Tarifverhandlungen:Arbeitgeber drohen mit Klage gegen IG-Metall-Streiks

Metall-Arbeitgeber stellen sich auf Streik ein

Proteste mit Feuertonne: Der Metall- und Elektrobranche stehen heiße Zeiten bevor. Im neuen Jahr könnte es zu Warnstreiks kommen.

(Foto: Axel Heimken/dpa)

In der Metall- und Elektroindustrie kündigt sich ein erbitterter Tarifstreit an. Die Unternehmer halten die Forderungen der Gewerkschaft für diskriminierend und rechtswidrig.

Von Detlef Esslinger und Kristiana Ludwig, München/Berlin

Der deutschen Metall- und Elektroindustrie steht möglicherweise ein erbitterter Tarifkonflikt bevor. Zum Jahreswechsel endet für die IG Metall die Friedenspflicht, und sie hat bereits Warnstreiks sofort nach Ende der Ferien angekündigt, vom 8. Januar an. Nun halten die Arbeitgeber dagegen. Der Hauptgeschäftsführer ihres Verbandes Gesamtmetall, Oliver Zander, sagte am Donnerstag in Berlin, wenn die Gewerkschaft an ihrer Forderung festhalte, "führte das zu rechtswidrigen Streiks". Welche Konsequenz die Metall-Arbeitgeber nun erwägen, deutete ihr Hauptgeschäftsführer in Bayern, Bertram Brossardt, an. Er sagte am Donnerstag der Süddeutschen Zeitung: "Wir behalten uns vor, rechtliche Schritte einzuleiten." Sie fürchten weniger die Warnstreiks als 24-stündige Streiks, mit denen die IG Metall für Februar droht.

"Es geht nicht, dass der Arbeitnehmer entscheidet, wann er wie viel arbeiten will."

Tarifrunden in der Metall- und Elektroindustrie verlaufen zwar traditionell kämpferisch. Doch legen sowohl die Arbeitgeber als auch die IG Metall eigentlich Wert darauf, die Sache untereinander zu regeln, und nicht die Arbeitsgerichte zu bemühen. Diesmal könnte das anders sein. Die Arbeitgeber widersetzen sich vehement einer Forderung der IG Metall: dass jeder der 3,9 Millionen Beschäftigten in der Branche das Recht haben soll, seine wöchentliche Arbeitszeit für maximal zwei Jahre auf bis zu 28 Stunden zu reduzieren - und dass die Firma den dadurch entstehenden Verdienstausfall teilweise erstatten soll; jedenfalls dann, wenn es sich um Schichtarbeiter handelt oder um Arbeitnehmer, die sich um ihre Kinder oder ihre kranken Eltern kümmern wollen.

Seit Wochen sagen die Arbeitgeber, dass sie Gespräche darüber ablehnen. Zunächst argumentierten sie mit ihrer Befürchtung, Kundenaufträge nicht mehr erfüllen zu können. "Es geht nicht, dass der Arbeitnehmer alleine entscheidet, wann er wie viel arbeiten will", sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer der Süddeutschen Zeitung in einem Interview, das in der Wochenendausgabe erscheint. "Tut mir leid, aber unsere Aufgabe als Unternehmer ist es immer noch, Produkte und Dienstleistungen zu erbringen, die auf dem Markt wahrgenommen und in Preis, Lieferzeit und Qualität akzeptiert werden."

Jetzt, kurz vor dem Ende der Friedenspflicht, betonen sie zudem ein weiteres Argument: dass die Forderung diskriminierend und damit rechtswidrig wäre. Ihr bayerischer Hauptgeschäftsführer Brossardt sagte der SZ, sie verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, weil sie "zu einem unterschiedlichen Stundenentgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit führt": Weil Arbeitnehmer, die seit Langem in Teilzeit arbeiten, auch künftig nur ihren normalen Lohn erhalten würden - während Arbeitnehmer, die ihre Vollzeit vorübergehend verkürzen, zusätzlich zum normalen Lohn eine Ausgleichszahlung erhalten sollen. Die Arbeitgeberverbände befürchten, dass ihre Mitgliedsfirmen von Teilzeit-Arbeitnehmern verklagt werden, die sich durch einen Tarifvertrag mit einer solchen Regelung womöglich diskriminiert sehen. Und sie befürchten, dass diese Firmen sodann bei ihnen auf Schadenersatz pochen werden.

"Wenn die Arbeitgeber Bedenken haben, sollen sie mit uns konstruktiv Lösungen erarbeiten."

Indem Brossardt sagt, sich rechtliche Schritte "vorzubehalten", spricht er eine Drohung aus; dass die Arbeitgeber tatsächlich vor Gericht ziehen, ist noch nicht entschieden. Das letzte Mal, dass die Metall-Arbeitgeber sich dazu entschlossen, war Ende der Siebzigerjahre. Sie zögern nun aus zwei Gründen: Erstens vergiftet eine Auseinandersetzung vor Gericht immer zusätzlich das Klima, und gewönnen die Arbeitgeber, könnte die IG Metall versucht sein, sich in einer späteren Tarifrunde mit besonders teuren, aber rechtmäßigen Forderungen zu revanchieren. Zweitens wollen die Arbeitgeber abwarten, was denn tatsächlich vom 8. Januar an in den Warnstreikaufrufen der Gewerkschaft steht. Es könnte ja sein, dass die aus juristischen Gründen darin so tut, als gehe es ihr nur um sechs Prozent mehr Geld für die Beschäftigten, und die Arbeitszeitverkürzung vorsichtshalber nicht erwähnt.

Die IG Metall wiederum erweckte am Donnerstag den Eindruck, juristische Problem könnten überwunden werden. Auf SZ-Anfrage schlug die Gewerkschaftszentrale indirekt vor, heutige Teilzeit-Arbeitnehmer genauso zu bezahlen wie Vollzeit-Arbeitnehmer, die künftig ihre Arbeitszeit verkürzen - und ihnen auch das Recht zu geben, ihre Arbeitszeit auf Vollzeit zu erhöhen. "Wir meinen, dass diese Option auch den heute in Teilzeit beschäftigten Kolleginnen und Kollegen offen stehen soll", hieß es jedenfalls in dem Statement der Gewerkschaft. "Wenn die Arbeitgeber Bedenken haben, sollen sie mit uns konstruktiv Lösungen erarbeiten." Bisher schöben sie rechtliche Einwände nur vor, sagt die Gewerkschaft - "um sich vor der inhaltlichen Debatte zu drücken."

Einig sind sich alle Beteiligten, dass der Tarifkonflikt entweder bis zum 8. Februar gelöst sein wird - oder danach eskalieren wird. An jenem Tag ist Weiberdonnerstag, in der Woche darauf folgen die Faschingsferien, und danach würde die IG Metall sicherlich nicht einfach mit Warnstreiks weitermachen - sondern ihr Vorstand würde Großbetriebe aussuchen, die dann für jeweils 24 Stunden lahmgelegt werden sollen. Die weitere Eskalationsstufe wären schließlich Urabstimmung und unbefristete Streiks.

Hauptgeschäftsführer Oliver Zander von Gesamtmetall deutete am Donnerstag eine Kompromisslinie an. In der Metall- und Elektroindustrie gilt grundsätzlich die 35-Stunden-Woche, allerdings dürfen die Betriebe je nach Region 13 und 18 Prozent ihrer Beschäftigten bis zu 40 Stunden lang arbeiten lassen. Diese Quotenregelung würden die Arbeitgeber gerne kippen. Im Gegenzug "könnten wir auch über die Möglichkeit für Einzelne reden, Arbeitszeiten abzusenken", sagte Zander. Einen Lohnausgleich für diese "Einzelnen" sieht sein Vorschlag jedoch nicht vor.

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