Siemens-Affäre:Comeback der Kontrolleure

Lesezeit: 3 min

Glück gehabt: Den Bilanzprüfern der KPMG sind einst die schwarzen Kassen bei Siemens nicht aufgefallen. Dennoch könnte ihr Vertrag jetzt verlängert werden.

Klaus Ott

Der Auftrag ist beinahe 100 Millionen Euro pro Jahr wert, weitere Geschäfte würden automatisch folgen. Insgesamt wären 1000 Leute für lange Zeit gut beschäftigt. Aber das ist längst nicht alles, was zählt. Für die KPMG, eine der weltweit größten Wirtschaftsprüfgesellschaften, geht es um mehr.

Glück für KPMG: Die Wirtschaftsprüfer können hoffen, dass ihr Vertrag bei Siemens verlängert wird. (Foto: Foto: Reuters)

Seit Jahrzehnten kontrolliert die Firma die Bücher und Bilanzen der Siemens AG. Die schwarzen Kassen, die dort geführt und für Schmiergeldzahlungen genutzt wurden, sind den Wirtschaftsprüfern nicht aufgefallen.

Dennoch darf die KPMG darauf hoffen, erneut den Zuschlag für diesen Großauftrag zu erhalten. Sollte es dazu kommen, dann nähme der Korruptionsskandal für die Bilanzkontrolleure ein unerwartet gutes Ende.

Im Verlauf der Schmiergeldaffäre hat Siemens den Auftrag für die Prüfung der Bücher neu ausgeschrieben. In der Konzernzentrale und im Aufsichtsrat galt das als Signal für einen Wechsel der Prüfgesellschaft. Insgesamt fünf Bewerber meldeten sich. Alle Branchengrößen waren dabei, darunter nach Angaben aus Siemens-Kreisen auch das Unternehmen Deloitte & Touche, das dem Industriekonzern bei der internen Aufklärung der kriminellen Machenschaften hilft.

In mehreren Runden wurden bei Siemens nach und nach einzelne Bewerber aussortiert, zwei haben es in die Endauswahl geschafft: Ernst & Young und eben die KPMG. Deren Chancen stünden "fünfzig zu fünfzig", heißt es bei Siemens. Im Verlauf des Herbstes will der Aufsichtsrat abstimmen, wer den Zuschlag erhalten soll. Das letzte Wort haben die Aktionäre bei ihrer Hauptversammlung im Januar 2009. Siemens und die KMPG äußern sich offiziell nicht zum Stand der Dinge.

"Wir sind getäuscht worden"

Eine Überraschung wäre es schon, sollte die KPMG erneut den Auftrag erhalten. Schließlich waren bei den Ermittlungen auch Vorwürfe gegen die Wirtschaftsprüfer laut geworden. Die hätten nicht genau genug hingeschaut, behaupteten beschuldigte Manager, die an dem kriminellen Treiben mitgewirkt hatten. Die KPMG widersprach. "Wir sind getäuscht worden", sagte Wirtschaftsprüfer Harald von Heynitz im Sommer als Zeuge im ersten großen Prozess in der Schmiergeldaffäre in München.

Heynitz las dem Gericht aus einer internen E-Mail bei Siemens vor, mit der sich die Verwalter schwarzer Kassen gegenseitig Tipps gegeben hatten. "Die KPMG sucht nach glatten Beträgen, bitte keine glatten Beträge mehr." Heynitz koordiniert die KPMG-Prüfungen bei Siemens, er hat dort auch sein Büro. Sein Auftritt vor Gericht machte auch Schwächen im System deutlich. Aufgabe der Wirtschaftsprüfer sei es, sich ein Bild darüber zu machen, ob die Bilanz des betreffenden Unternehmens "frei von wesentlichen Fehlern ist", sagte der Zeuge. Das Aufspüren von Straftaten sei "explizit nicht Gegenstand der Prüfung, wir haben auch gar nicht die Mittel dazu".

Richter Peter Noll, der das Verfahren leitete, verwies auf strengere Vorschriften in den USA. Seit diversen Bilanzskandalen bei Konzernen wie Enron und Worldcom müssen Wirtschaftsprüfer dort die Börsenaufsicht informieren, wenn ihnen Hinweise auf Gesetzesverstöße vorliegen, und notfalls sogar das Mandat niederlegen.

Falsches Zahlenwerk

In Deutschland genügt es, wie Heynitz dem Gericht schilderte, den Vorstand und den Aufsichtsrat zu unterrichten. Das habe die KPMG bei Hinweisen auf fragwürdige Zahlungen auch getan, beispielsweise Ende 2003, als es um Bargeld für Nigeria gegangen sei. Drei Jahre später listete die KPMG Geldflüsse in Höhe von 100 Millionen Euro auf, bei denen ein Schmiergeldverdacht bestehe, aber da war es schon zu spät. Die Staatsanwaltschaft ermittelte bereits und schlug kurz darauf zu, die schwarzen Kassen und das kriminelle Treiben wurden publik. Mehrere Bilanzen der Siemens AG erwiesen sich als falsch, der Konzern zahlte 520 Millionen Euro Steuern nach.

Falsche Bilanzen sind kein Einzelfall. Die 2004 nach diversen Finanzskandalen in der Bundesrepublik und den USA geschaffene Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) hat die Jahresabschlüsse von 314 Aktiengesellschaften untersucht. Bei 72 Unternehmen stieß die DPR auf "wesentliche Verstöße". In der Mehrzahl dieser Fälle "haben wir Fehler festgestellt, obwohl die Wirtschaftsprüfer die Bilanzen testiert hatten", sagt DPR-Präsident Herbert Meyer. Darüber habe man dann die Wirtschaftsprüferkammern informiert. Die häufigste Fehlerursache seien die komplizierten internationalen Bilanzierungsregeln gewesen.

Bei Siemens wiederum ist man überzeugt, künftig korrekte Zahlenwerke vorzulegen, auch falls die KPMG den Prüfauftrag behalte. Es gebe keine Hinweise, dass die Wirtschaftsprüfung in den Skandal verstrickt sei, ist aus der Konzernspitze zu hören. Auch aus einem anderen Grund sei die KPMG womöglich der beste Kandidat. "Die würden besonders genau hinschauen, wenn sie das Mandat wieder bekommen."

© SZ vom 12.09.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Deutschlands Topverdiener
:Die Gehälter der Bosse

Deutsche-Bank-Chef Ackermann ist top, Commerzbank-Boss Blessing flop - zumindest, was das Gehalt angeht. Wer noch zu den Topverdiener in der deutschen Wirtschaftselite gehört.

Bildern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: