Stromsteuer:Wer sich selbst mit Strom versorgt, soll künftig zahlen

Stromsteuer: Wer sich mit mehr als 20 Megawattstunden Solarstrom pro Jahr versorgt, soll nach dem Willen von Minister Schäuble eine Stromsteuer zahlen.

Wer sich mit mehr als 20 Megawattstunden Solarstrom pro Jahr versorgt, soll nach dem Willen von Minister Schäuble eine Stromsteuer zahlen.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Das Bundesfinanzministerium plant eine Änderung des Stromsteuergesetzes.
  • Wer sich selbst mit mehr als 20 Megawattstunden Strom pro Jahr versorgt, soll künftig 2,05 Cent je verbrauchter Kilowattstunde zahlen.
  • Von der möglichen Änderung dürften vor allem Gewerbebetriebe oder Mehrfamilienhäuser betroffen sein.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Rund um Deutschlands Dächer entsteht gerade ein florierendes Geschäft. Ganze Viertel ließen sich mit Solarzellen versorgen, und da auch die zugehörigen Batteriespeicher immer günstiger werden, könnte das sogar rund um die Uhr gelingen. Allein Baden-Württemberg hätte ein Potenzial an solchen Solaranlagen, das so groß wie die derzeitige komplette deutsche Sonnenstrom-Produktion ist. Hätte.

Denn ein kleine Gesetzesänderung aus dem Bundesfinanzministerium könnte mit einem großen Teil des schönen Geschäftsmodells bald Schluss machen. Das Haus von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) plant nämlich eine Änderung des Stromsteuergesetzes. Demnach soll, wer sich mit mehr als 20 Megawattstunden pro Jahr selbst versorgt, künftig Stromsteuer entrichten - 2,05 Cent je verbrauchter Kilowattstunde.

Einfamilienhäuser sind in der Regel nicht betroffen

Die Besitzer von Einfamilienhäusern müssen sich nicht groß darum scheren. Wer nicht gerade seinen Swimmingpool mit Solarstrom beheizt, bleibt weit unter der Grenze von 20 Megawattstunden. Ein deutscher Durchschnittshaushalt verbraucht zwischen drei und vier Megawattstunden.

Das Nachsehen dagegen haben Gewerbebetriebe oder Mehrfamilienhäuser. Bei letzteren hat sich das Geschäftsmodell des so genannten "Mieterstroms" entwickelt. Projektfirmen bauen Solarzellen auf das Dach und versorgen die Mieter mit vergleichsweise günstigem Sonnenstrom. Überschüsse fließen ins Stromnetz, wo sie nach den üblichen Fördersätzen vergütet werden. Reicht der Strom nicht aus, wird welcher zugekauft. Ganze Wohnungsbaugesellschaften, so hofft die darbende Branche, könnten auf diese Art zu Stromerzeugern werden. Schon jetzt versorgen sich auch Supermärkte und Gewerbebetriebe ähnlich mit günstigem Sonnenstrom.

"Rolle rückwärts für die dezentrale Energiewende"

Doch selbst in der Bundesregierung gibt es Vorbehalte. Schließlich wird der Solarstrom nicht umsonst gefördert, sein Ausbau gehört zu den Energiewende-Zielen der Koalition. Das dafür zuständige Wirtschaftsministerium gibt sich wortkarg. Bislang laufe noch die Abstimmung zwischen den Ministerien. Es sei aber wichtig, so erklärt eine Sprecherin, "dass Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern nicht benachteiligt wird". Schließlich liege es sowohl im nationalen als auch im europäischen Interesse, den Ökostrom zu fördern und auszubauen. Das Finanzministerium dagegen verweist auf das "Kumulierungsverbot", wonach es für ein und denselben Strom nicht zweierlei Art von Förderung geben darf. "Hier gibt es Vorgaben aus Brüssel, die wir umzusetzen haben", sagt eine Sprecherin.

Und zwar gründlich. Die neue Vorgabe soll auch rückwirkend gelten, also für alle bereits errichteten Anlagen. Auch sind die 20 Megawattstunden kein Freibetrag. Sind sie überschritten, "entsteht die Steuer für die gesamte Strommenge". Konkret heißt das: Auf Solarstrom, der sich für neun bis elf Cent erzeugen lässt, kommen noch einmal zwei Cent drauf. Es wäre die zweite Zusatzbelastung innerhalb kurzer Zeit, denn seit 2014 wird auf den selbstverbrauchten Solarstrom auch Ökostrom-Umlage fällig.

Entsprechend groß ist der Widerstand. "Damit verhindert die Bundesregierung, dass vor allem die großen ungenutzten Potenziale auf Dachflächen im innerstädtischen Bereich für die Sonnenenergie erschlossen werden können", klagt Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). "Das ist so, wie wenn jemand auf dem Balkon Tomaten anpflanzt und für den Verzehr dann nachher Umsatzsteuer zahlen soll." Auch forderten die EU-Vorgaben keineswegs die Erhebung von Stromsteuern - eine Auffassung, die offenbar auch Teile der Bundesregierung haben. Die Solarlobby selbst spricht von einem Schildbürgerstreich.

Dabei sind die Solaranlagen nicht mal als einzige betroffen: Wer seinen Strom aus einem umweltfreundlichen Kleinkraftwerk bezieht, das sowohl Strom als auch Wärme erzeugt, könnte künftig auch Strom- und Energiesteuer zahlen müssen - obwohl es auch hier ein amtliches Ausbauziel gibt. "Das bedeutet eine Rolle rückwärts für die dezentrale Energiewende", klagt die Grünen-Energiepolitikerin Julia Verlinden. Für den Staatshaushalt hingegen sprängen bis zum Jahr 2022 gut 1,4 Milliarden Euro bei der Stromsteuer heraus. Nur dumm, dass der Verwaltungsaufwand höher ist.

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