Brief an EU-Kommission:Telekom fordert härtere Regeln für Google, Facebook und Co.

Lesezeit: 3 min

Die einen bauen die Netze, die anderen verdienen Geld damit: Geht es nach dem Willen der europäischen Telekommunikationsunternehmen soll damit bald Schluss sein. Die EU-Kommission soll gegen Google, Amazon, Facebook und Co. hart durchgreifen.

Von Varinia Bernau

Im Kampf um die Spielregeln im Internet und die daran geknüpfte Frage, wer dort das große Geld macht, wird der Ton rauer: In einem Brief wenden sich nun die Chefs der zehn führenden europäischen Telekommunikationskonzerne an den neuen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. In dem zweiseitigen Schreiben listen sie zunächst auf, wie sehr sie sich bemühen, damit der Kontinent nicht den Anschluss verpasst - etwa indem sie gemeinsam in den nächsten fünf Jahren 150 Milliarden Euro in die hiesigen Netze investieren. Und sie fordern die Politiker auf, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit die mächtigen Internetkonzerne wie Amazon, Google oder Facebook ihnen nicht länger das Geschäft streitig machen können.

Seit Jahren steigt die Menge der Daten, die durch das Netz geschleust werden. Vor allem, weil die Menschen nicht mehr nur Webseiten anklicken, sondern auch ihre Fotoalben und Musiksammlungen in die digitale Wolke stellen anstatt ins Regal, Filme streamen statt sie auf DVD zu schauen. Während die etablierten Telekommunikationskonzerne viel Geld in den Ausbau der Netze stecken müssen, um diese Datenflut zu bewältigen, schöpfen die amerikanischen Internetunternehmen die Gewinne ab.

Diese verdienen ihr Geld nämlich nicht mit stetig sinkenden Gebühren für den Internetanschluss, sondern mit Anzeigen, die sie im Internet platzieren, und Speicherplatz, den sie in der digitalen Wolke vermieten. Oder mit Büchern, die sich dort per Klick kaufen lassen. Zwei Zahlen machen das Dilemma deutlich, vor dem die europäische Branche steht: Der Datenverkehr in Europa hat sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als vervierfacht. Aber den hiesigen Telekommunikationsunternehmen ist es nicht gelungen, daraus ein gutes Geschäft zu machen. Ihr Umsatz ist sogar gesunken.

Telekom-Chef fordert Chancengleichheit

Vor kurzem hatte bereits Tim Höttges, Chef der Deutschen Telekom, in der SZ Chancengleichheit zwischen den europäischen Anbietern der Infrastruktur und den amerikanischen Anbietern von Internetdiensten gefordert. Die Wertschöpfung sei inzwischen sehr ungleich verteilt, so dass es Infrastrukturanbietern wie der Deutschen Telekom immer schwerer falle, in den Ausbau der Netze zu investieren. "Deshalb brauchen wir insgesamt gleiche Spielregeln für alle."

ExklusivTelekom-Chef Tim Höttges im Interview
:"Bürgerrechte müssen bewahrt bleiben"

Telekom-Chef Tim Höttges spricht im SZ-Interview über die Bedrohung durch den US-Konzern Google und die Frage, wie die deutsche Wirtschaft darauf reagieren soll.

Von Marc Beise, Varinia Bernau und Caspar Busse

Nun sucht Höttges den Schulterschluss mit seinen Kollegen in anderen Ländern Europas: Neben ihm haben unter anderem Vodafone-Chef Vittorio Colao, Telefonica-Chef César Alierta, Orange-Chef Stéphane Richard sowie Hans Vestberg, Chef des europäischen Netzausrüsters Ericsson den Brief an Juncker unterzeichnet.

Dass sich inzwischen eine Schere zwischen den klammen Netzanbietern und den strahlenden Internetkonzernen auftut, liegt nicht nur an verpassten Chancen. Es liegt auch daran, dass für Telekommunikationskonzerne in Europa andere Regeln gelten als für jene US-Unternehmen, die hier ihre Internetdienste anbieten. Seit Monaten wird etwa um eine europäische Datenschutzgrundverordnung gerungen, an die sich dann alle halten müssen.

Internetkonzerne "kapitalisieren die Daten"

"Die Internetdienste nehmen uns kein Geschäft weg, aber sie nehmen uns Dienste weg. Wenn jemand eine Facebook-Nachricht sendet, ist er darauf angewiesen, dass wir ihm den Zugang zum Netz bieten. Dafür schicken wir ihm eine Rechnung. Facebook und die anderen verdienen ihr Geld aber mit Werbung. Die kapitalisieren die Daten, die sie bekommen. Das dürfen wir als Telekommunikationsanbieter nicht", hatte etwa Vodafone-Chef Vittorio Colao in einem Interview mit der SZ im Frühjahr gesagt.

Der Manager wollte dies nicht als grundsätzliche Kritik an den Internetkonzernen verstanden wissen. Er pochte aber darauf, dass die gleichen Spielregeln für alle gelten. "Nehmen Sie eine Nachricht, etwa: 'Lass uns eine Radtour machen!' Wenn Sie die in eine SMS packen, darf Vodafone das nicht auswerten. Wenn Sie das mailen, kann Google das analysieren - und Ihnen Werbung für Fahrräder schicken. Das ist nicht Googles Schuld, die haben daraus ein phantastisches Geschäft gemacht. Aber jetzt müssen die Regeln neu justiert werden."

Drei Kernforderungen der Telekommunikationsfirmen

In dem Schreiben, das die europäischen Manager nun nach Brüssel geschickt haben, finden sich drei Kernforderungen, die sie auch bei anderen Gelegenheiten immer wieder wiederholt haben:

  • eine Regulierung, die langfristige Investitionen sicherstellt
  • gleiche Regeln für die Anbieter von Infrastruktur und jene von Internetdiensten
  • Transparenz und Offenheit von Kommunikationsplattformen, Betriebssystemen und Suchmaschinen, damit europäische Nutzer über Plattformen hinweg kommunizieren und frei wählen können

Dies ist aus zweierlei Gründen ein bemerkenswerter Vorgang: Zum einen beschwören nun ausgerechnet die Anbieter, die sich im Alltag mit allen Mitteln gegenseitig die Kunden streitig machen, eine ganz neue Gemeinschaft. Zum anderen steckt hinter den diplomatischen Worten auch eine Drohung: Noch, so die implizite Botschaft, investieren wir in Europa.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: