Ticketpreise:Preise für innerdeutsche Flüge steigen rasant

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Airbus A320 der Lufhansa. (Foto: dpa)
  • Die Pleite von Air Berlin führt zu deutlich höheren Preisen im innerdeutschen Flugverkehr.
  • Das hängt vor allem mit der hohen Nachfrage und den Buchungssystemen der Airlines zusammen. Tickets in günstigen Buchungsklassen sind schneller vergriffen.
  • Anfang 2018 könnte sich die Situation wieder entspannen.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Wer in diesen Wochen innerdeutsch fliegen will, der hat zwei Probleme: Auf vielen der sogenannten Rennstrecken sind kaum noch Plätze zu bekommen in einer der Maschinen von Lufthansa und Eurowings. Wenn doch, dann klagen viele Passagiere darüber, dass die Preise stark gestiegen seien. Bleibt manchmal nur die Bahn oder das Auto auch auf langen Strecken. Oder man sagt die Reise ab, weil sie zu teuer kommen würde.

Im langjährigen Durchschnitt ist Fliegen zwar immer billiger geworden, jetzt stimmt das im innerdeutschen Luftverkehr aber nicht mehr. "Auf bestimmten Strecken sind die durchschnittlichen Preise um bis zu 30 Prozent gestiegen," sagt Gerd Pontius, Chef der auf die Branche spezialisierten Unternehmensberatung Prologis Strategy. Auf anderen Strecken sind es bis zu 15 Prozent. Allerdings gehen er und andere Experten davon aus, dass demnächst die Preise wieder zurückgehen, wenn wieder mehr Maschinen fliegen und Easyjet nach Deutschland kommt.

Das Kartellamt aber hat jetzt angekündigt, die stark gestiegenen Ticketpreise für deutsche Inlandsflüge zu prüfen. "Wir haben die Deutsche Lufthansa gebeten, uns Informationen über ihre Preissetzung zur Verfügung zu stellen. Wir werden uns die Daten ansehen und dann darüber entscheiden, ob wir ein Verfahren einleiten", sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt.

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Natürlich hängt der Preisanstieg an der Insolvenz von Air Berlin, die Ende Oktober den Flugbetrieb eingestellt hat. Zwar wird die Mehrzahl der einst 144 Air-Berlin-Jets letztlich im deutschen Markt erhalten bleiben, doch weil der Übergang zu den neuen Betreibern Eurowings und Easyjet nicht von einem Tag auf den anderen vonstattengehen kann, sind im deutschen Luftverkehr insgesamt im November rund 80 Flugzeuge weniger im Einsatz. Allein im November werden so 15 Prozent weniger Sitze angeboten werden. Diese Verknappung trifft auf einen boomenden Markt: Das vierte Quartal ist in der Regel für Geschäftsreisen auf Kurzstrecken das stärkste. Hinzu kommt nun, dass die deutsche Wirtschaft unerwartet rasant wächst. Immer dann, wenn die Geschäfte gut laufen, finden besonders viele Dienstreisen statt.

Ticketpreise werden mithilfe einer ausgeklügelten und weitgehend automatisierten Steuerung festgelegt, die zahlreiche Parameter berücksichtigt. So kommt es, dass im selben Flugzeug Passagiere sitzen, deren Ticketpreise einige Hundert Euro auseinanderliegen. Es handelt sich um verderbliche Ware: Ein Platz ist nur zu verkaufen, bis die Flugzeugtür zu ist. Viele Airlines, auch Lufthansa, teilen die in einem Flugzeug zur Verfügung stehenden Plätze deshalb in Buchungsklassen mit unterschiedlichen Preisen ein. Wer besonders früh bucht, hat gute Chancen auf die billigsten Tickets.

Berater Pontius sagt, Lufthansa habe die Struktur nicht verändert oder die Preise erhöht. Allerdings ist die Nachfrage derzeit so groß, dass die billigen Buchungsklassen schnell volllaufen. Außerdem: Weil der Bedarf auf den betreffenden Strecken viel größer ist als im Vorjahr und als prognostiziert, nehmen die Lufthansa-Computer in den mittleren Buchungsklassen Sitze heraus, verknappen automatisch das Angebot, verschieben sie in die teureren Kategorien. Es zahlen also mehr Passagiere höhere Preise, auch wenn technisch gesehen die Preise nicht erhöht wurden.

Lufthansa lehnt es bisher ab, das Preissystem zu ändern, und versucht stattdessen, möglichst viele und möglichst große Flugzeuge einzusetzen. Bis Ende Dezember fliegen Jumbo-Jets des Typs Boeing 747 von Frankfurt nach Berlin, etwa 350 Passagiere finden darin Platz. Außerdem wird die Strecke künftig regulär nur noch von Jets des Typs Airbus A321 bedient, der 200 Passagieren Platz bietet. Bislang waren auch kleinere Flugzeuge im Einsatz. Lufthansa hat zudem auf praktisch allen wichtigen innerdeutschen Strecken die Kapazität erhöht, in der Spitze um 35 Prozent, zwischen Stuttgart und München.

Das Problem der hohen Preise betrifft im Wesentlichen fünf innerdeutsche Strecken: von München nach Köln/Bonn und Hamburg, von Düsseldorf nach Hamburg sowie von Nürnberg und Frankfurt nach Berlin. Bisher sorgte dort Air Berlin für Wettbewerb, nun ist nur noch die Lufthansa selbst oder ihre Tochtergesellschaft Eurowings aktiv. Hohe Marktanteile der größten deutschen Airline an den wichtigen Standorten sind allerdings nicht neu.

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Laut Prologis gab es schon vor der Air-Berlin-Pleite in Deutschland 48 Monopolstrecken und nur 15 mit Wettbewerb. 2018 wird sich das nur leicht zugunsten von Lufthansa verschieben. Demnach werden es künftig 52 Monopolstrecken sein, auf elf werden konkurrierende Anbieter auftreten. Wie genau sich die Lage entwickelt, hängt im Wesentlichen von Easyjet ab. Die Billigfluggesellschaft will von Januar an schrittweise 25 Flugzeuge am Flughafen Berlin-Tegel stationieren und kommt dann in Berlin auf einen Marktanteil von 36 Prozent, mehr als Lufthansa und Eurowings zusammen.

Anfang 2018 könnte sich die Lage entspannen

Bemerkenswert ist, dass sich im Langstrecken- und Europaverkehr durch den Wegfall von Air Berlin nicht viel verändert hat. Die Lufthansa-Gruppe, zu der neben Eurowings auch Swiss und Austrian Airlines gehören, kann ihre Position im Europageschäft von 34 auf 39 Prozent ausbauen, bei den Langstrecken geht es von 41 auf 44 Prozent. Innerdeutsch bietet Lufthansa im kommenden Jahr voraussichtlich 83 Prozent der Sitze an, im September 2017 vor der Air-Berlin-Pleite waren es 73 Prozent (Grafik). Easyjet kommt dann auf 14 Prozent, allerdings hat die Airline noch nicht bekannt gegeben, welche innerdeutschen Strecken sie anbieten will.

Die gute Nachricht aus Kundensicht ist: Voraussichtlich schon Anfang 2018 wird sich die Lage entspannen. Lag der Rückgang der innerdeutschen Flugkapazität im November noch bei 15 Prozent, werden es im Dezember nur noch elf Prozent und im März fünf Prozent sein. Prologis-Chef Pontius geht davon aus, dass im Sommer 2018 insgesamt sogar ein Prozent mehr Sitze angeboten werden als im Sommer dieses Jahres. "Wir sehen jetzt schon, was an Zusatzkapazitäten im nächsten Jahr kommt," sagt Oliver Wagner, Geschäftsführer des Lufthansa-Ablegers Eurowings. Neben Easyjet in Berlin will Condor einen neuen Flugbetrieb mit Sitz in Palma de Mallorca aufbauen. Tuifly erweitert die eigene Flotte von 25 auf 32 Maschinen. Auch unabhängige Anbieter wie Germania expandieren. "Es herrscht ein bisschen zu viel Goldgräberstimmung", findet Wagner.

Lufthansa will nach der Air-Berlin-Insolvenz deren Töchter Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW) und Niki übernehmen. Die EU-Kommission muss die geplante Transaktion aber noch genehmigen. Sie will sich dazu am 7. Dezember erstmals öffentlich äußern und darlegen, welche Konzessionen sie im Gegenzug verlangt. Lufthansa hat dann zehn weitere Tage Zeit, mögliche Auflagen zu akzeptieren. Eine vertiefende Prüfung über weitere 90 Tage würde angesichts der prekären Finanzlage der beiden bislang nicht insolventen Air-Berlin-Töchter die Übernahme aber massiv gefährden. Der Brüsseler Luftverkehrsberater Ulrich Schulte-Strathaus geht deswegen davon aus, dass Lufthansa schon längst versucht, auf informellem Wege viele strittige Punkte mit der Kommission zu klären.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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