Schuldenkrise in Athen:Griechenland braucht ein politisches Rettungspaket

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Die Innenstadt von Athen in Flammen, etliche Karrieren und Firmen zerstört, die staatliche Souveränität verloren - und das alles für 130 Milliarden Euro. Eine Pleite Griechenlands ist dank der Bewilligung neuer Hilfen durch die Finanzminister der Euro-Zone vorerst abgewendet. Aber wirklich gelingen kann die Rettung nur, wenn sich mehr bewegt als nur Milliarden.

Christiane Schlötzer

Einmal Brandenburger Tor, einmal französische Marianne, einmal griechische Eule. Eine Handvoll Euro-Münzen ist mehr als Geld. Die Mischung macht es, die Symbole stehen für Europas Geschichte. Die Mehrheit der Griechen wollten diese Währung behalten. Sie hatten gute Gründe dafür. Denn einen leichten Austritt aus der Euro-Zone hätte es für Griechenland nicht gegeben.

Fast 70 Prozent der Griechen wollen den Euro behalten. (Foto: dpa)

Griechenland ohne Euro, das hätte - so legen es die europäischen Verträge nahe - das Ausscheiden Griechenlands aus der EU bedeutet. Und das wäre nicht nur ein finanzielles Desaster gewesen, sondern eine kulturelle Katastrophe, für Griechenland und für Europa.

So kommt es nun erst mal nicht. Die Finanzminister der Euro-Zone haben nun seit Monaten mit Athen gerungen, und eine lange, schlaflose Nacht in Brüssel dazu. Eine griechische Regierung ist darüber zerbrochen, die Innenstadt Athens hat gebrannt, Karrieren wurden zerstört, Firmen vernichtet, Familienväter zu Kostgängern von Suppenküchen. Die griechische Gesellschaft ist tief gespalten in Befürworter und Gegner des Mnimonio, des Memorandums, wie die Griechen das Sparpaket nennen, das ihnen auferlegt wurde.

Die Verteidiger des Spardiktats halten den Gegnern "Realitätsverlust" vor. Umgekehrt ist von "Verrat" die Rede. Eine nationalistische Welle durchweht Hellas, und die Wiederauferstehung von dummen Stereotypen - in Griechenland, wie in Deutschland - gehört zu den Kollateralschäden dieses Rettungsversuchs. Da stellt sich schon die Frage: Hat sich das alles gelohnt?

Den Beteiligten in Brüssel und Athen ist zugute zu halten, dass die drohende Pleite eines Euro-Landes eine Herausforderung ohne Beispiel war. Jubel und Triumphgeschrei aber sind nun nicht angebracht. Das Rettungsrezept ist äußerst ehrgeizig, in vielen Punkten zu ambitioniert. Dafür kann man auf fast jeder der 50 Seiten des Memorandums ein Beispiel finden.

Der Gesundheitsbereich ist ein besonders deutliches: 1,1 Milliarden Euro sollen hier 2012 gespart werden, wozu die Verschreibung günstiger Generika empfohlen wird. Gute Idee. Nur bezahlt die Athener Ärztekammer seit Tagen Radiowerbung, die solche Medikamente ohne Patentschutz als gefährlich brandmarkt, weil die Mediziner ihr Zubrot von den Pharmafirmen nicht verlieren wollen. Und dies ist nicht die einzige aktive Lobby des alten Systems der Pfründe und Privilegien.

Von diesem Geflecht haben auch große internationale Firmen profitiert, weshalb die Häme über Hellas etwas Scheinheiliges hat. Siemens, Ferrostaal, der amerikanische Medizingeräte-Hersteller Smith & Nephew und andere - sie haben Geschäfte mit Geldzuwendungen erleichtert. Ermöglicht hat dies ein politisches System, das weder über Kontrollmechanismen noch über Skrupel verfügte. All das ist inzwischen bekannt, auch das hat die Krise vermocht.

Zuletzt wäre das teure neue Kreditprogramm für Athen beinahe noch gescheitert, als klar wurde, dass das viele Geld wahrscheinlich wieder nicht reichen wird, weil die griechische Wirtschaft am Boden liegt. Wer nichts produziert, kann auch keine der vielen neuen Steuern zahlen. Das Reformpaket soll, so ist es gedacht, den Unternehmen des Landes wieder zu Wettbewerbsfähigkeit verhelfen, indem die Löhne sinken. Das genügt aber nicht. Die Betriebe brauchen auch wieder Kredit, ausgeblutete Banken helfen da nicht weiter. Deshalb ist der Schuldenschnitt überlebensnotwendig für Griechenlands geprügelte Wirtschaft.

Reichen wird auch das nicht zur Rettung, wenn es keinen Mentalitätswandel gibt. Mutige Athener Staatsanwälte (auch ihnen wurde das Gehalt gekürzt), haben zuletzt angefangen, superreiche Steuerflüchtige und deren Konten - auch in der Schweiz - aufzuspüren. Ein früherer Verteidigungsminister soll wegen Geldwäsche belangt werden.

Gleichzeitig aber fordern dutzende Ex-Abgeordnete des Athener Parlaments rückwirkende Gehaltserhöhungen. Und Finanzbeamte blockieren die Ausbildung von jungem, unbestechlichem Nachwuchs. Der Weg aus der Krise ist für Griechenland noch weit, und er wird lange dauern. Wer an schnelle Rettung glaubt, der macht sich etwas vor - in Athen, Brüssel oder Berlin.

Das müssen Angela Merkel und Wolfgang Schäuble auch den Abgeordneten des Bundestags sagen, wenn sie am 27. Februar ihre Zustimmung zu den Kreditgarantien geben sollen; alles andere wäre unehrlich. Sie sollten dann auch begründen, warum sie trotzdem dafür sind, Griechenland noch einmal - und vielleicht nicht zum letzten Mal - zu unterstützen, obwohl alle wissen, dass dieses Memorandum auch Luftbuchungen enthält, dass vieles eher einem Wunschdenken als der Wirklichkeit entspricht.

Die Euro-Münzen mit der Eule möchten fast 70 Prozent der Griechen behalten. Eine Mehrheit aber ist auch gegen das Rettungspaket, das aus dem Arbeitslosengeld ein Almosen macht und die Mindestlöhne zusammenstreicht. Für das Gelingen des hellenischen Kraftakts wäre es gewiss gut, wenn die Opfer, die viele Griechen für ihr Land schon erbracht haben, auch gewürdigt würden - in und außerhalb Griechenlands. Dass dies bislang so wenig geschieht, ist Teil der griechischen Verzweiflung.

© SZ vom 22.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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