Welthandelskonferenz vor Scheitern:Indien gegen den Rest der Welt

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"Sturmwolken des Scheiterns": EU und USA fürchten, dass die Welthandelskonferenz in Bali floppt. Denn Indien legt sich mit Industrie- und Entwicklungsländern an und blockiert das WTO-Abkommen. Das Land fürchtet den Hunger.

Die Europäische Union und die USA haben vor einem drohenden Misserfolg der Welthandelskonferenz auf Bali gewarnt. "Die Sturmwolken des Scheiterns hängen direkt über uns", sagte EU-Handelskommissar Karel De Gucht am Rande der Verhandlungen über ein Vertragswerk für den globalen Abbau von Handelsbarrieren. Ähnlich äußerte sich bei der Konferenz im Ferienort Nusa Dua auf der indonesischen Insel auch der US-Handelsbeauftragte Michael Froman.

Die Vereinbarung wird vor allem durch Indien blockiert. Ein Scheitern des so genannten Bali-Pakets werde schwerwiegende Folgen für die internationale Gemeinschaft, das Welthandelssystem sowie auch für die Welthandelsorganisation (WTO) selbst haben, warnte De Gucht. "Es würde die Grundlage der WTO erschüttern, und man kann schwer vorhersagen, was dann noch von ihr übrig bleiben wird." Zudem würden die Menschen in den ärmsten Ländern am meisten leiden, wenn es nicht endlich gelinge, ein multilaterales Regelwerk für den globalen Handel auf den Weg zu bringen.

Zuvor hatte Indien alle Appelle von außen ignoriert und deutlich gemacht, dass es das Bali-Paket weiter blockieren will. Die Regierung will die vorgesehene Befristung staatlicher Agrarsubventionen zum Aufbau von Nahrungsmittelreserven auf vier Jahre nicht akzeptieren. "Für Indien ist Nahrungsmittelsicherheit nicht verhandelbar", sagte Handelsminister Anand Sharma. Jedes WTO-Abkommen müsse das Grundrecht auf Nahrung berücksichtigen.

Die indische Regierung verlangt eine dauerhafte "Friedensklausel", die andere Staaten daran hindern solle, Indien bei der WTO wegen unerlaubter Subventionen im Agrarbereich zu verklagen. Die USA und die EU, aber auch Entwicklungsländer wie Pakistan und Thailand lehnen dies ab. Sie bestehen darauf, dass solche Ausnahmen nur befristet gewährt werden.

"Lähmender Schlag für die WTO"

Das Vertragswerk soll Agrarsubventionen abbauen, Zollabwicklung vereinfachen und Exportmöglichkeiten für Entwicklungsländer verbessern. Experten zufolge könnten damit Wachstumsimpulse im Umfang von bis zu einer Billion US-Dollar erreicht werden. Zudem soll es durch das Bali-Paket ermöglicht werden, die seit Jahren stagnierende Doha-Welthandelsrunde der WTO wiederzubeleben. Gegner des Freihandels kritisieren, dass reichere Staaten und multinationale Konzerne von ihm überproportional profitieren, auf Kosten der Ärmsten.

Der US-Handelsbeauftragte Froman erklärte, ein Misserfolg wäre "ein lähmender Schlag für die WTO als Forum multilateraler Verhandlungen". Ohne Indien namentlich zu nennen sagte Froman, keines der 159 WTO-Mitgliedsländer könne alles bekommen, was es wolle. Auch die USA hätten bei den wochenlangen Vorverhandlungen über das Bali-Paket in Genf immer wieder Kompromisse akzeptiert.

Weitere Versuche zur Überbrückung der Differenzen wollten die Handelsminister und anderen Regierungsvertreter der WTO-Staaten am Mittwoch und Donnerstag hinter verschlossenen Türen unternehmen. WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo rief alle Regierungen auf, den politischen Willen zu einer Einigung aufzubringen. Eine Neuerung wurde immerhin beschlossen: Der Jemen wurde am Mittwoch als 160. Mitgliedsstaat in die 1995 gegründete Organisation aufgenommen.

© Süddeutsche.de/dpa/mahu/jab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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