Utopie vom Börsengang:Die Pannen-Bahn

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Sympathisch und verlässlich wollte die Bahn sein, nun hagelt es Pannen und der Börsengang rückt in weite Ferne. Konzernchef Grube muss die Fehler seines Vorgängers ausbügeln.

Daniela Kuhr

Bahnfahrer schütteln allmählich nur noch den Kopf. Seit Monaten überrascht das Unternehmen seine Kunden mit immer neuen schlechten Nachrichten. ICE-Achsen bereiten Probleme, Wagen entgleisen, Schneeflocken beschädigen die Elektronik. Züge fahren nur noch in halber Länge, wahlweise sind Klimaanlagen oder Toiletten defekt. Schlampereien bei der Berliner S-Bahn, marode Gleise, übermüdete Lokführer. Bei einigen Verbindungen setzt die Bahn Intercity-Züge statt ICEs ein. Auf der Strecke nach Paris müssen jetzt sogar französische TGV-Hochgeschwindigkeitszüge aushelfen, weil die Bahn alle ICEs im Inland braucht. Was für ein Armutszeugnis für ein Unternehmen, das sich rühmt, ein führender Mobilitätskonzern zu sein.

Marode Gleise, defekte Züge - Probleme hat die Bahn genug. Konzernchef Grube muss die Fehler der Vergangenheit ausbügeln. (Foto: Foto: ddp)

Dabei sollte doch eigentlich alles besser werden. Als Bahn-Chef Rüdiger Grube im vergangenen Mai sein Amt antrat, waren daran große Erwartungen geknüpft. Grube versprach, die Bahn zu einem sympathischen Unternehmen zu machen. Er wollte verlässlichen Service und Qualität bieten. Bislang ist davon nicht viel zu spüren. Im Gegenteil.

Zwar bemüht sich das Management. Es entwirft Notfahrpläne, fährt Sonderschichten in den Werkstätten, entschuldigt sich und verweist auf den harten Winter, doch was interessiert das den Kunden? Er sieht nur, was rauskommt. Und das sind: chaotische Zustände und verspätete, überfüllte Züge. In diesen Tagen überlegt sich so manch einer zweimal, ob er mit der Bahn fährt.

Konzernchef Grube sieht die Hauptschuld bei den Zugherstellern. Sie hätten mangelhafte Züge geliefert. Das aber ist nur die halbe Wahrheit. Zwar stimmt es, dass die Züge Materialfehler aufweisen, dass sie deshalb häufiger gewartet werden müssen, und dass wegen des Winters die Wartung länger dauert als normalerweise, weil die Wagen erst umständlich enteist werden müssen. Doch dass deswegen gleich alles zusammenbricht, das ist einzig und allein Schuld der Bahn. Es ist das Ergebnis einer jahrelangen verfehlten Unternehmenspolitik.

Unter dem früheren Vorstandschef Hartmut Mehdorn gab es für die Bahn ein Ziel, dem alles andere untergeordnet wurde: der Börsengang. Und dafür musste aus dem schwerfälligen Staatskonzern ein modernes, schlankes Unternehmen werden. Schrittweise wurde die Zahl der Mitarbeiter reduziert, Abläufe wurden gestrafft, Werkstätten geschlossen, Aufträge an billigere Subunternehmer vergeben. Der Bau von neuen Strecken erfolgte nicht nach ihrer verkehrspolitischen Dringlichkeit, sondern nach dem damit verbundenen Prestige. Die Bahn wollte ein Unternehmen, um das Investoren sich reißen. Und deshalb war die Devise: Kosten runter, Rendite rauf.

Zwar ging der Sparkurs nicht so weit, dass die Bahn absichtlich mangelhafte Züge bestellte, aber sie bestellte weniger. Nicht an der Sicherheit wurde gespart, aber an der Zahl. Wenn jetzt einzelne Züge ausfallen, sei es wegen Schnee oder wegen Achsproblemen, dann stehen kaum Ersatzzüge bereit. Und deshalb bricht sofort Chaos aus. Erschwert wird das Problem, weil die reduzierte Zahl an Mitarbeitern in der reduzierten Zahl an Werkstätten kaum noch hinterherkommt mit der Wartung. All das sind Probleme, für die nicht die Hersteller verantwortlich sind, sondern die Bahn.

In einigen Punkten hat Grube den Kurs seines Vorgängers bereits korrigiert. Bei der Berliner S-Bahn beispielsweise gibt es keine Sparvorgaben mehr. Werkstätten wurden wieder eröffnet und die Zahl der Mitarbeiter erhöht, die mit der Wartung befasst sind. Auch bei den ICEs arbeitet die Bahn angestrengt an einer Lösung der Probleme. Zudem will sie 300 neue Züge kaufen als Ersatz für die Intercity-Flotte und einige ICEs. Das kostet viel Geld, doch die Ausgaben sind unvermeidbar.

Momentan ist an einen Börsengang ohnehin nicht zu denken. Nicht nur wegen der Finanzkrise ist er in weite Ferne gerückt. Selbst wenn die Krise morgen vorbei wäre, hätte die Bahn in ihrem jetzigen Zustand an der Börse keine Chance. Wer wollte schon Aktien eines Unternehmens kaufen, bei dem er täglich mit neuen Pannen rechnen muss?

© SZ vom 26.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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