Umbau im EZB-Direktorium:Wer künftig über den Euro wacht

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Der Machtkampf in Frankfurt ist zu Ende: Die EZB besetzt wichtige Positionen im Direktorium neu. Chefvolkswirt wird der Belgier Praet - dabei hatten sich sowohl der Deutsche Asmussen als auch der Franzose Cœuré Hoffnungen gemacht. Warum ist diese Personalie so wesentlich für den Euro? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Bastian Brinkmann und Jannis Brühl

Aus Frust über die Geldpolitik hatte Jürgen Stark vor wenigen Monaten hingeworfen und war von seinem Posten als Chefvolkswirt im Direktorium des Europäischen Zentralbank (EZB) zurückgetreten. Als neuer Vertreter Deutschlands rückte Jörg Asmussen in das Gremium nach. Den Posten, für den er lange Zeit gehandelt wurde, erhält jedoch ein anderer: Neuer Chefökonom ist der Belgier Peter Praet. Er ist der erste Nicht-Deutsche, der dieses Amt seit Bestehen der EZB ausfüllt. Asmussen wird stattdessen für internationale Beziehungen zuständig sein. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Machtpoker in Frankfurt.

Beamter mit besten Kontakten: Jörg Asmussen wird bei der Europäischen Zentralbank künftig für internationale Beziehungen zuständig sein. (Foto: dapd)

Wer sind die drei neuen EZB-Mächtigen?

Der Belgier Peter Praet ist der neue Chefvolkswirt der EZB. Er hatte im Sommer die Österreicherin Gertrude Tumpel-Gugerell im sechsköpfigen Direktorium ersetzt. Als Sohn einer Deutschen und eines belgischen Militärarztes wurde er im Dorf Herchen zwischen Westerwald und Bergischem Land geboren, später zog er nach Belgien. Er gilt als überzeugter Europäer, spricht Flämisch, Französisch, Englisch und ein bisschen Deutsch. In der Welt der europäischen Notenbanken ist er bestens vernetzt, weil er sämtliche Etappen auf dem Weg zur Währungsunion als Beobachter, Berater oder Macher begleitet hat. Er war Chefökonom der Fortis Bank, Professor an der Freien Universität Brüssel und Volkswirt beim Internationalen Währungsfonds IWF.

Für die Marktabteilung der Notenbank ist nun Benoît Cœuré zuständig. Dort wird er nicht nur die Käufe von Staatsanleihen managen, mit denen die EZB versucht, die überschuldeten Staaten zu stützen, sondern auch die Banken mit Geld versorgen. Cœuré hatte zuvor für die französische Statistikbehörde Insee und das Finanzministerium gearbeitet. Er war aber nicht nur Staatsdiener, sondern auch Wissenschaftler. Er lehrt in Paris und hat sieben Bücher sowie unzählige Aufsätze geschrieben, mit Titeln wie "Der schmale Weg zu einer einzigen asiatischen Währung: Lektionen aus optimalen Währungsgebieten und dem Euro."

Im Gegensatz zu dem Theoretiker Cœuré ist Jörg Asmussen ein Karrierebeamter. Seit 1996 saß er im Bundesfinanzministerium und war dort Diener vieler Herren - trotz SPD-Parteibuchs: Unter dem CSU-Mann Theo Waigel war er Referent. Nach dem rot-grünen Machtwechsel 1998 sah er drei sozialdemokratische Finanzminister kommen und gehen: Oskar Lafontaine, Hans Eichel und Peer Steinbrück. Sogar CDU-Mann Schäuble übernahm ihn nach dem schwarz-gelben Wahlsieg 2009. Wegen seiner Rolle im Vorfeld der Finanzkrise geriet Asmussen in die Kritik: Seit 2003 setzte er sich für die Liberalisierung forderungsbesicherter Wertpapiere ein - jener Papiere also, zu denen auch die Subprime-Bonds aus Hypotheken gehörten, durch die die Finanzkrise mitausgelöst wurde.

Wie trifft die EZB ihre Entscheidungen?

Das wichtigste Gremium der EZB ist das Direktorium. Darin sitzen neben Präsident und Vizepräsident vier weitere Mitglieder mit Spezialaufgaben wie Chefvolkswirt, Internationale Kontakte oder der Leiter der Marktabteilung, der sich derzeit unter anderem um die umstrittenen Staatsanleihenkäufe kümmert. Um diese Posten geht es derzeit, das Direktorium verteilt sie selbst. Dabei hat EZB-Präsident Mario Draghi ein Veto-Recht. In diesem Gremium sind Asmussen und Cœuré schon seit Ende 2011. Gesandt hatte sie dorthin der Europäische Rat, in dem die Regierungen der EU-Staaten mit qualifizierter Mehrheit über die Kandidaten abstimmen.

Das Direktorium der EZB kann aber nicht alleine Entscheidungen treffen: Seine sechs Mitglieder müssen sich im EZB-Rat mit den 17 Chefs der nationalen Zentralbanken der Euro-Staaten abstimmen. Entscheidungen über Erhöhung oder Senkung des Leitzinses treffen die 23 Mitglieder per Mehrheitsentscheid. Faktisch legt die Zentralbank jedoch Wert auf Einstimmigkeit - ein uneiniger Rat wäre ein fatales Signal an Politik und Finanzmärkte.

Wie entstehen in der EZB Mehrheiten?

Nationalitäten der Mitglieder spielen auf dem Papier zwar keine Rolle, doch die nationalen Regierungen sind bei ihrer Strategie im Umgang mit der Schuldenkrise in ein nördliches und ein südliches Lager gespalten. Deutschland und Frankreich geht es vor allem um Stabilität und Haushaltsdisziplin, überschuldete Süd-Staaten wie Spanien oder Italien wünschen sich Staatsanleihekäufe durch die EZB, um leichter an dringend benötigtes Geld zu kommen.

Ob die Ratsmitglieder im Sinne ihrer Regierungen abstimmen, von denen sie eigentlich unabhängig agieren müssten, ist Gegenstand hitziger Diskussionen. Die Wirtschaftswissenschaftler Harald Badinger und Volker Nitsch wollen herausgefunden haben, dass sich in der EZB entgegen aller Beteuerungen ihrer Unabhängigkeit sehr wohl nationale Netzwerke bilden, die sowohl bei der Nominierung von Nachfolgern im Direktorium als auch bei den späteren Entscheidungen zum Tragen kommen.

Was macht der Chefvolkswirt der EZB?

Große Institutionen wie Banken und Versicherungen stellen Chefvolkswirte an, damit diese ihnen Prognosen erstellt, wie sich die Konjunktur entwickelt. Ein Chefvolkswirt bewertet Indikatoren wie Aktienkurse, Inflationszahlen oder die Auftragseingänge von Firmen. Der Arbeitgeber - in diesem Fall die EZB - passt dann seine Strategie daran an. Der EZB-Chefvolkswirt betreut die Abteilung, die die makroökonomischen Daten analysiert.

Die EZB spricht nicht vom "Chefvolkswirt" als offiziellem Posten, weil sie den Eindruck vermeiden will, ein Direktoriumsmitglied habe einen einflussreicheren oder prestigeträchtigeren Job als ein anderes. Die Analysen des EZB-Chefvolkswirts und seines Stabs beeinflussen aber einen der wichtigsten Parameter der europäischen Wirtschaft: die Inflation. Und diese konstant niedrig zu halten ist die wichtigste Aufgabe der Zentralbank. Steuern kann die EZB das über den Leitzins.

Die Maxime der Preisstabilität steht im Vertrag von Maastricht. Die Preise sollen demnach im Jahresschnitt weniger als zwei Prozent steigen. Ist die Inflation konstant, können Unternehmen besser Investitionen planen - und Privatleute große Ausgaben wie einen Hausbau, argumentiert die EZB. Für wie gefährlich die Zentralbank die Inflation hält, zeigt sie in einem Lehrfilm für Kinder. Dort tritt die Inflation als Monster auf, mit blauer Haut und fiesen Zähnen.

Welche Aufgabe bekommt Asmussen?

Der Deutsche soll nun die weltweiten Kontakte der EZB pflegen. Die Zentralbank unterhält Beziehungen zu anderen wichtigen Akteuren des internationalen Finanzgeschehens. Dazu gehören Zentralbanken in der ganzen Welt, die OECD, der Internationale Währungsfonds IWF und auch die Bank für internationalen Zahlungsausgleich BIZ, die Zentralbank der Zentralbanken. Das zuständige Direktoriumsmitglied braucht somit diplomatische Fähigkeiten, um Gespräche im Hintergrund zu führen. Die werden Asmussen nachgesagt: Im Finanzministerium war er in den neunziger Jahren für Kontakte zum IWF und die Vorbereitung von Wirtschaftsgipfeln zuständig.

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