Telefonate, SMS und mobiles Internet:Roaminggebühren sollen wegfallen - zumindest ein bisschen

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Touristinnen machen in Berlin ein Selfie vor einem Bild des legendären Bruderkusses. Wenn sie das Foto ins Ausland schicken, kann es teuer werden. (Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)
  • Die umstrittenen Roaminggebühren im EU-Ausland sollen doch weiter bestehen bleiben. Anstatt sie ganz abzuschaffen, soll es Obergrenzen für Gesprächs- und Datenguthaben geben.
  • Der Vorschlag lautet: 50 Minuten telefonieren, 50 SMS und 100 Megabyte Datenverkehr.
  • Telekomunikationsunternehmen verdienen gut mit Roaminggebühren. Sie argumentieren, dass sie damit den Netzausbau finanzieren wollen.
  • Verbraucherschützer kritisieren den Vorschlag: Wer einen Binnenmarkt will, darf "nicht an den Landesgrenzen auf die Bremse treten".

Von Varinia Bernau, München, und Daniela Kuhr, Berlin

Um den Bürgern zu zeigen, dass sich Politiker in Brüssel so richtig für sie ins Zeug legen, eignet sich kaum etwas besser als die Gebühren fürs Telefonieren über Landesgrenzen. Seit Jahren macht die Europäische Union den Anbietern Druck - und hat so dafür gesorgt, dass seit 2007 die Gebühren für Telefonate, SMS und Surfen unterwegs fast halbiert wurden. Bis Ende dieses Jahres, so versprachen die zuständigen Kommissare bei jeder Gelegenheit vollmundig, sollten Roaminggebühren innerhalb der EU ganz wegfallen. Doch daraus wird nun wohl nichts.

Ein Entwurf für das Telekommunikationspaket, um das in Brüssel gerade gerungen wird, zieht nun zwar erstmals eine Grenze für Gesprächs- und Datenguthaben ohne zusätzliche Gebühren. Wer diese aber überschreitet, muss weiterhin Zusatzgebühren zahlen. Demnach wären jährlich getätigte und empfangene Anrufe nur für jeweils 50 Minuten zu den Bedingungen wie im Heimatland möglich, bei SMS liegt die Grenze bei 50 Stück, im Datenverkehr bei 100 Megabyte. Zum besseren Verständnis: 100 Megabyte reichen für etwa 15 Minuten eines Youtube-Video. Die Regelung soll vom nächsten Jahr an gelten. Das geht aus einem Entwurf der lettischen Regierung hervor, die noch bis Mitte dieses Jahres den Vorsitz im Rat der Europäischen Union hat. Auch das Parlament hatte sich bereits dafür ausgesprochen, Roaminggebühren nicht gänzlich abzuschaffen.

Mobilfunkverträge kosten immer weniger

Auf den ersten Blick liest sich das Papier, als hätten die Lobbyisten der Telekommunikationskonzerne gute Arbeit geleistet - zum Schaden vieler Verbraucher. Denn an kaum einer anderen Stelle verdienen sie so gut. Die Tatsache, dass die Aktie der Deutschen Telekom am Freitag nach dem Bekanntwerden der jüngsten EU-Pläne prompt einen Sprung gemacht hat, deutete Bern Krieger, Leiter des Europäischen Verbraucherzentrums in Kehl, denn auch als ein Zeichen, "dass die Verbraucher hier auf der Strecke bleiben". Die Wirklichkeit ist weitaus vielschichtiger.

In den vergangenen Jahren hat der Verbraucher bereits von einem starken Wettbewerb zwischen den Mobilfunkanbietern profitiert. In Deutschland beispielsweise sind innerhalb der vergangenen zehn Jahre die Preise für viele Dinge des täglichen Bedarfs, etwa für Kleidung oder für Lebensmittel, gestiegen. Für den Mobilfunkvertrag oder das aufzuladende Guthaben aber sind sie stetig gesunken. Branchenbeobachter halten dies inzwischen für bedenklich, weil so dringend notwendige Investitionen in die Netze nicht mehr möglich sind. Die Folge: Europa fällt weiter hinter Asien und Amerika zurück, wenn es darum geht, den Bürgern einen Zugang zum schnellen Internet zu geben.

"Nicht nur ein Urlaubsspaß, sondern notwendiger Alltag"

Führende Telekommunikationsmanager haben deshalb zum Amtsantritt von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im vergangenen Herbst in einem Brief deutlich gemacht, wie hoch die Investitionen sind, die sie für den Netzausbau bereits stemmen - und dass sie Brüssel in der Pflicht sehen, Bedingungen zu schaffen, unter denen sich diese Investitionen auch lohnen. Das Bundeswirtschaftsministerium, das bei der Verhandlung des Telekommunikationspaketes in Brüssel federführend ist, versucht nun, beide Interessen im Blick zu behalten: die der Wirtschaft und die der Verbraucher. Eine Ministeriumssprecherin begrüßte den Vorschlag aus Lettland. Ziel sei eine weitere Senkung der Roaming-Gebühren, aber auch, "die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Telekommunikationsunternehmen nicht zu beeinträchtigen", sagte sie.

Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV), warnte allerdings vor einer "Kehrtwende" bei den Roaming-Gebühren. Kommunikation sei "nicht nur ein Urlaubsspaß, sondern innerhalb Europas für viele Menschen notwendiger Alltag". Wer einen europäischen Binnenmarkt wolle, dürfe bei den Telefongebühren "nicht an den Landesgrenzen auf die Bremse treten". Und auch Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU) sprach sich dafür aus, die Roaming-Gebühren in Europa abzuschaffen: "Es darf für den Verbraucher keinen Unterschied machen, ob er sich beim Nutzen digitaler Angebote über Ländergrenzen hinweg bewegt."

Derzeit müssen deutsche Verbraucher für ein Telefonat maximal 22,6 Cent pro Gesprächsminute, bei eingehenden Anrufen sechs Cent zahlen. Eine SMS darf höchstens 7,1 Cent, das Surfen im Internet höchsten 23,8 Cent pro Megabyte kosten. Es gibt mittlerweile spezielle EU-Tarife, bei denen sekundengenau abgerechnet wird, sowie Flatrates fürs Ausland. Und wer sich mit seinem Smartphone etwa im Hotel oder an öffentlichen Orten ins kostenlose Funknetz einwählt, kann über Skype, Whatsapp oder ähnliche Dienste ebenfalls kostengünstig telefonieren.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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