Census of Marine Life:"Eine beängstigende Aufgabe"

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Mit einer überschaubaren Anzahl rechneten die Forscher, die die Tiere der Tiefsee katalogisieren wollten - und fanden fast 18.000 Arten, die nun beschrieben werden müssen.

Es ist einer der unwirtlichsten Teile des Planeten, und er wimmelt von Lebewesen: In einem mehrjährigen Projekt hat ein internationales Forscherteam die Tiefsee erkundet und dabei fast 18.000 Arten entdeckt. Der Großteil davon war bisher unbekannt.

Ein Ruderfußkrebs - nur einer von Tausenden Arten der Tiefsee. (Foto: Foto: AP)

Das äußerst ehrgeizige Vorhaben startete im Jahr 2000. Danals beschlossen Hunderte Forscher aus 34 Nationen, die Artenvielfalt in den Ozeanen im sogenannten Census of Marine Life bis Oktober 2010 zu katalogisieren. Fünf der insgesamt 14 Arbeitsgruppen erforschten in teils wochenlangen Expeditionen die Tiefen der Ozeane zwischen 200 und 5.000 Metern, wo ewige Finsternis herrscht und somit keine Photosynthese mehr möglich ist. Da mit zunehmender Tiefe das Nahrungsangebot rapide abfällt und gleichzeitig der Wasserdruck immense Dimensionen erreicht, rechneten die Wissenschaftler ursprünglich mit einer eher überschaubaren Ausbeute.

Im Video: Mit einem gemeinsamen Projekt wollen Forscher aus über 32 Ländern die Vielfalt des Lebens unter Wasser erfassen. Sie gehen davon aus, dass vor allem in den Tiefen des Meeres zahlreiche unentdeckte Arten leben.

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Umso überraschter waren sie von der reichhaltigen Vielfalt des Lebens, der sie begegneten. Insgesamt registrierten die Forscher nach eigenen Angaben bislang 17.650 Arten - darunter etliche kuriose Kreaturen.

So stieß eine Expedition auf dem Mittelatlantischen Rücken - das Gebirge durchzieht den Atlantik in Nord-Süd-Richtung - auf verschiedene Arten des sogenannten Dumbo-Octopus. Diese Kraken sind umgangssprachlich nach dem Disney-Elefanten benannt, weil sie neben ihren acht Tentakeln noch zwei auffällige flossenartige Extremitäten am Kopf haben, die sie zur Fortbewegung nutzen. Insgesamt fanden die Forscher neun Arten dieser Tintenfische, darunter das mit zwei Metern Länge größte bisher bekannte Exemplar.

Ein anderes Team entdeckte im Golf von Mexiko 1.000 Meter unter der Wasseroberfläche auf dem Meersboden einen Röhrenwurm vom Typ Lamellibrachia. Als ein Greifarm des U-Bootes vom Boden abzog, sprudelte Rohöl sowohl aus einem Loch in der Erde als auch aus dem Inneren des Wurms. Offenbar hatte sich das Tier gerade an Chemikalien aus zersetztem Öl gelabt. Eine dritte Forschergruppe stöberte vor der Antarktisküste Vertreter der Gattung Osedax auf.

Dahinter stecken Würmer, die sich von herabgesunkenen Walknochen ernähren. Solche Organismen waren bisher nur in nördlichen Gefilden wie etwa der Nordsee bekannt, nicht aber aus der Antarktisregion. Ein Maximum an Vielfalt tummelte sich im Schlamm der schier endlosen Tiefsee-Ebenen, die bislang als eine Art Wüste galten.

Dieser Artenreichtum war Forschern bislang auch deshalb entgangen, weil die meisten Organismen winzig klein sind und unter den Sedimentteilchen leben. "Die Tierwelt der Tiefsee ist so vielfältig und so wenig beschrieben, dass schon das Finden einer bekannten Art ungewöhnlich ist", sagt David Billett vom britischen Nationalen Zentrum für Ozeanographie. "All jene verschiedenen Arten erstmals zu beschreiben, die in einer Sedimentprobe von der Größe einer Kaffeetasse stecken, ist eine beängstigende Aufgabe." So konnten die Forscher bislang nur sieben von 680 gefundenen Ruderfußkrebsen klassifizieren.

"Die Tiefsee ist das größte zusammenhängende Ökosystem der Erde", betont Chris German vom der Woods Hole Oceanographic Institution im US-Staat Massachusetts. "Es ist auch das am wenigsten erforschte."

Kurioserweise waren die Forscherteams nicht die einzigen Landbewohner, die sich in die finsteren Tiefen vorwagten. Wie die Wissenschaftler ebenfalls entdeckten, tauchen Südliche See-Elefanten, die größte Robbenart der Welt, bis knapp 2.400 Meter unter der Wasseroberfläche - und damit weit tiefer als bislang bekannt.

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