Hochwasser in Deutschland:Fluch der Wolken

Hochwasser bei Burghausen

Das Hochwasser der Salzach überflutet das Gelände eines Gehöfts bei Burghausen.

(Foto: dpa)

"Als würde ein feuchtes Handtuch ausgewrungen": Die Menge an Regen, die derzeit Deutschlands Süden und Osten heimsucht, ist auch für Meteorologen ungewöhnlich. Wie es zu dem andauernden Niederschlag kommen konnte.

Von Markus C. Schulte von Drach

Laien nehmen Hochwasser oder Hitzewellen als Extremsituationen wahr. Für Meteorologen sind sie dagegen meist seltene, aber eigentlich normale Folgen der komplizierten, dynamischen Prozesse an der Erdoberfläche. Angesichts des Dauerregens im Osten Deutschlands und des Jahrhunderthochwassers in Bayern gehen nun aber selbst die Experten von einer meteorologischen Ausnahmesituation aus: Im Süden und Osten Deutschlands wirkt sich ein Tiefdruckgebiet aus, das warme und feuchte Luftmassen vom Mittelmeer her über die Balkanregion um die Alpen herum heranwirbelt.

Verantwortlich dafür ist die Luftdruckverteilung über Europa. Die wiederum wird hervorgerufen durch eine ungewöhnliche Lage des sogenannten Jetstreams. Dabei handelt es sich um ein Starkwindband in großen Höhen, das sich gegenwärtig weiter im Süden befindet als gewöhnlich. Die Folge ist eine "umgekehrte Omega-Lage", wie Meteorologen sagen: Zwei Hochdruckgebiete, eines über Westeuropa und eines über Nordosteuropa, quetschen die Tiefs wie einen Sack zwischen sich ein und verlangsamen deren Verlagerung. Diese Großwetterlage ist sehr stabil und bestimmt unser Wetter nun schon seit Wochen.

Solche immer wieder auftretenden Wetterlagen reichen allerdings noch nicht aus, um so extreme Hochwasser hervorzurufen, wie wir sie derzeit erleben. Normalerweise sind sie nämlich nach ein oder zwei Tagen vorüber. Es kommen noch etliche andere Faktoren ins Spiel. Dazu gehört der Temperaturunterschied zwischen den warmen subtropischen Luftmassen, die von Nordafrika her einfließen, und der kalten polaren Luft, die ihnen vom Norden her über Europa begegnet.

Wolken wachsen bis in große Höhen

Eine Rolle spielen auch die Temperaturen von Mittelmeer und Nordsee, die Luftdruck-Gegensätze über dem Atlantik und dem europäischen Festland sowie die Luftfeuchtigkeit. Wenn es schlecht läuft, kann es passieren, dass sich - wie jetzt - ein stabiles Tiefdruckgebiet bildet, welches ungewöhnlich lange auf eine bestimmte Region wirkt, erklärt Markus Garhammer vom Meteorologischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Im Osten Deutschland ist der Regen deshalb besonders stark, weil die Atmosphäre eine sogenannte instabile Schichtung aufweist. Hier wachsen die Wolken bis in große Höhen, der Wassergehalt nimmt durch die feuchte Luft aus dem Süden immer mehr zu. Schließlich kondensiert das Wasser zu großen Tropfen, die herabfallen und sich unterwegs weitere, kleinere Tröpfchen einverleiben. So kommt es zu den besonders hohen Regenmengen am Boden.

In Bayern ist die Situation derzeit ungewöhnlich, weil es am Alpenrand zu einem extremen Stau der Niederschlagsfelder kommt. "Stauniederschläge sind völlig normal im Berchtesgadener Land oder im Salzburger Raum bis nach Traunstein", sagt Garhammer - "Salzburger Schnürlregen" wird das in der Gegend genannt.

Gewisse Staueffekte haben auch der Thüringer Wald und das Erzgebirge. Aber wie die Daten des Wetterradars deutlich zeigen, haben sich - getragen vom starken Wind von Nordosten her - in den vergangenen Tagen besonders viele Regenwolken vor den Alpen zusammengeschoben. "Das ist, als würde ein feuchtes Handtuch ausgewrungen", beschreibt Garhammer das Phänomen. "Und wenn der Boden einmal gesättigt ist, dann geht jeder weitere Tropfen in die Bäche und Flüsse."

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