Windparks bedrohen historische Schiffswracks:Rettung vor der Mühle

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21 Windparks sind in der Nordsee bereits genehmigt. Die modernen Windmühlen verändern die Küste und bedrohen historische Schiffsreste am Meeresgrund. Eilig lässt der Bund nun nach den Wracks suchen.

Kristina Läsker

Es sind grüne Punkte auf einer Seekarte - und hinter jedem verbirgt sich ein Schicksal. Dicht an dicht sind sie eingezeichnet: Dort, wo Elbe und Weser ins Meer fließen. Rund um Norderney und Sylt. Oder mitten auf See. Jeder Punkt markiert ein Wrack, und es sind sehr viele. Denn im Laufe der Geschichte sind mehr als 1300 Schiffe in der Nordsee versunken. Gekentert im Sturm, abgeschossen im Krieg, festgefahren auf einem Riff. Von solchen Unglücken erzählt eine Karte des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie.

Baustelle des Windparks BARD Offshore 1 in der Nordsee. Moderne Offshore-Kraftwerke bedrohen historische Schiffswracks am Meeresgrund. (Foto: dpa)

Welche Schätze auf all diesen Schiffen verborgen sind, hat bisher niemand erzählt.

Geht es nach dem Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven, könnten viele der verschollenen Boote schon bald ihren Namen zurückbekommen - und ihre Geschichte. Denn das Museum hat den Auftrag erhalten, die Meeresböden der Nordsee zu erforschen. Knapp 700 000 Euro werden in den nächsten drei Jahren aus der Hauptstadt gen Küste fließen. Auftraggeber ist das Bundesforschungsministerium aus Berlin. Mit Bundesmitteln sollen Forscher nach historischen Wracks suchen und diese dokumentieren. "Die Nordsee ist ein einzigartiges Bodenarchiv", sagt die Direktorin des Schiffahrtsmuseums, Ursula Warnke. Zu Jahresbeginn hatte die 49-Jährige die Fördergelder beantragt. Nun wollen sie und ihr Team schnellstmöglich loslegen.

Lange hatte es für die Schatzsuche keinen Grund zur Eile gegeben, nun drängt die Zeit. Das liegt an den neuen Windparks. Schon bald sollen Hunderte Windmühlen auf hoher See errichtet werden und Strom erzeugen. 21 Parks sind in der Nordsee bereits genehmigt. Riesige Flächen, von denen fast alle erst auf dem Papier existieren. Ihretwegen sorgen sich die Forscher um die Unterwasser-Schätze. "Keiner weiß, ob beim Bau von Parks archäologische Substanz zerstört wird", sagt Warnke. Das sieht man auch im Forschungsministerium so: Weil die Nordsee immer intensiver genutzt würde, seien die Gefahren für das Kulturgut enorm, sagt ein Sprecher.

Doch nicht nur die Wracks locken die Archäologen. Sie suchen auch nach Spuren aus der mittleren Steinzeit. Denn wo heute Wasser flutet, war vor gut 10 000 Jahren das Doggerland. Es verband das europäische Festland mit Großbritannien, hier lebten Menschen in kleinen Siedlungen. Ihre Überreste müssten sich - gut geschützt - tief im Meeresboden befinden, vermuten Forscher. Der Grund: Die Sedimente haben alles überlagert und die Reste konserviert. Denn unter den Ablagerungen gibt es keinen Sauerstoff und damit keine Bakterien, die organische Substanzen zersetzen könnten. "Das ist wie eine Zeitkapsel", sagt Warnke.

Um Wracks und Siedlerreste zu orten, soll der Meeresgrund mit Spezialgeräten abgetastet werden. Ein Taucher soll die Suche begleiten. Die Ergebnisse könnten auch verwendet werden, wenn es darum geht, neue Bauvorhaben zu genehmigen. Museumsdirektorin Warnke betont, dass sie dann gerne mit den Windpark-Betreibern kooperieren möchte. "Es geht nicht darum, neue Felder zu verhindern."

Tatsächlich könnten sich Parks und Forschung in die Quere kommen. Beide arbeiten auf hoher See, wo das Wasser bis zu 40 Meter tief ist. Denn die Archäologen sollen denjenigen Teil der Nordsee erforschen, der jenseits der Zwölf-Seemeilen-Zone liegt und nicht den Bundesländern zugeordnet ist. Hierher sind auch Windparks verbannt, damit sie vom Land aus nicht zu sehen sind.

Im Beamtendeutsch heißt dieser Part "Ausschließliche Wirtschaftszone". Doch wegen seiner Form wird er Entenschnabel genannt. Was niedlich klingt, ist für viele Schätze eine Gefahr: Kulturgüter im Entenschnabel können nicht geschützt werden, denn dieses Gebiet untersteht der Bundesregierung. Doch der Denkmalschutz ist wiederum Sache der Bundesländer - und die sind nur bis zur Zwölf-Seemeilen-Grenze zuständig.

Solange das niemand ändert, hütet das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie die Kulturgüter auf ganz eigene Weise. Das Amt verheimliche einfach die genauen Positionen aller gesunkenen Schiffe, erklärt eine Sprecherin. "Dann kann kein privater Taucher hinuntergehen und nach Schätzen suchen."

© SZ vom 13.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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