Grundsatzurteil zur Siemens-Affäre:Schwarze Kasse genügt

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Es muss nicht zur Bestechung kommen: Allein das Führen schwarzer Kassen gilt als Untreue gegen Unternehmen, entschied der Bundesgerichtshof. Gegen einige Siemens-Manager muss nun neu verhandelt werden.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem ersten Urteil zu Siemens-Schmiergeldzahlungen die Strafbarkeit wegen Untreue auf das Führen schwarzer Kassen ausgedehnt.

Es muss nicht zur Bestechung kommen - allein das Führen schwarzer Kassen gilt als Untreue gegen das Unternehmen. (Foto: Foto: AP)

Geld abzweigen genügt

Der BGH hob deshalb ein Urteil des Landgerichts Darmstadt gegen den früheren Finanzchef der Kraftwerkssparte zum Teil auf. Der Angeklagte soll im Jahr 2000 mit rund sechs Millionen Euro aus schwarzen Kassen Manager des italienischen Elektrokonzerns Enel bestochen haben. Das Landgericht muss nun erneut über die Strafe für den Angeklagten entscheiden.

Die Karlsruher Richter entschieden, dass der Angeklagte dem Unternehmen bereits durch das Führen schwarzer Kassen einen Schaden zugefügt und damit eine strafbare Untreue begangen habe. Damit legte der BGH die juristische Grundlage für die Aufarbeitung des aktuellen Korruptionsskandals beim Münchner Elektrokonzern, in dem es um dubiose Zahlungen von rund 1,3 Milliarden Euro geht.

Falsch verurteilt

Denn das Landgericht hatte die Auffassung vertreten, dass Anknüpfungspunkt für eine Bestrafung des Angeklagten erst die Schmiergeldzahlungen sein könnten - dem wurde vom BGH nun widersprochen.

Der Hauptangeklagte Andreas K. sei zwar zu Recht der Untreue schuldig gesprochen worden, da Schmiergelder aus schwarzen Kassen an den italienischen Energiekonzern Enel gezahlt worden seien, um an Aufträge zu kommen.

Untreue statt Bestechung

Der BGH bemängelte jedoch die Verurteilung wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr. Es liege keine Bestechung vor, wie die Vorinstanz befunden hatte, urteilten die Richter des Karlsruher Gerichts am Freitag. Im Jahr 2000 habe die entsprechende Vorschrift noch nicht für Zahlungen im Ausland gegolten. Das Landgericht Darmstadt muss nun die Schmiergeldfälle aus den Jahren 1999 bis 2002 neu verhandeln (Az.: 2 StR 587/07).

K. war Finanzchef der Siemens-Kraftwerkstochter KWU und im Mai 2007 wegen Bestechung und Untreue zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und 400.000 Euro und Geldbuße verurteilt worden. Bis 2002 sei die Bestechung im Ausland nicht strafbar gewesen, die begünstigten Enel-Mitarbeiter seien auch keine ausländischen Amtsträger.

Auch gegen einen weiteren Angeklagten ordnete der BGH eine neue Verhandlung an. Der mitangeklagte Siemens-Mitarbeiter Horst V. war vom Landgericht wegen Beihilfe zur Bestechung zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Bei der neuen Verhandlung sei aber eine Verurteilung wegen Untreue nicht auszuschließen.

Siemens muss nicht für erschlichene Aufträge büßen

Der Vertreter der Anklagebehörde, Bundesanwalt Wilhelm Schmidt, betonte nach der Verkündung: "Das BGH-Urteil hat deutlich gemacht, dass allein das Halten einer schwarzen Kasse den Straftatbestand der Untreue erfüllt." Die Staatsanwaltschaft München, die diverse Korruptionsfälle von Siemens-Mitarbeitern verfolgt, "wird Honig aus dieser Entscheidung saugen", sagte er.

Der zweite Strafsenat des BGH entschied zudem, dass Siemens keinen Gewinnausgleich für die erschlichenen Aufträge zahlen muss. Das Landgericht hatte Siemens zur Zahlung von 38 Millionen Euro verurteilt, da sich der Münchener Technologiekonzern durch die Schmiergeldzahlungen seiner damaligen Mitarbeiter Aufträge für Kraftwerksturbinen im Wert von 450 Millionen Euro gesichert hatte. Daraus war nach Gerichtsangaben einen Gewinn von 104 Millionen Euro vor Steuern erwirtschaftet worden.

Siemens hatte sich gegen die Verurteilung gewehrt, da in Italien bereits Entschädigungen an Enel gezahlt wurden. Die Staatsanwaltschaft hatte dagegen gefordert, dass Siemens mehr abführen müsse. Dem gab der Bundesgerichtshof nicht statt.

© sueddeutsche.de/Reuters/dpa/jkr/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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