Zulieferer-Streit bei VW:Darf VW die Mitarbeiter im Zulieferer-Streit in Kurzarbeit schicken?

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Bei VW steht die Produktion teilweise still. Jetzt schickt der Autobauer viele Mitarbeiter in Kurzarbeit - auf Kosten der Sozialversicherung. Ist das überhaupt erlaubt?

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Zu einzelnen Firmen dürfe sie nichts sagen, erklärt die Dame von der Arbeitsagentur in Helmstedt, also auch nicht zu Volkswagen. Ob etwa ein Wolfsburger Werk wegen Teilemangels mal eben Kurzarbeitergeld bekommen kann, dazu könne sie allenfalls "ein wenig theoretischen Input" geben.

Und der klingt dann so: Kurzarbeitergeld können Beschäftigte erhalten, "wenn ein wirtschaftlich bedingter Arbeitsausfall vorliegt". Das wiederum könnte bei "fehlender Zulieferung von Teilen" der Fall sein. Kurzum: Volkswagen hätte gute Chancen, sich mit betroffenen Beschäftigten auf eine Kurzarbeiter-Regelung zu verständigen. Die würden dann, mangels Sitzbezügen und Getriebeteilen, erst einmal zu Hause bleiben. Bis zu zwei Drittel des Verdienstausfalls übernähme damit die Arbeitslosenversicherung, mithin die Gemeinschaft der Beitragszahler.

Aber ist das wirklich so einfach? Experten haben Zweifel. "Das Instrument war ursprünglich für ernsthafte Wirtschaftskrisen gedacht", sagt Karl Brenke, Arbeitsmarkt-Experte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, "und nicht für Streitigkeiten mit einem Zulieferer." Da ein solcher Konflikt nicht über Nacht entstehe, könne sich das Unternehmen auch nicht darauf berufen, es sei von dem Produktionsausfall überrascht worden.

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Experten der Union haben jetzt schon Bauchschmerzen

Wann ein Ereignis unabwendbar ist und wann nicht, das hat die Bundesagentur für Arbeit in einer "Geschäftsanweisung" zum Kurzarbeitergeld dargelegt. Etwa, wenn ein Werk abbrennt. Oder, wenn ein Betrieb wegen Smog-Alarm nicht weiterarbeiten kann und keine Löhne mehr zahlt. Doch schon für "mittelbar betroffene Betriebe" gilt das nicht mehr: Etwa, wenn der Smog-Alarm auch einen Zulieferer lahmlegt.

Was aber bei einem Streit zwischen Zulieferer und Abnehmer geschieht, steht nicht darin. "Die Frage der Fahrlässigkeit ist nicht ganz klar geregelt", sagt Holger Bonin, Arbeitsforscher am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Letztlich entscheidet die zuständige Arbeitsagentur - im Falle Wolfsburgs die in Helmstedt. Für das Emdener Werk hat VW den Antrag schon gestellt. Auch Experten der Unionsfraktion prüfen gerade die rechtliche Grundlage, haben aber schon jetzt Bauchschmerzen, "wenn bewusst herbeigeführte Konflikte auf dem Rücken der Beitragszahler ausgetragen werden".

Entscheidend, sagt IZA-Forscher Bonin, sei aber doch die Frage, was die Kurzarbeit überhaupt soll - schließlich könne Volkswagen den Ausfall auch anders kompensieren. "Möglicherweise ist das nur ein Eskalationsschritt", sagt Bonin, "um die Zulieferer weiter unter Druck zu setzen."

© SZ vom 23.8.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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