Studie:Angst vor der Blase

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Experten der Agentur Moody's Analytics machen die EZB dafür verantwortlich, dass immer mehr Immobilien in Europa überbewertet sind.

Von Felicitas Wilke

Durchschnittlich 6400 Euro für einen Quadratmeter. Die Immobilienpreise in München, wie in diesem Fall für eine Eigentumswohnung, sind extrem hoch. Aber nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern steigen die Preise für Wohneigentum seit Jahren. Experten der Agentur Moody's Analytics warnen, dass neben Deutschland besonders Norwegen und Großbritannien von einer Immobilienblase bedroht sind. Verantwortlich dafür seien einige länderspezifische Probleme - und die aktuelle Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).

Quantitative Lockerung, so heißt das Programm, mit dem die EZB derzeit versucht, die Wirtschaft zu beleben. Weil der Leitzins schon lange fast bei null liegt und trotzdem nicht genug investiert wird, kauft die Zentralbank seit März jeden Monat für 60 Milliarden Euro Staatsanleihen von allen Euro-Ländern. So pumpt sie noch mehr Geld in den Markt. Das sorgt für langfristig niedrige Realzinsen, die Investoren dazu motivieren sollen, günstig Kredite aufzunehmen. Der Haken: Die EZB kann nicht nachprüfen, ob mit den Krediten die Investitionen getätigt werden, die sie sich erhofft - nämlich vor allem Anlagen in Programme, die Beschäftigung und Wachstum fördern sollen.

Weil die Preise in Deutschland als stabil galten, investierten viele

Tatsächlich nutzen viele Anleger die günstigen Kredite für den Kauf einer Immobilie, weil sie sich davon höhere Renditen als von Anleihen versprechen, besagt die Studie von Moody's. Weil die Nachfrage seit Jahren steigt, werden die Preise in einigen europäischen Ländern immer höher. Seit 2010 sind die Immobilienpreise in Norwegen um mehr als 30 Prozent gestiegen, in Deutschland um fast 25 und in Großbritannien um nahezu 15 Prozent. Gerade in den Großstädten wie London, Oslo und München seien Grundstücke, Häuser und Wohnungen zunehmend überbewertet. Die durch die EZB-Politik verursachten billigen Kredite könnten die Situation noch verschärfen, heißt es, bald drohe eine Immobilienblase. Zwar sind weder Norwegen noch Großbritannien Teil der Eurozone, die Zinsen in beiden Ländern werden jedoch stark durch das Zinsniveau im Euro-Raum beeinflusst. Hinzu kommt, dass beide Notenbanken auch eine lockere Geldpolitik verfolgen. In Norwegen senkte die Zentralbank den Leitzins, um in Zeiten niedriger Ölpreise die Konjunktur zu stützen. Die Bank of England verfolgte jahrelang selbst die umstrittene Politik der quantitativen Lockerung und drückte so die Zinsen. Mittlerweile hat sie diese Maßnahme gestoppt und verschärfte im vergangenen Jahr die Regeln für Hypotheken. Die Immobilienpreise aber steigen noch immer. Auch, weil das sogenannte "Help to Buy"-Programm der britischen Regierung den Kauf von Eigenheimen subventioniert und damit viele Anleger dazu motiviert, einen Kredit aufzunehmen. Am meisten sei zurzeit Norwegen von einer Immobilienblase gefährdet, besagt die Studie. Die norwegische Finanzaufsichtsbehörde warnte in diesem Jahr bereits vor einer Aufwärtsspirale der Immobilienpreise wegen der niedrigen Zinsen. Trotzdem senkte die Zentralbank den Leitzins weiter. Dass auch in Deutschland eine Blase drohen könnte, begründen die Analysten mit den ehemals sehr stabilen Preisen. Die Kosten für Wohneigentum waren in der Vergangenheit nur leicht gestiegen. Auch während der Finanzkrise blieben die Preise auf dem gleichen Niveau, während sie in vielen anderen europäischen Ländern abstürzten. Genau dieser Ruf, ein Ort der Stabilität zu sein, lockte ab 2009 viele Investoren an - und die Preise begannen nun doch, stark zu steigen.

"Die erhöhte Nachfrage nach deutschen Immobilien führt zu einer Überbewertung", stellt die Studie von Moody's fest. Bisher sei nicht genug Wohnraum gebaut worden, um der Nachfrage gerecht zu werden. Auch die Bundesbank hat in den vergangenen zwei Jahren schon mehrmals auf die Immobilienpreise hingewiesen, die in Großstädten zwischen zehn und 20 Prozent überbewertet seien. Eine Blase droht ihrer Meinung nach aber nicht: Für Deutschland als Ganzes könne von einer Überbewertung nicht die Rede sein, hieß es im Monatsbericht der Bundesbank im Februar.

© SZ vom 24.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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