Deutscher Archäologe:Schliemanns Gold

"BEUTEKUNST" SCHATZ DES PRIAMOS

Gold-Diadem aus dem "Schatz des Priamos", der im Moskauer Puschkin-Museum zu sehen ist. Hunderte Stücke der Berliner Schliemann-Sammlung waren nach dem Zweiten Weltkrieg als "Beutekunst" in die Sowjetunion gebracht worden.

(Foto: DPA/DPAWEB)

Heinrich Schliemann wollte das antike Troja wieder entdecken. Aber was fand der deutsche Abenteurer-Archäologe bei seinen Ausgrabungen wirklich?

Von Josef Schnelle

Beim Versuch, Abenteurer in Venezuela zu werden, sank sein Schiff schon vor Texel. Vom einfachen Kontorboten in Amsterdam hatte der Pastorensohn aus Mecklenburg sich aber 1847 schon wieder emporgearbeitet zum erfolgreichen Geschäftsmann, der in Sacramento eine Bank für Goldsucher gründete und Salpeter und Pech für die Kanonen der Zarenarmee im Krimkrieg lieferte.

Als Heinrich Schliemann alle Tricks des Gewerbes kannte und enorm reich geworden war, wandte er sich ab von seinen zuweilen krummen Geschäften und von seiner russischen Frau in Sankt Petersburg, mit der er drei Kinder hatte. Er beschloss, archäologischer Schatzsucher zu werden, lernte Latein und Griechisch und ließ sich in Abwesenheit zum Dr. phil. promovieren.

Heinrich Schliemann war als Vorläufer von "Indiana Jones" tatsächlich ein grabender Pionier. Zunächst ohne, dann mit Genehmigung der osmanischen Regierung, auf dem Hügel Hisarlik an den Dardanellen.

Dort vermutete er die Überreste des antiken Troja, um das die Griechen einst wegen der Entführung der schönen Helena ein beispielloses Blutvergießen voller Heroenkämpfe veranstaltet hatten. So steht es jedenfalls in der "Ilias" von Homer.

Schliemann nahm Homer beim Wort

Dieses früheste Zeugnis griechischer Abenteuer- und Mythenliteratur trug Schliemann stets bei sich und nahm die beschriebenen Kämpfe und Ortsbeschreibungen beim Wort. Angetrieben von seiner Homer-Lektüre schlug er mit seinen Arbeitern gigantische Schneisen in das Ruinenfeld der vermuteten Überreste von Troja.

Eine griechische Frau hatte er auch schon, Sophia, eine 17-Jährige aus Athen, von der ihm sein Freund, Erzbischof Theokletos Vimpos, 1869 eine Fotografie hatte zusenden lassen. Sie sollte die standesgemäße Gefährtin des autodidaktischen Antikenforschers sein.

Am 31. Mai 1873, auf der dritten Grabungskampagne, fand er in der Nähe des Burgbergs seinen "Schatz des Priamos", des mythischen Königs von Troja: Kelche, Vasen und Speerspitzen, mehr als 10 000 Stücke, vor allem aber zwei kostbare Diademe.

Das Foto seiner Frau Sophia mit dem angelegten Schmuck ging später um die Welt: die perfekte Inszenierung von Schliemanns triumphaler Entdeckung Trojas. Diese aber hatte mehr als einen Schönheitsfehler. Schliemann verhedderte sich in den vielen Schichten im Hügel und hatte tatsächlich einen Fund gemacht, der mehr als tausend Jahre älter war als Troja.

Es handelte sich höchstwahrscheinlich um eine frühbronzezeitliche Handelsmetropole der Hethiter, um die es sicher viele Kämpfe gegeben hat, aber keinesfalls den um die "geraubte Braut" Helena, Tochter des Zeus. Auch kamen bald Verdächtigungen auf, der Goldschmuck sei von einem Athener Juwelier eben erst hergestellt worden. Das ist bis heute schwer widerlegbar, weil der Schmuck zurzeit nicht wissenschaftlich stichhaltig untersucht werden kann.

Die weitere Geschichte des Geschmeides ist nämlich selbst so abenteuerlich wie sein Fund. In Schliemanns Grabungsbericht klingt es so, als stammte er aus einem Abenteuerfilm voller Lebensgefahr und Geheimniskrämerei. Als Dramaturg seines Lebensabenteuers war Schliemann gewiss unschlagbar.

Schliemann schenkte - und der Kaiser bedankte sich persönlich

Es gelang ihm nach einem Prozess gegen die "Hohe Pforte", die Regierung des osmanischen Herrschers, den Schatz mit einer Zahlung von 50 000 Goldfranken nachträglich legal in seinen Besitz zu bringen. Er vermachte ihn 1881 "dem deutschen Volk zum ewigen Besitz". Zuvor hatte Schliemann seinen Schatz samt Schmuck der Eremitage in Sankt Petersburg angeboten. Doch der mögliche Erlös reichte ihm nicht.

Kaiser Wilhelm I. bedankte sich persönlich, und die Sammlung wanderte ins Kunstgewerbemuseum in Berlin, dem heutigen Martin-Gropius-Bau, und 1885 letztendlich ins Völkerkundemuseum. Die deutsche Wissenschaftselite, die Schliemann so lange verlacht hatte, musste ihn nun sehr verspätet anerkennen.

Immerhin hatte er viel für das Ansehen der neuen Wissenschaft Archäologie getan und auch die Grabungsmethoden weiterentwickelt. In der Spielfilmversion seiner Biografie von Dror Zahavi ist Hauptdarsteller Heino Ferch allerdings doch wieder jene Mischung aus Scharlatan, PR-Profi und gelegentlich heißblütigem Machoforscher, die besser in einen Hollywoodfilm passen würde.

Ausgrabungsarbeiten von Troja, um 1890

Ausgrabungsarbeiten in den Ruinenhügeln von Hisarlik um 1890, dem Ort, wo Schliemann das antike Troja vermutet hat.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Schliemann residierte in Athen in einer Villa, die er "Palast von Ilias" nannte und kämpfte bis zu seinem Tod 1890 um Anerkennung. Seine Kinder aus der Zweckehe mit Sophia nannte er Agamemnon und Andromache. Seiner Selbstinszenierung blieb er bis zum Schluss treu.

Der Schatz wurde 1945 Beutekunst, obwohl ihn Museumsdirektor Wilhelm Unverzagt in drei Kisten im Flakbunker am Zoo besonders sicher wähnte. Danach galten die Kostbarkeiten als verschollen. Im Neuen Museum in Berlin - im Schliemann-Saal des Museums für Vor- und Frühgeschichte - sind fast nur Nachbildungen zu bewundern. 1996 wurde der Schatz im Puschkin-Museum in Moskau wieder der Öffentlichkeit präsentiert.

Die Moskauer Museumschefin Irina Antonowa hatte sich zunächst unwissend gestellt, doch auf einem Foto unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg steht sie als junge Frau stolz mit einer Wissenschaftlergruppe neben den Beutekisten. Inzwischen fordert die Türkei von Russland die Rückgabe der Schliemann-Funde, auch Deutschland will die Beutekunst zurückhaben - also vom Räuber des einst von Schliemann geraubten, dann legalisierten Gutes.

Lag Homers Troja in einer Stadt namens Karatepe?

Über den tatsächlichen Standort des bronzezeitlichen Troja gibt es zahlreiche Theorien. So vermutet etwa Raoul Schrott - Autor einer umstrittenen gewaltstrotzenden Neuübersetzung der "Ilias" - die Stadt in Karatepe in Kilikien in der Südosttürkei.

Vielleicht kommt ja irgendwann mal wieder einer dieser tatkräftigen Entdecker, ein archäologischer Abenteurer, ein neuer Schliemann. Und findet dann doch das legendäre Troja Homers, den mythischen Ort, der die Menschen seit Jahrhunderten beschäftigt.

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