Wahlen in Italien:Land im Koma

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Nur noch eine Witzfigur? Politiker aus aller Welt warnen ungewohnt offen davor, Silvio Berlusconi bei der Wahl zum neuen italienischen Parlament die Stimme zu geben (Foto: Bloomberg)

Wenn die Italiener kommende Woche ein neues Parlament wählen, steht viel auf dem Spiel: nicht allein das Aufbäumen gegen den Niedergang, sondern auch die Zukunft des Euro. Wie kann eine neue Regierung diesen Herausforderungen begegnen? Der Abstieg des Landes geht unvermindert weiter - ökonomisch, moralisch und gesellschaftlich.

Ein Kommentar von Ulrike Sauer

So viel Einklang herrschte in Europa lange nicht mehr. Konservative und Progressive, Nord- und Südländer, alle eint die Angst vor der Rückkehr Berlusconis. Ohne Scheu vor Einmischung rät Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble den Italienern, "nicht den Fehler zu wiederholen, ihn zu wählen". Im Weißen Haus ließ sich US-Präsident Barack Obama ausführlich von Staatspräsident Giorgio Napolitano über den Wahlkampf unterrichten. In Italien steht viel auf dem Spiel: Nicht allein das Aufbäumen gegen den eigenen Niedergang. Sondern eben auch die Zukunft des Euros. Und mit ihr das Wachstum und der Wohlstand des Kontinents.

Leider ist die Verfassung, in der die Italiener am kommenden Sonntag und Montag ihre neue Regierung wählen, einer verantwortungsvollen Entscheidung abkömmlich. Die Professorenregierung von Mario Monti hat in den zurückliegenden 13 Monaten ihre vordringliche Aufgabe erfüllt: Sie hat die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone vom Abgrund der Staatspleite gezerrt. Die Notoperation ist gelungen. Doch der Patient erwachte nicht aus dem Koma. Der Abstieg Italiens ist ungebremst - ökonomisch, moralisch und gesellschaftlich.

Kann dieses Italien wirklich saniert werden?

Verkannt werden in Europa das Ausmaß und das Gefahrenpotenzial dieses Abstiegs. Um der Schuldenmisere zu entkommen, fehlt dem Land die Kraft. Glaubt jemand im Ernst, dass das heruntergewirtschaftete Italien den Fiskalpakt erfüllen kann? Und bis 2015 150 Milliarden Euro Schulden abbaut? Nicht nur im italienischen Wahlkampf hüllt man darum einen Mantel des Schweigens.

Die ambivalente Bilanz der Monti-Ära kann nicht überraschen. Die Erwartungen waren zu hoch, die Zeit zu kurz, seine Macht obendrein limitiert. So wird nun in einer Woche gewählt in einem Land, in dem der soziale Fahrstuhl nach unten rast. Der Wohlstand fiel auf das Niveau vor 27 Jahren. Italiens Wirtschaftskraft hat seit der Gründung des Euro abgenommen - einmalig in Europa. Die Steuerlast stieg auf 55 Prozent. Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit des Landes kostet die Unternehmen jährlich 70 Milliarden Euro Umsatzeinbußen.

Und nun weiter so im alten Krisenmodus der rigiden Sparpolitik? Es widerspräche der ökonomischen Vernunft. Auch wenn das italienische Wahlsystem unberechenbar ist, so scheint ein Sieg Berlusconis unwahrscheinlich. Das Problem ist ein anderes. Fast 40 Prozent der Italiener wollen den Umfragen zufolge ihre Stimme anti-europäischen Gruppierungen geben. Das ist im traditionell europafreundlichen Italien ungeheuerlich.

Die besten Chancen hat der, der am lautesten brüllt

In ihrer Hetze gegen den Euro nehmen sich der ums politische Überleben kämpfende Berlusconi und der Komiker Beppe Grillo nichts. Wer heute am lautesten brüllt, hat morgen die größten Chancen das römische Parlament zu lähmen. Einfach wird es nicht, angesichts dieses Populismus eine Regierung zu bilden. Dennoch gibt es Hoffnung, dass Italiens Sozialdemokraten mit der Unterstützung der Liste Monti eine Koalition auf die Beine stellen.

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Von Andrea Bachstein, Rom

Was ist dann von Pier Luigi Bersani als Nachfolger des Professors auf dem Sessel des Ministerpräsidenten zu erwarten? Er ist ein Pragmatiker. Dass Italien die Verpflichtungen gegenüber der EU nachkommen muss, ist keine Frage. Differenzen zu Monti gibt es bei der Antwort auf die Frage, wie Italien den Niedergang stoppen soll. Für Bersani haben eine aktive Beschäftigungs- und Wachstumspolitik Vorrang. Doch er ist auch ein Reformer. Er war Industrieminister in der Regierung von Romano Prodi. Da sorgte der Sozialdemokrat zwischen 2006 bis 2008 für einen Liberalisierungsschub.

Monti drischt auf den Falschen ein

Monti, der als Spitzenkandidat einer schwachen Wahlliste in die politische Arena gestiegen ist, um seine Reform-Agenda zu retten, kanzelt Bersani im Wahlkampf brüsk ab. Besonders energisch drischt der scheidende Premier auf Apuliens Regionalgouverneur Nichi Vendola ein, der linke Bündnispartner von Bersani. Der schwule Katholik hat auf Innovation gesetzt und seine Region vorangebracht. Da ist zu wünschen, dass Montis Angriffe vor allem Wahltaktik sind.

Es stimmt: Italiens Linke hat zuletzt unter Prodi eine peinliche Vorstellung gegeben. Und ihr Reformanlauf blieb rasch stecken - die Regierung stürzte nach 18 Monaten. Doch das heutige Bündnis ist mit der heterogenen Koalition Prodis nicht zu vergleichen. Und der enorme Druck, der auf der Regierung in Rom liegen wird, erst recht nicht.

© Süddeutsche Zeitung vom 18.2.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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