Steuerhinterziehung:Spion und Spion

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Die Schweiz soll Steuerfahnder ausgeforscht haben, es wäre eine weitere Wendung im Kampf um das Geld der Deutschen im Ausland. Die Schweiz kooperiert längst.

Von Hans Leyendecker, Georg Mascolo, Nicolas Richter und Charlotte Theile, München

Am Freitag der vergangenen Woche, während sich die Kollegen auf ein langes Wochenende freuen, bereitet sich Peter Beckhoff darauf vor, nicht mehr zurückzukommen. Es ist sein letzter Tag im Büro, sein letzter Tag als Chef der Steuerfahndung in Wuppertal. Die Jagd nach deutschen Steuerhinterziehern wird er nun den Jüngeren überlassen, er selbst geht in Pension.

Es wirkt wie ein Abschiedsgeschenk, dass die Polizei am selben Tag in Frankfurt eine Art Widersacher Beckhoffs verhaftet: Daniel M., 54, der für den eidgenössischen Geheimdienst angeblich deutsche Finanzbeamte bespitzelt haben soll, wird im Hotel Roomers festgenommen wegen des Vorwurfs, ein ausländischer Agent zu sein.

Die mutmaßliche Spionageaffäre wirkt auf den ersten Blick nachvollziehbar, wirft im Detail aber noch viele Fragen auf. Oberflächlich betrachtet ist zu verstehen, warum sich die Schweiz für Beckhoff und seine Kollegen interessierte: Die deutschen Beamten haben großen Anteil daran, dass vom Schweizer Bankgeheimnis kaum noch etwas übrig geblieben ist. Sie kauften von 2010 an Daten-CDs mit Informationen von Schweizer Bankkunden von Insidern oder Mittelsleuten auf und wiesen damit etlichen deutschen Bürgern nach, dass sie ihr Vermögen in der Schweiz angelegt hatten, ohne es zu Hause zu versteuern. Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) fasst die Ergebnisse so zusammen: Der Staat habe für 19 Millionen Euro "Steuer-CDs" gekauft, was Steuer- und Strafzahlungen in Höhe von 6,3 Milliarden Euro ausgelöst habe. Eine Investition mit Bombenrendite. Dies, merkt der Finanzminister an, "schmeckt verständlicherweise nicht jedem". Zum Beispiel nicht der Schweiz und ihrer lange Zeit auf das Geldverstecken spezialisierten Finanzindustrie.

Deutsches Geld, das in der Schweiz vor dem Fiskus versteckt wird, sorgt seit Jahren für Streit zwischen beiden Ländern. Besonders der frühere Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte die Schweiz erzürnt, als er mit der "Peitsche" drohte oder sie mit Indianern verglich, die mit der Kavallerie rechnen müssen. Fast zehn Jahre und mehrere Daten-CDs später ist der frühere Finanzminister fast am Ziel. Das Bankgeheimnis, das den Schweizer Banken jahrzehntelang gute Einnahmen garantierte, ist Geschichte: Von 2018 an werden die Schweizer Banken beim automatischen Informationsaustausch mitmachen.

Die Geschichte begann, als der Schweizer Großbank UBS Kundendaten gestohlen wurden

Ihren Ausgang nimmt die Geschichte in den späten Nullerjahren, als der Schweizer Bank Credit Suisse Kundendaten abhandenkommen, kopiert von einem Mitarbeiter. Seit 2009 berichten Medien darüber, dass diese Daten, auf CDs gebrannt, nun den deutschen Finanzämtern zum Kauf angeboten würden. Im Februar 2010 wird bekannt, dass ein Bundesland zugeschlagen hat: Nordrhein-Westfalen erwirbt einen Datensatz für 2,5 Millionen Euro. Die Schweizer Bundesanwaltschaft beginnt sofort zu ermitteln, etwa wegen "wirtschaftlichen Nachrichtendienstes" und "unbefugter Datenbeschaffung". Es dauert nicht lange, bis die Ermittler fündig werden. Sie stellen fest, dass die Daten von einem Mitarbeiter der Credit Suisse kopiert wurden und über einen Helfer zu den deutschen Steuerfahndern gelangten. Gegen drei deutsche Steuerfahnder ergeht Haftbefehl.

In dieser Zeit mischt sich der Schweizer Geheimdienst in die Sache ein, es erinnert nun an die Comicserie "Spion gegen Spion", in der ein mutmaßlicher Spion dem anderen beikommen soll. Offenbar führt der Schweizer Dienst eine Liste über Steuerfahnder in Nordrhein-Westfalen, die aber lückenhaft sein soll. Der mutmaßliche Spitzel Daniel M. soll damals den Auftrag erhalten, die Liste zu vervollständigen. Aber mit welchen Details, und mit welchem Ziel?

Es gibt mehrere mögliche Erklärungen. Entweder will der Schweizer Dienst herausfinden, was sich in Nordrhein-Westfalen tut, damit die Schweiz gerüstet ist für die nächsten Enthüllungen. Oder der Geheimdienst will die Schweizer Strafverfolger dabei unterstützen, mehr Material gegen Beckhoff zu finden. Oder der Dienst sucht die Nähe deutscher Steuerfahnder, um mehr über deren Quellen zu erfahren. Für den Ursprungsfall der Credit Suisse ist das zwar nicht mehr nötig, da die Schweizer Ermittler die Sache im Frühjahr 2012 bereits aufgeklärt haben. Aber womöglich suchen sie nach weiteren undichten Stellen.

Der Schweizer Dienst scheint keinen sehr diskreten Spion eingestellt zu haben. M. ist ein erfahrener Mann, er hat bei der Polizei gearbeitet, sich später um die Sicherheit der Großbank UBS gekümmert und sich dann 2010 als Privatermittler selbständig gemacht. Doch im Jahr 2015 enthüllt das Schweizer Magazin Bilanz, Daniel M. spioniere für die Schweiz und habe es auf den Steuerfahnder Beckhoff abgesehen. Nach den üblichen Maßstäben in der Geheimdienstwelt wäre Daniel M. als Spitzel damit verbrannt, und es wäre wohl auch besser, sich eine Weile nicht in Deutschland sehen zu lassen.

Der Spitzel kam selbst in Verdacht. Er soll illegal Daten verkauft haben

Für M. kommt erschwerend hinzu, dass er zwischenzeitlich auch den Verdacht der Schweizer Strafverfolger auf sich gezogen hat. Für einen seiner Aufträge soll er illegal sensible Daten verkauft haben, was er bestreitet. Bei den Vernehmungen durch die Bundesanwaltschaft in Bern gibt er allerdings angeblich preis, dass er Beckhoff und die anderen Fahnder in NRW ausspioniert hat. Diese Information gelangt später an die Staatsanwaltschaft in Bochum, die sie an den Generalbundesanwalt schickt.

Daniel M. soll am Tag seiner Festnahme ganz arglos gewesen sein. Er steigt in Frankfurt im Hotel Roomers ab und will sich mit dem Chef einer örtlichen Sicherheitsfirma treffen. Mit einer Verhaftung scheint er nicht gerechnet zu haben.

Ist sein Fall nur eine Erinnerung an eine vergangene Zeit? Die Schweizer Banken betonen, heute sei alles anders: Man kooperiere vollständig und verfolge eine lückenlose Weißgeldstrategie.

© SZ vom 02.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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