Siemens: Jobabbau:Die Krux mit dem Widerspruch

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Ausgliedern, zurückholen - und jetzt verkaufen: Siemens-Chef Peter Löscher krempelt die Sparte SIS um. Fehlt Deutschlands größtem Technologiekonzern die Strategie?

Karl-Heinz Büschemann

Mal wieder hat sich der Münchner Siemens-Konzern mit wenig schmeichelhaften Nachrichten in die Schlagzeilen gebracht. Dieses Mal geht es um die Sparte SIS, die Dienstleistungen in der Informationstechnik anbietet. In diesem Bereich sollen 4200 von 35.000 Arbeitsplätzen wegfallen, jeder zweite davon in Deutschland. Nach der Sanierung soll das heute verlustreiche Geschäft verkauft oder an die Börse gebracht werden.

Die Entscheidung erregt Aufsehen, sie legt erneut einen Schwachpunkt des großen Elektro- und Technologiekonzerns offen: Bei Siemens gibt es einen Widerspruch zwischen dem strategischen Anspruch und der harten Realität des Tagesgeschäfts. Konzernchef Peter Löscher hat bei seinem Antritt im Mai 2007 dem Unternehmen großspurig eine Strategie verordnet, die auf drei globale Mega-Trends aufbaut: dem weltweiten demographischen Wandel, der Klimaveränderung sowie der Globalisierung und zunehmenden Urbanisierung. Das ist richtig. Doch es gelingt dem Konzernchef oft nicht, kleine Brandherde in dem Riesenkonzern zu löschen. Manchmal drängt sich gerade an den Rändern des Siemens-Geschäfts der Eindruck auf, Deutschlands größter Technologiekonzern habe keine konsistente Strategie.

Die Sparte SIS ist ein Beispiel für merkwürdiges Hin und Her bei Siemens. Dieser Dienstleistungssektor steckt in Schwierigkeiten. Das ist kein Siemens-Problem, auch andere Unternehmen haben ihre liebe Not mit den eigenen IT-Dienstleistern. Nur ist es kaum zu erklären, warum Siemens dieses Geschäft erst ausgliedert, dann wieder zurückholt und jetzt dessen Verkauf plant. Das ist bei einem angesehenen Unternehmen so schwer verständlich wie der Versuch, die Hörgeräte-Sparte zu verkaufen. Die passe nicht zum Kerngeschäft, hieß es, man werde dieses profitable Geschäft verkaufen.

Doch vor wenigen Tagen wurde genau das wieder abgeblasen, weil sich niemand fand, der Siemens 2,5 Milliarden Euro zahlen wollte. Solches Agieren wirkt hilflos. Der Verkauf eines Unternehmensteils muss professionell ablaufen. Schon der Verkauf der Handy-Sparte an das chinesische Unternehmen BenQ hatte Siemens nur Ärger gebracht, die Trennung von den Telefonnetzen, die bei einer Gemeinschaftsfirma von Nokia und Siemens landeten, ist auch noch nicht erledigt. Siemens macht den Eindruck, auf dem Rückzug zu sein. Von strategischen Zukäufen, die der Belegschaft ein echtes Signal für Aufbruch geben, ist wenig zu sehen.

Der Siemens-Konzern, eine der ersten Adressen der deutschen Wirtschaft, macht bemerkenswerte Management-Fehler. Was in anderen Firmen geräuschlos abläuft, wird bei den Münchnern leicht zum Großproblem. So hat der Konzern die SIS-Belegschaft so miserabel auf die künftigen Einschnitte vorbereitet, dass die Gewerkschaften auf die Barrikaden gehen. Der Konzern sucht, wie einer Mitteilung vom Donnerstag zu entnehmen ist, erst jetzt das Gespräch mit den Arbeitnehmern, um das Problem zu lösen. Gute Manager suchen den Kontakt mit den Belegschaften vorher.

Der Siemens-Chef sollte sich mal mit dem Linde-Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Reitzle zum Abendessen verabreden. Der könnte ihm erklären, wie man einen international agierenden Konzern fast geräuschlos umkrempeln kann und wie man sich von Personal und von Unternehmensteilen so trennt, dass es keine Schlagzeilen gibt. Reitzle hat gerade bei Linde knapp zehn Prozent der Arbeitsplätze gestrichen. Das hat er in einem Jahr geschafft, und es gab keinen Aufstand der Belegschaft.

Der Seiteneinsteiger Löscher ist nach drei Jahren noch immer nicht bei Siemens angekommen. Er hat noch nicht bewiesen, dass er mehr kann, als eine Konzernstrategie zu verfolgen, die schon von seinem Vorgänger Klaus Kleinfeld entwickelt wurde. Löscher agiert abgehoben, er hat sich noch immer nicht das Vertrauen von Belegschaft und Gewerkschaften erworben. Das braucht er aber, sonst scheitert seine große Linie, weil er seine Kraft auf Nebenkriegsschauplätzen vergeudet, wo er manchmal schlecht vorbereitet wirkt.

© SZ vom 19.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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