Vorwerk:Thermomix soll Amerikaner in die Küche holen

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Bislang hatte die US-Firma Kitchen Aid Europas Küchen erobert, nun kommt Vorwerk mit seinem Thermomix nach Amerika. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)
  • Vorwerk will mit dem Thermomix den US-Markt erobern.
  • In anderen Ländern ist das Gerät trotz des hohen Preises sehr erfolgreich.

Von Johanna Bruckner, New York

Wenn in den USA ein 1450 Dollar teures Küchengerät für Begeisterung sorgt, ist das zumindest bemerkenswert. Es geht schließlich um das Land von Fast Food und Mikrowellen-Fertiggerichten. Wer es sich leisten kann, wärmt dort nicht mehr auf, sondern lässt liefern. Bestelldienste wie Uber Eats, Caviar oder Postmates boomen. Über Grubhub und Seamless, zwei der derzeit beliebtesten Food-Apps (mittlerweile in gleicher Hand), werden täglich 324 000 Gerichte ausgefahren.

In dieses kulinarische Klima platzt ein deutsches Wunderding: "Thermomix, the magical German do-it-all kitchen appliance, is here to conquer America", betitelte das Portal Quartz eine Geschichte über das Erfolgsprodukt aus dem Hause Vorwerk. Daraus spricht Bewunderung - und vielleicht auch ein bisschen Angst vor dem Hype um ein Gerät aus weißem Plastik und Edelstahl, das trotz aller Bemühungen der Produktdesigner weniger Ähnlichkeit mit einem Apple-Gadget hat, als mit einer, nun ja, Küchenmaschine eben. Bislang lief die Markteroberung meist umgekehrt ab: Wer selbst keine quietschbunte Kitchen Aid zu Hause hat, ist dem amerikanischen Küchen-Kultobjekt mit großer Wahrscheinlichkeit im Kaufhaus begegnet. Aufgereiht nach den Farben des Regenbogens.

Jetzt soll also ein deutsches Gerät, das so viel kostet wie ein Familienurlaub, Begehrlichkeiten bei der Nation der Kochmuffel wecken. Die Autorin des Quartz-Artikels verweist auf den internationalen Erfolg: In Australien werde das Gerät liebevoll "Bimby" oder auch "Thermy" (wahlweise mit "i") genannt, und in Portugal finde der Thermomix reißenden Absatz - trotz Wirtschaftskrise und eines Kaufpreises, der doppelt so hoch liege wie der monatliche Mindestlohn.

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TM5 ist schon mit Fokus auf den US-Markt konzipiert worden

Ehrfürchtig erstaunt berichtet sie den Lesern von Stefanie Holtz, der "Thermifee", die es mit fast 500 Thermomix-Koch-Videos zum Youtube-Star geschafft habe. In 13 Ländern ist der Thermomix bereits erhältlich. Da stellt sich berechtigterweise die Frage: Warum hat es so lange gedauert, bis der Hersteller entschied, die USA zu erobern?

2014 brachte Vorwerk das aktuelle Modell heraus, den "TM5" - ganze zehn Jahre nach dem Vorgängermodell. Drei Millionen Geräte wurden seitdem weltweit verkauft. Der Thermomix ist mittlerweile das wichtigste Geschäftsfeld des Unternehmens.

Der "TM5" war mit Fokus auf die für den US-Markt nötigen Zertifikate konzipiert worden und erfüllt die speziellen Anforderungen in Bezug auf die elektrische Spannung. Seit vergangenem September ist der "TM5" nun auch in Amerika erhältlich. 25 Mitarbeiter arbeiten im Headquarter in Thousand Oaks, Kalifornien, daran, die Erfolgsgeschichte fortzuschreiben.

Bei der Vermarktung bleibt sich Vorwerk treu: Der "TM5" ist weder in Geschäften, noch online erhältlich, sondern nur auf Verkaufspartys. Veranstaltet werden die, wie in Deutschland, von freiwilligen Markenbotschaftern: Hobbyköchen und -köchinnen, die auf den Thermomix als unentbehrliche Koch- und Küchenhilfe schwören. Das schafft im besten Fall Glaubwürdigkeit und eine emotionale Bindung ans Gerät. Auf Werbung verzichtet das 1883 gegründete Unternehmen komplett - auch in den USA: Es gibt keine riesigen Billboards, auf denen damit geworben wird, dass der "TM5" Gemüse dampfgaren, Teig kneten und Getreide fein mahlen kann.

Mit dem nötigen Zubehör - das noch einmal extra kostet - lässt sich die Küchenmaschine außerdem internetfähig machen. Wer sein Lieblingsrezept nachkochen möchte, muss also nicht mehr das Leben seines Tablets in der Küche riskieren, sondern kann die Kochanleitung via Wlan einfach an den Thermomix schicken.

Neun Milliarden Dollar für Küchengeräte

Das verspricht zumindest die Unternehmenswebsite. "Smart Cooking" ist das Schlagwort - es könnte der Schlüssel für den US-Markt sein. Denn, so schreibt Quartz-Autorin Jenni Avins: "Wir Amerikaner mögen eine komplizierte Beziehung zum Kochen haben, aber wir haben eine Schwäche für Küchengeräte. Wenn es um innovative Technologie, Statussymbole und kultig verehrte Designobjekte geht, gibt es keinen Ort, der es mit einer gut ausgestatteten amerikanischen Küche aufnehmen kann."

Neun Milliarden Dollar gaben ihre Landsleute 2016 für Küchengeräte aus, Großgeräte wie Kühlschränke nicht eingerechnet. Beim Amazon Prime Day, einer Promo-Aktion des Onlinehändlers, war der "Instant Pot", ein Schnellkochtopf aus Kanada, schon zum zweiten Mal in Folge das meistverkaufte Produkt. Regulär kostet er 130 Dollar - im Vergleich zum "TM5" ein Schnäppchen. Bei Vorwerk in Wuppertal ist man dennoch optimistisch: Der Umsatz in den USA steige stetig, bald soll ein zweistelliger Millionenbetrag erreicht werden.

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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