Unternehmer Falke:"Strümpfe stricken können viele auf der Welt"

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Die Strumpffabrikanten Franz-Peter und Paul Falke jetten am Wochenende um die Welt. Produziert wird im beschaulichen Sauerland.

H. Einecke

Paul, 51, und Franz-Peter Falke, 58, sind Vettern. Im sauerländischen Schmallenberg machen sie vor, wie man auch noch in Deutschland Textilien herstellen kann. In ihrem Fall sind das vornehmlich Strümpfe, aber mittlerweile auch Wäsche und Sportbekleidung. Die Herren geben sich bescheiden, pochen auf Tugenden wie Fleiß, Anstand und Erfindungsgeist.

SZ: Herr Falke, wie bringen Sie die Menschen dazu, mehr als zehn Euro für ein Paar Strümpfe auszugeben, die in Hosenbeinen und Schuhen verschwinden?

Franz-Peter Falke: Socken sind keine Gebrauchsartikel, sondern modische Accessoires und essentiell für das menschliche Wohlbefinden.

SZ: Was unterscheidet Ihr Produkt von der billigeren Importware?

Paul Falke: Material, Verarbeitung, Komfort, längere Haltbarkeit. Wir setzen uns intensiv mit der Anatomie der Menschen auseinander, stellen auf die Funktion ab, wie bei den Sportsocken. Wir haben unsere Marke über Jahrzehnte aufgebaut. 90 Prozent der Deutschen verbinden unseren Namen mit Beinbekleidung und Fortschrittlichkeit.

SZ: Ihre Maschinen in Schmallenberg laufen in drei Schichten rund um die Uhr. Ziehen Ihre Leute und der Betriebsrat da mit?

Franz-Peter Falke: Die sind oft bessere Unternehmer als wir selbst. Der Betriebsrat gibt uns gute Tipps. Viele Mitarbeiter arbeiten in der dritten oder vierten Generation bei uns.

SZ: Der Textil-Unternehmer Grupp wirbt offensiv mit seiner Trigema-Fertigung in Deutschland. Warum tun Sie das nicht?

Paul Falke: Wir werben nicht mit dem Argument, dass man Arbeitsplätze in Deutschland erhält. Unsere Marke ist international. Wir machen 40 Prozent unseres Geschäfts außerhalb Deutschlands, vor allem in Europa.

SZ: Also kein Stolz auf Deutschland?

Franz-Peter Falke: Doch, natürlich. Aber wir haben eine andere Philosophie. Wir sind Qualitätsfanatiker, Innovation wird bei uns groß geschrieben. Wir wollen mehr sein als reine Strumpfstricker, nämlich Teil des Modemilieus.

SZ: Wie laufen die Geschäfte?

Franz-Peter Falke: Wir klagen auf hohem Niveau.

SZ: Macht Ihnen die Wirtschaftskrise nicht zu schaffen?

Franz-Peter Falke: Nein. Offensichtlich bietet unser Produkt ein vernünftiges Verhältnis zwischen Preis und Leistung.

SZ: Sie verkaufen auch in erheblichem Maß über Warenhäuser, die gerade vom Aussterben bedroht sind. Haben Sie alternative Vertriebswege?

Paul Falke: Wir sehen die gegenwärtigen Probleme bei Arcandor mit Sorge, obwohl unsere Geschäfte dort nicht darunter gelitten haben. Warenhäuser mit guten Konzepten haben ganz sicher eine Zukunft und sind für die Innenstädte unverzichtbar. Der Verkauf via Internet entwickelt sich auf kleinem Niveau sehr positiv und es gibt sehr vielversprechende neue Einzelhandelskonzepte, die den Marken-Accessoire-Verkauf fördern.

SZ: Wer kauft denn Socken über das Internet?

Paul Falke: Eilige Leute!

SZ: Die Textilindustrie ist weitgehend aus Deutschland verschwunden. Aber Sie beschäftigen an Ihrem Stammsitz in Schmallenberg im Sauerland, sowie in Thüringen und Sachsen 1200 Mitarbeiter, also die Hälfte Ihrer Belegschaft.

Franz-Peter Falke: Lohnkosten sind nur ein Aspekt. Wir haben alle Arbeitsschritte hier belassen, die mehr Know-how und Kapital erfordern. Was arbeits- und lohnintensiv ist, haben wir über Europa verteilt. Wir wollen möglichst nah am Markt und Verbraucher und schnell lieferfähig sein. Das setzt eine ausgefuchste Logistik voraus.

SZ: Was war Ihre letzte Innovation?

Paul Falke: Die Zweikomponententechnologie, sie beruht auf dem System, in der Fußsohle ein völlig anderes Material verarbeiten zu können im Vergleich zum Schaft. Es ermöglicht im Sockenaufbau, den Fuß gezielt mit einem Feuchte aufnehmenden und klimaausgleichenden Material, zum Beispiel Wolle oder aber auch Kaschmir, zu stricken. Der Schaft kann durch die vollständige Trennung der beiden Materialien feinere Garne, zum Beispiel mercerisierte Baumwolle erhalten. Wir übertragen damit einen Erfolg aus dem Sportbereich auf den normalen Strumpf. Dazu gehört auch, linke und rechte Füße getrennt zu versorgen. Das ist kein Marketing-Gag.

SZ: Wie erklären Sie sich, dass Sie Ihren einstigen Konkurrenten Kunert deutlich abgehängt haben?

Franz-Peter Falke: Wir haben eine klare Vorstellung davon, was wir anbieten wollen.

SZ: Und das wäre?

Franz-Peter Falke: Moderne Bekleidung für moderne Menschen.

SZ: Wollen Sie durch Übernahmen wachsen?

Paul Falke: Wir haben bereits die Marke Burlington gekauft. Das ist unsere Zweitmarke, die zum Unternehmen passt und nicht mit ihm rivalisiert.

SZ: Warum übernehmen Sie nicht Kunert?

Franz-Peter Falke: Weil wir uns auf unsere zwei Marken konzentrieren. Ohnehin wird bei Firmenübernahmen selten aus eins und eins zwei.

SZ: Sie beide verbringen die Wochenenden vorzugsweise in Paris, London oder New York. Wie verträgt sich ein kosmopolitischer Lebensstil mit einer Produktion im Sauerland?

Franz-Peter Falke: Das bedingt sich. Die Lifestyle-Welt findet nicht in Schmallenberg statt. In der Mode muss man die Antennen weit über das Sauerland hinaus ausrichten, um dort mental zu Hause zu sein. Das ist ein Aspekt unseres Erfolges. Strümpfe stricken können viele Menschen und Unternehmen auf der Welt.

SZ: Wie führen zwei Chefs ein Unternehmen, die auch noch Vettern sind?

Paul Falke: Das fragen wir uns auch. Bisher ist es gut gegangen. Wir machen alles zusammen. Anders als unsere Väter teilen wir uns aber kein gemeinsames Büro. Die wichtigen Entscheidungen treffen wir zusammen.

SZ: Stecken Sie denn das Geld, das Sie verdienen, wieder in Ihr Unternehmen?

Franz-Peter Falke: Selbstverständlich. Andere Unternehmen sind börsennotiert, jagen ihren Vierteljahresberichten hinterher, oder gehören Private Equity-Firmen, die andere Forderungen stellen. Das scheint nicht förderlich zu sein. Wir sind in unserem Bereich das letzte private Unternehmen.

SZ: Haben es Familienunternehmen leichter als börsennotierte Gesellschaften?

Paul Falke: Das ist eine Frage der Struktur. Wir sind zu zweit, und uns gehört das gesamte Unternehmen. Andere haben viele Gesellschafter. Familienunternehmen wirtschaften sicher nachhaltiger und weniger riskant.

SZ: Es gibt genügend Gegenbeispiele, etwa Maria-Elisabeth Schaeffler oder Ferdinand Piëch.

Franz-Peter Falke: Das Gros der Familienunternehmen begeht kein Harakiri. Aus unserer Sicht handeln die meisten Unternehmen verantwortungsvoll, was die deutsche Volkswirtschaft auch resistent gegen die Wirtschaftskrise macht.

SZ: Wie halten Sie es mit Moral und den Grundsätzen ehrbarer Kaufleute?

Paul Falke: Wir staunen darüber, dass einige Firmen neuerdings zu Papier bringen, was für uns selbstverständlich ist. Diese Firmen müssen zur Normalität zurückkommen.

SZ: Welche Wünsche haben Sie an die neue Regierung?

Franz-Peter Falke: Der Staat sollte kein Vormund sein, mehr Ordnungspolitik betreiben, für einen fairen Wettbewerb sorgen. Bitte keine Abwrack-Prämie, Opel-Hilfe oder Eingriffe in die Tarifautonomie mehr. Das Steuersystem muss einfacher werden, Arbeit soll sich lohnen.

SZ: Das klingt, als müssten Sie mit dem Wahlergebnis zufrieden sein.

Paul Falke: Sind wir auch.

© SZ vom 15.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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