Brasilien oder Indien zugehen: "Solange alle nur mit dem Finger auf andere zeigen, wird es keine Kompromissbereitschaft geben."

Also erst mal zu Hause aufräumen, statt zu hoffen, dass sich beim nächsten Gipfeltreffen alle Differenzen in Luft auflösen. Um nicht immer mehr Zeit zu verlieren, müsse auch über einen ständigen Ausschuss der Vertragsstaaten nachgedacht werden.

Dass die Erwartungen an UN-Klimakonferenzen viel zu hoch sind, glaubt auch Delia Villagrasa von der European Climate Foundation (ECF). Sicher, der Verhandlungsprozess sei wichtig, er bringe auch die mit an den Tisch, die am meisten unter dem Klimawandel leiden. Aber das eine Abkommen, den Befreiungsschlag, das könne er gar nicht liefern, auch nicht 2015 in Paris. "Das Problem sind ja nicht die Verhandlungen, sondern die Staaten, die Wettbewerbsnachteile durch Klimaschutz befürchten", sagt sie.

Also müsse es auf nationaler Ebene weitergehen: Regierungen sollen überzeugt werden, dass jeder ökonomisch von Klimaschutz profitiert. Von der EU könne man dabei erwarten, dass sie vorangehe; aber auch auf Bündnisse von wenigen Ländern oder auf Städtenetzwerke setzt Villagrasa große Hoffnung. Nur schneller müsste es gehen - "der Tanker dreht sich, aber er dreht sich zu langsam".

Letztendlich steht und fällt alles auch mit dem technologischen Fortschritt, noch ein Feld, wo niemand auf China oder die USA warten muss. "Die Entwicklungsländer brauchen Wachstum, um die Armut zu überwinden, und dafür braucht man Energie", sagt Klaus Töpfer. "Also ist jetzt die Aufgabe, die Energieeffizienz voranzubringen und erneuerbare Energien auch weltweit zur Wettbewerbsfähigkeit zu bringen, da müssen wir vorangehen." Und eine Kleinigkeit erwähnt er noch, die Bewohner von Industriestaaten gerne vergessen: "Wir müssen unseren Lebensstil ändern."

© SZ vom 26.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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