Der Müll im Meer:Stöpsel, Tüten, Badeenten

Treibgut besteht heute zum größten Teil aus Plastik, denn der meiste Kunststoffabfall endet im Meer. Manche Fachleute schätzen, dass bereits 100 Millionen Tonnen in den Ozeanen schwimmen.

Patrick Illinger

Als ginge es darum, der Menschheit deren eigene Sauerei wieder vor die Füße zu werfen, speit das Meer an den Küsten der Welt hartnäckig Müll an Land. Reste von Fischernetzen, Plastikbesteck, Getränkeflaschen ebenso wie Verschlüsse, Badelatschen und Styroporstücke.

Müll im Meer

Müll im Meer Müll im Meer

(Foto: SZ-Grafik: Daniel Braun)

Treibgut besteht heute zum größten Teil aus Kunststoff, dieser hält eben lange, viel länger als Papier, Holz und sogar länger als das Metall von Weißblechdosen. Wie viel Plastikmüll bereits in den Weltmeeren schwimmt, darüber gibt es nur Schätzungen, von 100 Millionen Tonnen ist häufig die Rede.

Vor den europäischen Küsten wurden auf dem Meeresboden pro Quadratkilometer bis zu 100.000 mit bloßen Augen sichtbare Müllteile gezählt, berichtet der im vergangenen Herbst von deutschen Meeresforschern verfasste World Ocean Review. Sogar mitten im Pazifik haben Forscher 18.000 schwimmende Plastikteile pro Quadratkilometer gefunden.

Kreisförmige Meeresströmungen versammeln dort ungeheuerliche Mengen Plastikmüll in einem Hunderte Kilometer großen Strudel. Sicher ist: Die Abfälle des Kunststoff-Zeitalters bleiben längst nicht mehr dort, wo sie anfallen. Plastikreste finden Forscher mittlerweile an den entlegensten Orten der Erde.

Auf den Midway-Inseln sterben Albatrosse, weil verschluckte Plastikteile ihre Mägen verstopfen. Die Evolution hat sie gelehrt, nach allem zu schnappen, was leuchtet und auf dem Meer schwimmt. Forscher der Universität Kiel haben festgestellt, dass von 600 an den Nordseeküsten angeschwemmten toten Eissturmvögeln fast alle unverdauliche Abfälle im Magen hatten - im Schnitt 44 Teile pro Tier.

Erst kürzlich entdeckte man auch in den Bäuchen arktischer Eisvögel im hohen Norden Kanadas Plastikstücke. Erschütternde Bilder gibt es auch von Meeresschildkröten, die qualvoll in aufgegebenen Fischernetzen verenden, in sogenannten Geisternetzen. 100.000 Vögel und Meerestiere sterben jährlich in Folge des zunehmenden Plastikmülls in den Weltmeeren, schätzen Biologen. Während Raumfahrtagenturen Programme gegen Weltraumschrott entwerfen, scheint der Plastikmüll in den Ozeanen allenfalls Spezialisten und Umweltaktivisten zu interessieren.

Plastik gehört zum Alltag, vielleicht wirkt Plastikmüll deshalb weniger erschreckend. Und kommerzielle Interessen sind bislang kaum berührt, auch wenn bereits das eine oder andere Frachtschiff nicht vor Anker gehen kann, weil der Meeresgrund vor lauter Plastiktüten zu glitschig ist.

Doch die wachsende Menge Plastik im Ozean könnte der Menschheit noch schwer zu schaffen machen. Mit Sorge beobachten Meeresbiologen, dass sich Plastikteile im Meerwasser kaum chemisch auflösen oder biologisch abbauen, sondern in immer kleinere Stücke zerrieben werden. So verschwindet der Müll zwar langsam aus dem Blickfeld der Menschen, aber mitnichten aus dem Ökosystem.

Winzige, Mikroplastik genannte Partikel sind mittlerweile fester Bestandteil von Meerwasser in allen Teilen der Erde. 250 Millionen Kunststoffpartikel mit einem durchschnittlichen Gewicht von nur 1,8 Milligramm schwimmen im Mittelmeer, vermutet die französische Umweltschutzorganisation Mediterranée en danger nach ausgedehnten Messfahrten.

An Stränden in Großbritannien wurde festgestellt, dass jedes zehnte Sandkorn tatsächlich ein Plastikkrümel ist. Je nach Größe gelangen solche Teilchen in die Verdauungsorgane von Meereslebewesen und in die Kiemen der Fische.

In Laborversuchen am Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut wurde gezeigt, dass sehr kleine Plastikpartikel sogar in die Körperzellen von Weichtieren wie Muscheln vordringen können. Sollte sich Plastik auf diese Weise in den Organismen von Meereslebewesen ausbreiten, wäre der Weg in die menschliche Nahrung nicht mehr weit.

Hinzu kommt, dass sich Plastikteile im Meer wie kleine Schadstoffmagnete verhalten. Auf der Oberfläche von Kunststoffpartikeln wurden tausendfach erhöhte Mengen teils giftiger, wasserunlöslicher Chemikalien gefunden, zum Beispiel DDT und Polychlorierte Biphenyle, kurz PCB. In Nanogröße könnten Plastikpartikel offenbar wie kleine Fähren funktionieren, die Giftstoffe sammeln und transportieren.

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