Erderwärmung:Klima-Krach in Deutschland

Wie soll sich Deutschland an den Klimawandel anpassen? Bei dem Versuch, im Dialog eine Antwort auf diese Frage zu finden, haben sich Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter heilos zerstritten. Ausgerechnet die Klimaforscher sind aus der Arbeitsgruppe der Akademie für Technikwissenschaften ausgetreten.

Christopher Schrader

Es begann mit einem Schulterschluss und endete im Streit. Vier prominente deutsche Klimaforscher sind unter Protest aus einer Arbeitsgruppe der deutschen Akademie für Technikwissenschaften Acatech ausgetreten. Eigentlich sollte die 43-köpfige Gruppe im Dialog von Wissenschaft und Wirtschaft klären, wie sich Deutschland an den Klimawandel anpassen sollte.

Es sollte um höhere Deiche gehen, um Vorsorgemaßnahmen gegen Hitzewellen in Städten, möglichen Wassermangel der Landwirtschaft etwa in Brandenburg. Die Anpassung ist die oft vernachlässigte zweite Seite im Kampf gegen den Klimawandel - neben der Vermeidung von Treibhausgasen.

Doch dann verließ ein bedeutender Teil der Wissenschaftler die Arbeitsgruppe. Ein Konflikt um Grundsatzfragen zum Klimawandel war eskaliert. Der erste Entwurf des Berichts hatte die Ergebnisse der physikalischen Klimaforschung, welche die Vorgänge in der Atmosphäre untersucht, zwischen den Zeilen als "nicht belastbar" dargestellt, beklagen die Klimaforscher. Aus diesem Grund beendeten die vier Forscher im Frühjahr ihre Mitarbeit.

"Wir waren die einzigen echten Klimaforscher in der Gruppe und haben gegen eine Gummiwand argumentiert", sagt Hans von Storch vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht, einer der vier Dissidenten. Man müsse in einem solchen Papier erklären, was der Klimawandel sei und wie er sich entwickelt. "Das Ausmaß der Anpassung hängt davon ab, wie weit es gelingt, den Ausstoß von Treibhausgasen zu bremsen."

Wolfgang Cramer vom französischen Centre national de la recherche scientifique (CNRS) ergänzt: "Unsere Beiträge zu einem Kapitel, das die Grundlagen zum Klimawandel enthalten sollte, wurden weggelassen oder durchlöchert." Wenn ein solches Gremium die Arbeit des Weltklimarats IPCC als unglaubwürdig darstelle, könne er sich nicht mehr darauf einlassen. Ähnlich argumentierten Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdiensts, und Jürgen Schmid vom Fraunhofer-Institut für Windenergie.

Der fragliche Bericht, welcher der Süddeutschen Zeitung in seiner wohl endgültigen Fassung vorliegt und im Oktober vorgestellt werden soll, dokumentiert diesen Konflikt nur diskret. Eine Fußnote unter der Autorenliste erklärt, dass die vier Forscher "das Gesamtpapier nicht mittragen möchten". Die umstrittenen Passagen sind von einem prominenten Platz am Anfang des Texts in das letzte Kapitel vor den Schlussfolgerungen gerückt und offenbar stark gekürzt worden.

Übrig geblieben sind eher Allgemeinplätze, jedoch blitzt der Streit noch durch die Formulierungen. "Es wird ein genereller Vorbehalt gegen den derzeitigen Wissensstand betont, ohne zu differenzieren, welche Erkenntnisse gut und welche weniger gut gesichert sind", klagt Martin Claußen, der als Direktor am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie zu einem der drei externen Gutachter des Berichts berufen wurde. "Wäre diese Acatech-Position bei einer internationalen wissenschaftlichen Zeitschrift eingereicht, würde ich als Gutachter eine Überarbeitung empfehlen."

Klimaskeptiker im Acatech-Gremium

Der Streit hatte sich entzündet, als im Februar der RWE-Manager Fritz Vahrenholt ein Buch über Klimaforschung veröffentlichte. Er war zuvor nach Aussage von Acatech-Präsident Reinhard Hüttl von der Akademie-Leitung zu einem der drei Koordinatoren der Projektgruppe ernannt worden. In dem Buch "Die kalte Sonne" erklären Vahrenholt und ein Koautor die globale Erwärmung mit zyklischen Schwankungen der Sonnenaktivität, weshalb der Klimawandel keine große Gefahr sei und Treibhausgase unbedeutend. Diese Thesen widersprechen jedoch Ergebnissen der Klimaforschung und des Weltklimarats.

Vahrenholt, der Erfahrung mit regenerativer Energie hat, war als Wirtschaftsvertreter in das Acatech-Gremium berufen worden. Die vier Klimaforscher lehnten die Zusammenarbeit mit ihm nicht prinzipiell ab. "Aber gerade wenn Herr Vahrenholt nach seinem Buch Mitautor dieses Papiers ist, konnten wir nicht darauf verzichten, die Ergebnisse der Klimaforschung klar darzustellen", sagt Paul Becker.

Als sie mit ihren Argumenten abprallten, wollten die vier Forscher erst recht nicht mehr an einem Bericht mitarbeiten, für den Fritz Vahrenholt als Koordinator genannt wurde. "Ich habe ihnen zugesagt, dass er nicht mehr in dieser Funktion erscheint", beschwichtigt Hüttl, "und wir haben das im Abschlussbericht auch eingehalten." Vahrenholt wiederum sei wegen dieser Änderung nicht erfreut gewesen. Tatsächlich nennt das Acatech-Papier nun den RWE-Manager nicht mehr als Koordinator. Dafür gibt es eine "Steuerungsgruppe", zu der Vahrenholt zählt.

"Am Ende hat sich gezeigt, dass Zweifel an der Klimaforschung keine akzeptable Position für die Gruppe waren", betont Hüttl. Die Akademie teile diese Haltung. Dennoch stehen in der aktuellen Fassung des Papiers Formulierungen, die Klimaforscher kritisieren. So heißt es auf Seite 29, es sei "nicht bekannt", welchen Anteil Treibhausgase, Sonnenaktivität, Vulkanausbrüche und jahrzehntelange Zyklen am Klimatrend der vergangenen 150 Jahre hätten.

Das steht klar im Gegensatz zu Folgerungen des Weltklimarates, der 2007 festgestellt hat: "Der größte Teil des beobachteten Anstiegs der globalen Durchschnittstemperaturen seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist sehr wahrscheinlich auf die beobachtete Zunahme der anthropogenen Treibhausgas-Konzentrationen zurückzuführen", also auf menschliche Einflüsse. Der unterschiedliche zeitliche Bezug - 150 Jahre bei Acatech, rund 60 Jahre beim IPCC - kann nicht der Grund sein, warum das Akademie-Papier die Aussage des Weltklimarats einschränkt.

Zudem merkt die Arbeitsgruppe schon im zweiten Absatz der Stellungnahme an: "Es werden hierzulande keine klimatischen Randbedingungen auftreten, die nicht bereits in anderen Regionen der Erde existieren." Paul Becker kritisiert diese Relativierung: "Das ist vermutlich richtig, aber es ist eine unglückliche Darstellung. Solche Veränderungen, zum Beispiel häufige Hitzewellen oder Starkregenfälle, belasten die Gesundheit der Menschen und stellen eine Herausforderung für unsere Infrastruktur dar."

Die Wissenschaftler werten die Studie daher als verpasste Gelegenheit, mit der Wirtschaft über das in der Tat wichtige Thema der Anpassung an den Klimawandel ins Gespräch zu kommen.

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