Urteil:Jetzt gibt's was auf die Ohren

Lesezeit: 2 min

Genervte Bewohner können nicht einfach so die Miete wegen Kindergeschrei vom benachbarten Bolzplatz mindern.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Ansprüchen von Mietern auf eine Herabsetzung ihrer Mietzahlungen wegen Lärmbelästigung aus der Nachbarschaft deutliche Grenzen gesetzt. Nach einem am Mittwoch verkündeten Grundsatzurteil können sich Mieter in aller Regel nicht mehr darauf berufen, beim Einzug sei stillschweigend vereinbart worden, sie seien gegen eine nachträgliche Zunahme des Lärms geschützt und könnten sich dafür beim Vermieter schadlos halten.

Im konkreten Fall ging es um einen Bolzplatz, 20 Meter neben der Terrasse einer Hamburger Mietwohnung. Die betroffenen Anwohner hatten ihre Miete um 20 Prozent reduziert. Beim Einzug im Jahr 1993 hätten sie nicht damit rechnen müssen , dass im Jahr 2010 dort ein Bolzplatz errichtet würde, lautete ihr Argument. Das Landgericht Hamburg hatte ihnen teilweise recht gegeben und eine Minderung um zehn Prozent akzeptiert. Und zwar deswegen, weil dort auch außerhalb der erlaubten Zeiten - nach 18 Uhr und am Wochenende - gebolzt worden sei. Der BGH indes hob das Urteil auf und verwies es zur neuen Verhandlung an das Landgericht zurück (Az: VIII ZR 197/14).

Wo ist das Tor? Wenn Kinder kicken, wird' s auch mal lauter. (Foto: Jakob Michael Berr)

Viele Gerichte waren in der Vergangenheit davon ausgegangen, eine Zunahme der Geräuschimmissionen im Laufe des Mietverhältnisses könne im Nachhinein einen "Mangel" der Mietwohnung begründen und berechtige daher zur Minderung der Miete - und zwar auch dann, wenn der Vermieter darauf keinen Einfluss hat. Der Mietrechtssenat des BGH unter Vorsitz von Karin Milger hat nun einen Schlussstrich unter diese Rechtsprechung gezogen. Danach lässt sich im Normalfall kein solches Verschlechterungsverbot aus einem Mietvertrag herauslesen, es sei denn, es ist ausdrücklich vereinbart. Nur wenn die Belästigung so erheblich ist, dass der Vermieter seinerseits einen Anspruch gegen den Störenfried hat, kann auch der Mieter mit einer Reduzierung seiner Zahlungen reagieren. Für eine Verschlechterung der Lärmsituation, wie sie namentlich in Städten zu erwarten ist, muss der Vermieter dem BGH zufolge dagegen nicht einstehen. Der Mieter könne vom Vermieter nichts "Unmögliches" verlangen, befand der BGH.

Gegen Kinderlärm, so machte das Gericht deutlich, können sich Anwohner damit normalerweise nicht zur Wehr setzen. Das ist in Paragraf 22 des Bundesimmissionsschutzgesetzes geregelt - Milger übersetzte die Vorschrift mit der Formulierung "Kinderlärm ist Musik". Diese Privilegierung für Kinder habe Bedeutung auch für Mietverhältnisse. Die Hamburger Mieter hatten freilich geltend gemacht, die wahren Übeltäter seien gar nicht Kinder, sondern Jugendliche und junge Erwachsene gewesen, die außerhalb der Bolzzeiten gekickt hätten. Für sie gelte der kinderfreundliche Paragraf nicht. Sollten sie dies im weiteren Verfahren nachweisen können, ist ein Anspruch auf Mietminderung theoretisch denkbar - vorausgesetzt, der Lärm ist so massiv, dass er nicht mehr als "ortsüblich" hinzunehmen ist. Die Hürden dafür dürften freilich hoch sein.

Das BGH-Urteil dürfte Bedeutung weit über das Thema Kinderlärm hinaus auch für sonstige Veränderungen im Wohnumfeld haben. Auch Baustellen und neue Straßen, Verkehrszunahme und dichtere Bebauung können den Geräuschpegel deutlich anheben.

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: