Siemens:"Wir werden kämpfen wie die Löwen"

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Vereint gegen den Stellenabbau: Mitarbeiter von Siemens demonstrieren in Duisburg. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)
  • Aufgerufen von der Gewerkschaft IG Metall protestieren in vielen Städten Deutschlands insgesamt etwa 5000 Siemens-Mitarbeiter gegen geplante Stellenstreichungen.
  • Siemens-Chef Joe Kaeser hatte zuletzt angekündigt, 4500 Stellen abzubauen, davon 2200 in Deutschland. Es ist die dritte Ankündigung binnen weniger Monate.
  • Ärger löst auch ein Interview Kaesers aus, das Gewerkschafter als Versuch sehen, sie und die Belegschaft gegeneinander auszuspielen.

Report von Jannis Brühl und Christoph Giesen, Duisburg/München

Im Wedaupark sind normalerweise die Zebras zu Hause, das Fußballteam des MSV Duisburg. An diesem Dienstag sind aber vor allem Löwen zu sehen. Sie prangen auf Buttons, auf T-Shirts und Bannern. "Wir werden kämpfen wie die Löwen", steht oft als Schlachtruf daneben, ausgeben hat ihn die IG Metall. Mehr als 3000 Siemens-Mitarbeiter haben sich auf einer Wiese neben dem Stadion zusammengefunden. Auch in Berlin und vielen anderen Städten haben sich Siemensianer versammelt, bundesweit sind es etwa 5000. Sie eint die Angst um ihren Arbeitsplatz.

Vor einem Monat hatte Siemens-Chef Joe Kaeser angekündigt, 4500 Stellen abzubauen, davon 2200 in Deutschland. Mal wieder - so jedenfalls empfinden es viele der Siemensianer hier auf der Wiese. Seitdem der langjährige Finanzvorstand Kaeser vor knapp zwei Jahren Peter Löscher als Vorstandschef abgelöst hat, haben sie die Namen vieler Sparprogramme gehört, sie heißen "Siemens 2014" (das noch unter Löscher initiiert wurde), " Vision 2020", "1 by 16", "PG 2020" oder "bottom 10". In regelmäßigen Abständen werden aus diesen Schlagworten auch Zahlen.

Die Ankündigung Anfang Mai, Arbeitsplätze abzubauen, ist inzwischen die dritte binnen weniger Monate. Im Herbst hieß es, 1200 Jobs seien in der Energietechnik in Deutschland betroffen. Im Februar gab Kaeser bekannt, dass aufgrund einer Strukturreform 7400 Stellen nicht mehr benötigt werden, 2900 davon in Deutschland. Und jetzt sollen noch einmal 4500 Jobs verschwinden.

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Siemens-Chef Kaeser war angetreten, seinen Konzern aus der Krise zu führen. Seit zwei Jahren werkelt er an allen möglichen Ecken. Viel erreicht hat er bislang nicht -außer die eigenen Leute zu verunsichern.

Von Christoph Giesen

Viele Stellen sollen diesmal wieder in der Energiesparte des Unternehmens wegfallen, an Standorten wie Berlin oder Mülheim, aber auch in Sachsen und dem Großraum Nürnberg, überall wo Turbinen und ihr Zubehör gefertigt werden. Von insgesamt 1600 Stellen in Deutschland spricht der Konzern. Die Gewerkschaft kommt auf höhere Zahlen, je nachdem wie man es rechnet und welche der Sparprogramme man zusammenfasst.

Es sind aber nicht nur die Zahlen, die auf die Stimmung drücken; angeheizt ist die Atmosphäre in Duisburg auch wegen eines Interviews, das Konzernchef Kaeser in der aktuellen Ausgabe der Mitarbeiterzeitschrift Siemens-Welt gegeben hat. Darin erklärt er, dass sich wegen der Energiewende derzeit kein Gaskraftwerk in Deutschland verkaufen ließe und daher die Arbeitsplätze abgebaut werden müssten. Flaute im Geschäft also. Nur wenige Tage nach dem Erscheinen der Zeitschrift unterschrieb Kaeser jedoch den größten Deal der Konzerngeschichte. Die drei leistungsstärksten Gaskraftwerke der Welt soll Siemens nach Ägypten liefern. Insgesamt 24 Großturbinen, jede 400 Tonnen schwer und allesamt gefertigt in Deutschland.

In der Zeitschrift hatte Kaeser mit Blick auf die Gewerkschaften kritisiert: "Es gibt immer Einzelne, die versuchen, mit ideologischen Methoden einen Keil zwischen Management und unsere Mitarbeiter zu treiben. Ich werde aber nicht zulassen, dass Funktionärsprofilierung auf dem Rücken unserer loyalen und fleißigen Mitarbeiter ausgetragen wird." Gemeint war damit nicht zuletzt Knut Giesler, der Bezirksvorsitzende der IG Metall in Nordrhein-Westfalen und einer der Redner in Duisburg. Er hatte die Vorstellungen des Managements im Mai als "weltfremd" bezeichnet. In Duisburg sagt Giesler nun: "Ich bleibe dabei: Wenn das Management sagt, die Mitarbeiter könnten ja nach Amerika gehen, dann nenne ich das weltfremd." Dafür bekommt er viel Applaus und Trillerpfiffe.

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Es ist der größte Einzelauftrag, den der Konzern je erhalten hat: Ägypten bestellt Windparks und Gaskraftwerke.

Von Christoph Giesen

Nach Giesler spricht Jürgen Kerner. Er ist Mitglied des IG-Metall-Vorstandes, sitzt im Aufsichtsrat von Siemens und ist der Organisator des Aktionstages. Als einziger auf der Wiese trägt einen Anzug und ein leuchtend-weißes Hemd. Auch er geht hart mit Siemens-Chef Kaeser ins Gericht: Das Gespräch in der Mitarbeiterzeitschrift sei "ein Interview, das man nur als Aufforderung zum Protest verstehen kann", ruft er den Siemensianern auf der Wiese zu. Kaeser habe sich sozusagen selbst interviewt.

Was ihm besonders aufgestoßen ist in Kaesers Interview, das sei die Einteilung der Arbeitnehmervertreter gewesen. Kaeser hatte Männer wie Giesler als ideologisch verbrämt dargestellt und die verständnisvollen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ausdrücklich gelobt. Dazu sagt Kerner nun: Wenn der Vorstand den Aufsichtsrat bewerte, dann liefe etwas nicht richtig. Es sei schließlich andersrum gedacht: Der Aufsichtsrat habe das Management zu bewerten. Der Siemens-Vorstand wolle Betriebsräte und IG Metall gegeneinander ausspielen: "Ich lasse diese Spaltung durch den Vorstand nicht zu!"

© SZ vom 10.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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